Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
Mehr Informationen: [Podcast-Feed][iTunes][Bitlove][Facebook] [Twitter]
Über Bewertungen und Kommentare freue ich mich auf allen Kanälen.
—————————————————————————————
Sternengeschichten Folge 416: Der Schlangenträger und das 13. Sternzeichen
„NASA-Sensation: Deshalb ist Ihr Sternzeichen falsch“ – das war der Titel eines Artikels in einem Online-Magazin aus dem Jahr 2016. 2019 konnte man in der Zeitung „Cosmopolitan“ lesen: „„13 Sternzeichen?! Hast du in Wahrheit ein ganz anderes?“. Immer wieder taucht die Geschichte vom „13. Sternzeichen“ auf. Da geht es zwar um Astrologie, also nicht um Wissenschaft. Der Hintergrund ist aber aus astronomischer Sicht durchaus interessant.
Fangen wir mal mit den Grundlagen an. Beziehungsweise fangen wir nicht mit den Grundlagen an. Denn das hier ist ja schließlich kein Podcast über Astrologie. Und in Folge 155 der Sternengeschichten habe ich schon ausführlich über den Unterschied zwischen Astrologie und Astronomie gesprochen und warum Astrologie kompletter Unsinn ist, könnt ihr in Folge 23 nachhören. Was aber im Zentrum der Astrologie steht und auch das zentrale Thema dieser Folge ist, das sind die Sternzeichen.
Auch wenn man nicht an Astrologie glaubt, wird man vermutlich sein Sternzeichen kennen. Und wissen, dass es 12 Stück davon gibt. Je nach dem Tag an dem man geboren wurde, ist man Schütze, Steinbock, Wassermann, Fische, Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage oder Skorpion. Was man auch oft glaubt, selbst wenn man kein Astrologie-Fan ist: Dass das Sternzeichen dadurch bestimmt wird, an welcher Position die Sonne zum Zeitpunkt der Geburt am Himmel gestanden ist. Als ich geboren wurde, war die Sonne gerade im Löwen zu sehen, also bin ich Löwe. Denn immerhin gibt es ja auch ein offizielles Sternbild das „Löwe“ heißt und das man sich am Himmel anschauen kann.
Das Problem: Das stimmt nicht. Also nicht, dass es ein Sternbild „Löwe“ gibt. Das stimmt schon. Aber als ich am 28. Juli 1977 geboren wurde, ist die Sonne dort nicht zu finden gewesen. Die war im Sternbild Krebs. Aus astrologischer Sicht ist das aber egal, denn der Himmel der Astrologie hat nichts mit dem realen Himmel der Astronomie zu tun. Zumindest heute. Früher war das anders und dieses Früher müssen wir uns ein wenig genauer anschauen, wenn wir das mit dem 13. Sternzeichen verstehen wollen.
Vor allem müssen wir nochmal kurz den Unterschied zwischen „Sternbild“ und „Sternzeichen“ betrachten, den ich in Folge 48 schon genauer erklärt habe. Der früher noch nicht existiert hat. Menschen haben immer schon zum Himmel geschaut und die hellen Punkte der Sterne zu Figuren angeordnet. Die ältesten dieser Figuren die wir heute noch kennen und zum Teil auch noch verwenden sind mehr als 2000 Jahre alt und stammen aus Babylonien. Die Menschen die damals den Himmel genau beobachtet haben, haben festgestellt, dass es da eine bestimmte Region gibt, die sich von anderen Regionen unterscheidet.
Wenn man zum Beispiel die Sonne jeden Tag zu Mittag betrachtet und ihre Position am Himmel notiert, dann wird man merken, dass das nicht immer die selbe Position ist. Kein Wunder, denn heute wissen wir ja, dass sich die Erde um die Sonne herum bewegt und wir sehen daher auch die Sonne im Laufe eines Jahres immer vor einem anderen Hintergrund. Damals dachte man, dass sich die Sonne um die Erde herum bewegt und deswegen immer woanders zu sehen ist. In unserem Fall kommt es aber auf das gleiche heraus: Die Sonne scheint im Laufe eines Jahres einen Kreis um die Erde herum zu beschreiben. Auf dieser Kreisbahn scheint sich die Sonne entlang einer Linie zu bewegen, die man „Ekliptik“ nennt. In Wahrheit ist die Ekliptik die an den Himmel projizierte Bahn der Erde. Auf jeden Fall aber folgt daraus, dass die Sonne im Laufe eines Jahres sich nicht irgendwo und überall am Himmel rumtreiben kann. Sondern nur dort, wo sich die Ekliptik befindet.
Genau das ist auch schon den Babyloniern aufgefallen und deswegen waren für sie die Sternfiguren besonders interessant, die genau am Weg der Sonne gelegen sind. Denn immerhin ist die Sonne unbestritten der wichtigste Himmelskörper für uns Menschen; sie macht das Leben auf der Erde erst möglich. In fast allen frühen Kulturen ist die Sonne als Gottheit verehrt worden und deswegen ging man auch davon aus, dass die Sterne am Himmel die den Weg der Sonne säumen, irgendwie besonders sein müssen.
Von allen Sternbildern am Himmel wurden ein paar ganz besonders betrachtet. Weil sie – zum Teil – nach Tieren benannt wurden, heißen sie auch „Tierkreiszeichen“ und es sind genau die Sternbilder, die in der astrologischen Deutung als Sternzeichen bezeichnet worden sind. Früher waren also Sternzeichen einfach nur eine besondere Gruppe unter allen Sternbildern des Himmels. Im Laufe der Zeit haben wir am Himmel aber immer wieder mal umsortiert. Lange hat es keine einheitlichen Regeln gegeben, verschiedene Kulturen haben zu unterschiedlichen Zeiten ganz verschiedene Sternbilder geschaffen. Und später haben verschiedene Forscher ihre ganz eigenen Systeme gebastelt um die Sterne in Bilder einzuteilen. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts hat man da ein System reingebracht und die Internationale Astronomische Union hat ein für alle Mal 88 offizielle Sternbilder am Himmel festgelegt. Mehr als die Hälfte davon sind alte Sternbilder, die wir aus der Antike übernommen haben; darunter auch die zwölf Sternbilder die in der Astrologie die Sternzeichen bilden. Für jedes Sternzeichen gibt es also ein passendes Sternbild am echten Himmel. Und die zwölf Sternbilder des Tierkreises sind auch tatsächlich genau die, die entlang der Ekliptik zu finden sind.
Nur: Es sind nicht alle Sternbilder, die entlang der Ekliptik zu finden sind. Dort liegen nicht nur die Sternbilder, deren Namen wir aus dem Zeitungshoroskop kennen. Sondern auch eines, das dort nicht aufscheint: Ophiuchus, der „Schlangenträger“. Auch dieses Sternbild gibt es schon lange, es gehört zu den alten Sternbildern der Antike. Man hat es damals aber ignoriert und nicht zu den Tierkreiszeichen bzw. zu den Sternzeichen gezählt. Vermutlich, weil man „12“ einfach als die schönere Zahl betrachtet hat; da ließ sich mythologisch viel mehr reininterpretieren. Und auch mathematisch war es viel praktischer, die Ekliptik einfach in 12 Abschnitte zu teilen und nicht in 13. „13“ ist eine Primzahl; „12“ dagegen eine Zahl die man durch 1, 2, 3, 4, 6 und 12 teilen kann, was zum Rechnen immer angenehm ist.
Die Astrologie und die Astronomie haben sich damals gemeinsam entwickelt. Bzw. gab es damals einfach keinen Unterschied; man hat den Himmel betrachtet, hat probiert die Bewegung der Planeten zu verstehen und zu verstehen, was es mit diesen ganzen leuchtenden Dingern auf sich hat. Und ein Weg, wie man probiert hat Sinn in die Angelegenheit zu bringen, war es, eine Verbindung zwischen Himmel und Erde aufzustellen; eine Verbindung zwischen dem, was oben im „Reich der Götter“ abgeht und unten mit dem Schicksal der Menschen. Heute wissen wir, dass es so eine Verbindung wie sie die Astrologie behauptet nicht gibt. Wo die Sonne und die Planeten am Himmel zu sehen sind, hat absolut keinen Einfluss auf unser Schicksal. Die Astronomie hat im Laufe der Zeit immer mehr über das reale Universum rausgefunden; die Astrologie ist das, was von damals noch übrig geblieben ist wenn man all die echten wissenschaftlichen Erkenntnisse abzieht. Die Astrologie hat daher auch alle Entdeckungen und Reformen ignoriert die im Laufe der Zeit gemacht worden sind. Der Himmel der Astrologie ist ein komplett fiktiver Himmel der nichts mit dem realen Himmel zu tun hat.
Zwischen Ende November und Mitte Dezember kann man die Sonne im Sternbild des Schlangenträgers finden. Laut Astrologie ist jemand, der in diesem Zeitraum geboren wurde aber vom Sternzeichen her ein Schütze. Die Astrologie teilt die Ekliptik immer noch in 12 gleich große Abschnitte denen die zwölf antiken Tierkreiszeichen zugeordnet sind. Am realen Himmel sind die realen Sternbilder aber unterschiedlich groß und die Sonne verbringt unterschiedlich viel Zeit in ihnen. Und eben auch ein paar Wochen im Sternbild Schlangenträger. Was aus astrologischer Sicht komplett egal ist – wenn man sich sowieso ein von der Realität komplett unabhängiges System aufbaut, dann kann man auch das ignorieren. Und aus astronomischer Sicht ist es gewissermaßen auch egal. Denn einerseits ist die Astrologie wissenschaftlich gesehen sowieso Unsinn. Und andererseits ist die Sache mit den Sternbildern und Sternzeichen zwar historisch interessant. Aber ein Sternbild ist ja kein reales Objekt im Universum. Die Sterne die ein Sternbild formen gehören ja nicht zusammen. Wir sehen sie nur zufällig von der Erde aus genau so an unserem Himmel stehen. In Wahrheit sind manche von ihnen nahe der Sonne, manche sind weit weg. Würden wir den Himmel von irgendeinem anderen Planeten im Universum aus betrachten, würden wir dort auch völlig andere Sternenkonstellationen sehen.
Die Figuren der Sternbilder existieren nur in unserer Vorstellung. Das macht sie für uns nicht weniger interessant; genau das macht das Universum ja erst menschlich. Wir brauchen all die Geschichten am Himmel um mit der unvorstellbaren Größe und Unmenschlichkeit des realen Universums klar zu kommen. Man muss sich aber definitiv keine Sorgen darüber machen, das „falsche Sternzeichen“ zu haben. Die Astrologie hat nichts mit der Realität zu tun; wer gerne ein anderes Sternzeichen haben möchte, kann sich einfach selbst etwas passendes ausdenken. Anregungen für die eigene Fantasie sollte man am Himmel mehr als genug finden.
Hallo Florian,
in einer uralten Folge „Querschnitte“ hat damals der seelige Hoimar von Dittfurth erklärt, dass sich die Sternzeichen seit ihrer „Erfindung“ vor rund 2000 Jahren um etwa ein ganzes Sternzeichen verschoben hätten – was die Astologie komplett ignoriere.
Stimmt das? Und falls ja, wäre das eine Info, die ich gerne auch in Deinem Beitrag gelesen hätte.
Davon abgesehen: Herzlichen Dank für so viel lesens- und wissenswertes, das ich den letzten Jahren von Dir lernen durfte!
LG Hybi
@Hybi: “ Und falls ja, wäre das eine Info, die ich gerne auch in Deinem Beitrag gelesen hätte.“
Ja, das stimmt. Aber in dieser Folge ging es halt um das 13. Sternzeichen und nicht um eine Wiederlegung der Astrologie. Und da ich die Folgen nicht überfrachten kann (da müsste ich dann ja auch noch die Präzession der Erdachse erklären, usw), hab ich das rausgelassen.
Herrn Freistetters Artikel finde ich immer äußerst lesenswert. Sie würden aber stark gewissen, wenn sie Gebrauch von einer der größten Erfindungen der Wissenschaftswelt machten, nämlich Hyperlinks. Ein Hoch auf Tim Berners-Lee!
(Also die alten Artikel nicht nur erwähnen, sondern verlinken. Danke!)
@Harald: Die Verwendung von Links ist mir durchaus geläufig. Aber das hier sind ja keine „Artikel“ im eigentlichen Sinn. Sondern die Transkriptionen meiner Podcasts. Die stelle ich hier nur als zusätzliches Service ein, damit die, die keine Lust zum Hören haben auch lesen können, was ich sage. Aber da ich mit meinem Podcast kein Geld verdiene, muss ich ein wenig sparsam mit der zusätzlichen Arbeit sein die ich mir da mache. Die ganzen Podcastfolgen komplett als Blog-Artikel aufzuarbeiten sprengt momentan leider meine verfügbare Zeit. Sorry…
#3: *gewinnen
Eigentlich tragen links nicht wirklich zum Erkenntnisgewinn bei ^^ (Zu viele und dann in den meisten Fällen) Menschen sind nur begrenzt aufnahmefähig und verzetteln sich dann. Wird dann nix mit dem Wissenszuwachs…
Kleine Anmerkung: Die Babylonier haben ein 60er Zahlensystem verwendet (wie wir es heute noch zur Zeitmessung nutzen – Minuten, Sekunden etc.): https://de.wikipedia.org/wiki/Sexagesimalsystem
Da fügen sich 12 Sternzeichen einfach mal sehr natürlich ein. Der verlinkte Artikel erklärt dann auch, wie man an einer Hand bis 12 zählt (und bis 60 mit beiden Händen), so dass der Bevorzugung der 12 einfach der alltäglichen Gewohnheit entsprungen sein kann.
Die mathematische Herleitung der „12“ Zeichen sowie die Herleitung aus ihrer mythologisch vielfältigen Interpretierbarkeit halte ich für Quatsch. Viel naheliegender ist m. E. die Ableitung des Tierkreises aus dem Mondkalender.