Dieser Artikel ist Teil einer Serie über naturwissenschaftliche Experimente. Entsprechende Artikel werden hier im Blog bis Ende Juli erscheinen. Alle Artikel der Serie könnt ihr hier finden.
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In meiner Serie über Experimente muss natürlich auch die Chemie vorkommen. Wenn es eine Wissenschaft gibt die für Experimente gibt, dann die Chemie! Chemie ist, wenn es knallt und stinkt, heißt es. Das stimmt zwar nicht, aber die Chemie ist ohne Zweifel eine Disziplin die durch ihre Experimente definiert wird. Und deswegen erzähle ich heute etwas über Phlogiston!

Phlogiston gibt es nicht. Aber fast das gesamt 18. Jahrhundert war es ein fixer Bestandteil der Chemie. Entwickelt hat dieses Konzept der deutsche Chemiker Georg Ernst Stahl. Oder vielleicht sollte man ihn besser „Alchemiker“ nennen, denn die Chemie war damals bei weitem noch nicht die strenge Naturwissenschaft die sie heute ist. Damals hing man immer noch ein wenig der Vier-Elemente-Lehre von Aristoteles an („Alles besteht aus Erde, Wasser, Luft und Feuer“). Und das Phlogiston passte da sehr gut dazu. Bei den diversen (al)chemischen Experimenten stellte man immer wieder fest, dass Zeug weniger wird wenn man es verbrennt. Und Stahl schloss daraus, dass Stoffe eine spezielle Substanz enthalten, die bei einer Verbrennung freigesetzt wird. Beziehungsweise dass es genau diese Substanz ist, die verbrennt wenn etwas verbrennt. Je mehr davon irgendwo enthalten ist, desto besser brennt etwas. Diese Substanz nannte er „Phlogiston“ und es war eigentlich gar keine so schlechte Idee. Man konnte damit jede Menge chemische Vorgänge beschreiben, nicht nur die simple Verbrennung (und was die Phlogiston-Theorie sonst noch alles für wirklich hilfreiche Konsequenzen für die Chemie hatte, könnt ihr im Video weiter unten sehen).

So viel Phlogiston! (Bild: USDA, public domain)

Wenn zum Beispiel Metall erhitzt wird, bildet es etwas, das man damals „Metallkalke“ nannte (und das wir heute „Oxid“ nennen würden). Wenn man diese Kalke dann zum Beispiel mit Kohle erhitzt, bildet sich wieder das ursprüngliche Metall. Was Stahl im Rahmen seiner Theorie so erklärte: Bei der Erhitzung verliert das Metall sein Phlogiston und wird zu Metallkalk. Wenn man es dann zusammen mit Kohle erhitzt, wird das Phlogiston der verbrennenden Kohle wieder vom Metallkalk aufgenommen und das ursprüngliche Metall wird wiederhergestellt. Allerdings stellte man immer wieder mal fest, dass die Metallkalke nicht leichter sind als das urspüngliche Metall sondern schwerer. Oft genug maß man aber auch eine Gewichtsabnahme.

Stahl starb 1734; im August 1743 wurde in Paris Antoine Laurent de Lavoisier geboren. Über sein Leben könnte man ganze Bücher schreiben; ich erzähle hier nur von seiner chemischen Arbeit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Lavoisier sah sich die Sache mit den Verbrennungen ganz genau an. Er entwickelte chemische Methoden mit denen er das Gewicht von Stoffen und vor allem von Gasen extrem genau messen konnte. Und stellte fest, dass Stoffe keineswegs leichter werden wenn sie verbrennen. Oder in seinen eigenen Worten aus dem Jahr 1772:

„Vor ungefähr acht Tagen habe ich entdeckt, dass Schwefel bei der Verbrennung keineswegs Gewicht verliert, sondern im Gegenteil Gewicht gewinnt. Das gleiche tritt beim Phosphor auf: Die Gewichtszunahme stammt aus einer beträchtlichen Menge Luft, die während der Verbrennung fixiert wird und die sich mit den Dämpfen verbindet. Diese Entdeckung hat mich zu der Annahme geführt, dass das, was man bei der Verbrennung von Schwefel und Phosphor beobachtet, auch bei allen anderen Körpern auftreten könnte, deren Gewicht bei der Verbrennung zunimmt.“

Lavoisier und ein wirklich fettes Brennglas! (Bild: gemeinfrei)

Außerdem stellte er fest, dass die Luft beim Verbrennungsvorgang ein wenig leichter wurde. Es sah genau so aus als würde beim Verbrennen etwas aus der Luft in die verbrennende Substanz übergehen. Also genau der umgekehrte Vorgang den Stahl mit seiner Phlogiston-Theorie beschrieben hatte. Auch die Sache mit den Metallen konnte Lavoisier mit seinen genauen Messmethoden eindeutig klären: Sie wurden ebenfalls schwerer. Was aus heutiger Sicht alles recht klar ist: Eine Verbrennung ist aus chemischer Sicht nichts anderes als eine Reaktion mit Sauerstoff, der zum Beispiel aus der Umgebungsluft stammt. Dann wird die Luft leichter und das Zeug das verbrennt wird schwerer. Je nachdem was da verbrennt kann es natürlich so aussehen als würde es weniger. Zum Beispiel weil sich das Zeug als Gas verflüchtigt, Ascheflocken davonfliegen, und so weiter. Aber wenn man das alles so genau misst wie Lavoisier es getan hat, ist die Sache eindeutig.

(Man kann das übrigens sehr leicht selbst feststellen. Besorgt euch ein wenig Stahlwolle und eine sehr genaue Waage. Dann legt ihr die Stahlwolle auf die Waage, zündet sie an – und weil Stahlwolle so dünn ist, brennt sie auch recht gut. Dann werdet ihr sehen können, wie das Gewicht der verbrennenden Stahlwolle kontinuierlich anwächst und könnt sogar die durch den aufgenommenen Sauerstoff verursachte Verfärbung des Stahls beobachten)

Lavoisier hat das Phlogiston beerdigt und – mit all seiner anderen Arbeit – die Grundlage für die moderne Naturwissenschaft der Chemie geschaffen. Und sein Experiment ist ein weiteres Beispiel für das, was in der Wissenschaft wirklich relevant ist. Man muss 1) genau genug messen und sich wirklich um ALLE Details kümmern. Und 2) offen dafür sein, dass die Messergebnisse dem widersprechen von dem man denkt es wäre richtig. Lavoisier hat genauer gemessen als seine Kollegen. Und war offen für die Möglichkeit, dass es kein Phlogiston gibt. Und hat damit die Chemie revolutioniert!

6 Gedanken zu „Das Ende des Phlogistons und der Anfang der Chemie (Die spannendsten Experimente der Naturwissenschaft 10)“
  1. Schöner Beitrag und interessante Theorie, mit dem Phlogiston, für die schon viel sprach, und die sogar bis dahin getrennt gesehene Vorgänge (wie, heute würde man sagen: Oxidation und Reduktion) in einen Zusammenhang brachte.
    Aber das hier ist ja hauptsächlich ein astronomischer Blog, und in dem Zusammenhang fallen mir doch glatt zwei „Substanzen“ ein, die auch noch keiner gesehen hat, die höchst seltsame Eigenschaften haben sollen, die aufgrund dieser Eigenschaften sehr viele Beobachtungen „erklären“ und die doch noch nie direkt nachgewiesen werden konnten, indirekt schon, wie auch das Phlogiston. Es spricht schon einiges dafür, wie damals auch für´s Phlogiston, über das man heute wohlwollend lächeln kann, wie Mai Thi sehr schön erklärt. Sie sind heute (!!!) wissenschaftlich sehr anerkannt, ja sie sollen sogar mehr als 90% des Kosmos ausmachen sollen. Es sind, manche haben´s sich schon gedacht, die dunkle Materie und die dunkle Energie. Vielleicht werden sich beide Ideen auch, wie unser Phlogiston, eines schönen Tages in Rauch auflösen, und wir werden darüber dann wohlwollend lächeln können. Wäre doch auch schön?!

  2. @Peter Paul:

    Geschichte wiederholt sich nicht, zumindest immer. Und was die Dunkle Materie angeht, so jagt man ja merkwürdige Teilchen mit geradezu unglaublichen Eigenschaften. Allerdings betreibt man mit solchen Teilchen heutzutage bereits Forschung.

    Wenn es also drei bekannte Elementarteilchen mit den notwendigen Eigenschaften gibt, die man für die Dunkle Materie fordert, wieso sollte es dann nicht auch eine vierte, fünfte oder sechste Art geben?

  3. Wenn man so lange nichts findet spricht das nicht doch eher dafür das da nichts ist? Aber klar, immer her mit dir dem nächsten größeren Beschleuniger der im Verhältnis zu den Kosten wieder nichts bringt ^^

  4. @Uli Schoppe:

    Wenn man so lange nichts findet spricht das nicht doch eher dafür das da nichts ist? Aber klar, immer her mit dir dem nächsten größeren Beschleuniger der im Verhältnis zu den Kosten wieder nichts bringt ^^

    Die Physik hat ohne größeren Zweifel die Austauschteilchen nachgewiesen, die den Elektromagnetismus, die Starke und die Schwache Kernkraft übertragen. In Sachen Gravitation wird dagegen nach dem postulierten Graviton nach wie vor vergeblich gesucht.

    Soll das also heißen, dass es Graviton und Gravitation nicht gibt? Wir suchen doch schon so lange danach!

    Das Problem ist einfach, dass wir nach etwas ähnlichem suchen wie den Neutrinos, und die sind auch ziemlich schwer nachzuweisen. Nachdem Wolfgang Pauli sie vorgeschlagen hatte, um die eigenartige Massendifferenz beim Betazerfall zu erklären, waren auch etliche Leute unzufrieden. Teilchen, die praktisch mit nichts anderem wechselwirken und die man daher auch so gut wie nicht nachweisen kann? Das hört sich doch stark nach einer faulen Ausrede an! Und in der Tat hat es ziemlich lange gedauert, bis man die auch nur so einigermaßen in den Griff bekommen hat.

  5. Dunkle Materie existiert. Wir wissen nur nicht was dunkle Materie ist. Wir beobachten schließlich gravitative Effekte, die entweder mit einem auf großen Skalen anderen Gravitationsgesetz (das hat sich bisher noch weniger als logisch erwiesen und einige Phänomene sind damit auch nicht zu erklären) oder mit anwesenden Massen, die nicht im elektromagnetischen Bereich wechselwirken und daher dunkel sind. Das es teilchen mit diesen Eigenschaften gibt, haben wir an den Neutrinos gesehen. Es ist also nicht abwegig, dass es eine weitere Form von solcher Materie gibt.

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