Die Venus ist ein vernachlässigter Planet. Was schade ist. An unserem Nachthimmel ist die Venus mal als Abendstern, mal als Morgenstern sehr prominent präsent. Im Laufe der Jahrtausende haben wir Menschen und jede Menge Mythen und Geschichten über den hellen „Stern“ ausgedacht. Aber im Zeitalter der Raumfahrt hat sich unsere Aufmerksamkeit auf den Mars verschoben. Wir suchen nach Leben auf dem Mars, wir schicken Raumsonden und Rover auf den Mars; wir planen die Besiedelung des Mars. Die Venus dagegen bekommt so gut wie nie Besuch von der Erde. Dabei gäbe es vielleicht dort auch große Entdeckungen zu machen. Das Leben zum Beispiel, das wir seit Jahrzehnten auf dem Mars finden wollen!
Das ist zumindest die Idee von Sara Seager vom Massachusetts Institute of Technology und ihren Kollegen. Kürzlich haben sie eine Arbeit veröffentlicht, die sich mit dem Lebenszyklus von Mikroben auf der Venus beschäftigt („The Venusian Lower Atmosphere Haze as a Depot for Desiccated Microbial Life: A Proposed Life Cycle for Persistence of the Venusian Aerial Biosphere“). Und bevor die Aufregung zu groß wird: Es handelt sich natürlich um einen mutmaßlichen Lebenszyklus von hypothetischen Mikrolebewesen.
Auf den ersten Blick sieht die Venus ja wie ein lebensfeindliches Höllenloch aus. Temperaturen von fast 500 Grad Celsius auf der Oberfläche; darüber eine enorm dicke Atmosphäre aus unfreundlichen Gasen wie Kohlendioxid, Stickstoff und Schwefeldioxid. Nicht unbedingt der Ort, auf dem man nach Leben suchen würde. Aber wenn man ein wenig genauer hinschaut, dann sieht die Sache nicht mehr ganz so hoffnungslos aus. Je weiter man sich von der Venusoberfläche entfernt, desto kühler und weniger dicht wird die Atmosphäre. In einer Höhe von etwa 50 bis 60 Kilometer hat man ungefähr erdähnliche Temperaturen die zwischen 0 und 60 Grad Celsius liegen und einen Druck der in etwa dem der Erdatmosphäre an der Erdoberfläche entspricht. Also im Prinzip Bedingungen die Leben möglich machen könnte.
Aber Leben mitten in der Luft? Sowas geht – und sowas gibt es auch bei uns auf der Erde. Beziehungsweise eben über der Erde. Die irdischen Mikrolebewesen sind überall; auch in der Luft. Bakterien, Viren und andere kleine Lebewesen fliegen in fast allen Schichten der Atmosphäre herum. Um die Mikroben bilden sich Wassertropfen; mit diesen Tropfen können sie um die halbe Welt herumfliegen. Aber irgendwann werden die Tropfen zu groß und zu schwer und die kleinen Dinger fallen im Inneren von Regentropfen, Hagelkörnern oder Schneeflocken zu Boden.
Was auf der Venus eher unpraktisch wäre, weil der Boden dort eben lebensfeindlich heiß ist. Aber Seager und ihre Kollegen haben sich die Sache nochmal genau angesehen. Und vor allem die Schichten der Venusatmosphäre detailliert betrachtet. Wasserdampf gibt es in der Venusatmosphäre zwar auch, aber die Wolken dort bestehen eher aus Schwefelsäure. Was unangenehm klingt, auch unangenehm ist – aber hauptsächlich für uns Menschen. In der Welt der Bakterien zum Beispiel gibt es die Sulfurikanten, die auch mit Schwefel wunderbar klar kommen. Und es ist nicht unplausibel sich Bakterien oder andere Mikroben vorzustellen, die in und von Schwefelsäuretropfen leben können. Die wurden dann in der Venusatmosphäre so leben wie die Bakterien in den Wassertropfen den irdischen Wolken. Wenn diese Tropfen jetzt langsam nach unten fallen, erreichen sie irgendwann die extrem heißen Schichten der Venuswolken. Dort wo es zwischen 100 und 200 Grad hat und was dazu führt, dass die flüssigen Tropfen aus Schwefelsäure verdampfen. Wenn diese schützende Schicht entfernt ist, könnten sich die Mikroben in eine Art „Winterschlaf“-Zustand versetzen.
So wie das auf der Erde etwa die >Bärtierchen tun. Wenn denen die passenden Bedingungen zum Leben fehlen – weil zum Beispiel die Moose in denen sie gerne leben austrocknen, gehen sie in einen Zustand über den man „Kryptobiose“ nennt. Kurz gesagt: Die Bärtierchen rollen sich ein, fahren ihren Stoffwechsel runter und können dann quasi tot aber noch nicht gestorben, extreme Temperaturen, radioaktive Strahlung, das Vakuum des Weltalls und auch sonst fast alles an lebensfeindlichen Bedingungen überleben die ihnen entgegen geworfen werden – Jahre und sogar Jahrzehnte lang. Sobald dann aber wieder Bedingungen herrschen die dem Bärtierchen zusagen, nimmt es den normalen Lebensablauf wieder auf!
Warum sollten die hypothetischen Venusmikroben das nicht auch können? Diese „Sporen“ würden dann in der heißen Venusatmosphäre quasi scheintot verbringen bis die atmosphärischen Strömungen sie wieder in die kühleren oberen Schichten gepustet haben. Wo sie dann ihr Leben wieder aufnehmen und tun, was Venusmikroben eben so tun.
Sara Seager und ihre Kollegen haben das alles in ihrer Arbeit natürlich im astrobiologischen Detail ausgearbeitet. Und die Idee von Leben in der Venusatmosphäre ist auch nicht neu. Aber es ist gut, dass man nun auch mal konkret den Lebenszyklus solcher hypothetischen Venusmikroben ausgearbeitet hat. Wobei natürlich immer noch die Frage bleibt: Gibt es die Dinger wirklich oder nicht? Aus der Ferne lässt sich das nicht bestimmen. Wir müssten schon hinfliegen und nachsehen. Was wir sowieso tun sollte, auch aus anderen Gründen. Und es würde auch nicht reichen, einfach nur an der Venus vorbei oder um die Venus rum zu fliegen. Wir müssten schon auch in die Wolkenschichten eintauchen und dort ein paar Proben nehmen. Vielleicht finden wir dann was; vielleicht nicht unbedingt gleich ausgewachsene Mikrolebewesen. Aber es wäre schon spannend genug, wenn wir dort komplexe organische Moleküle finden würden, also die Bausteine des Lebens. Dann würde sich ein detaillierter Blick und eine spezielle Mission in die Venusatmosphäre auf jeden Fall lohnen!
Der Mars ist der Star der Science-Fiction und Traumziel aller Milliardäre die nix sinnvolleres mit dem Geld anzufangen wissen das sie auf zweifelhafte Weise verdient haben. Aber so faszinierend der Mars ist: Wir sollten darüber die Venus nicht vergessen!
Oh, Danke für diesen Artikel!!! Ich fand schon immer, dass die Venus interessanter als der Mars sein müsste – weil sie in vielem faktisch eine Zwillingsschwester der Erde ist. Da fehlt doch nur ein Mond und dann ist da eben die gefährliche Nähe zur Sonne. Aber eigentlich heißt das ja auch, dass MEHR Energie zur Verfügung steht, was nach meinem Verständnis die allerwichtigste Voraussetzung für Leben ist. Vielleicht geht es ja doch ohne Wasser – ohne Sauerstoff ja erwiesenermaßen. Und Säuren hat sich das Leben auf der Erde doch auch nutzbar gemacht.
Die Sowjetunion hatte seinerzeit mit Ballonsonden experimentiert. Daraus sollte man so allmählich mal wieder aufsetzen.
..und morgen steht’s in den Zeitungen: sie haben Phosphin gefunden, das NUR so erklärt werden kann.