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Sternengeschichten Folge 382: Der Saturnmond Tethys

Saturn ist der zweitgrößte Planet des Sonnensystems. Und hat nicht nur seine markanten Ringe die ihn umgeben, sondern auch jede Menge Monde. Wirklich viele Monde. Mehr als 80 Stück auf jeden Fall und vermutlich noch viel mehr. Die meisten davon sind kleine Brocken aus Fels und Eis; ein paar sind aber auch deutlich größer und faszinierende eigene Welten. In Folge 157 der Sternengeschichten habe ich schon von Titan erzählt; dem größten Mond des Saturns und dem zweitgrößten Mond des ganzen Sonnensystems. Heute geht es um einen etwas kleineren Begleiter des Saturn, der aber dennoch ziemlich cool ist. Sowohl im buchstäblichen als auch im übertragenen Sinn: Es geht um den Eismond Tethys.

Von all den Monden des Saturn ist Tethys der fünftgrößte. Noch größer sind nur Titan, Rhea, Iapetus und Dione die eigentlich alle auch eine eigene Folge der Sternengeschichten verdient hätten und vielleicht auch noch kriegen. Tethys jedenfalls hat einen Durchmesser von 1062 Kilometer, was ungefähr einem Drittel der Größe des Erdmonds entspricht. Was die Masse angeht ist Tethys aber deutlich unterhalb der Mondmasse angesiedelt; er bringt es nur auf 0,8 Prozent der Masse die der Erdmond hat. Das liegt vor allem an seiner Zusammensetzung. Seine mittlere Dichte beträgt 0,98 Gramm pro Kubikzentimeter, was weniger weniger ist als die Dichte von Wasser. Man geht also davon als, dass der Mond fast komplett aus Wassereis besteht; vermutlich mit ein wenig Gestein und ein paar anderen gefrorenen Gasen. Ob Tethys eine differenzierte Welt ist, also so wie zum Beispiel die Erde einen Kern, einen Mantel und eine Kruste besitzt die aus unterschiedlichen Materialien bestehen, ist unbekannt. Es ist allerdings unwahrscheinlich und wenn unter all dem Eis ein Kern aus Gestein liegen sollte, dann muss er ziemlich winzig sein.

Bevor wir aber genauer auf die Eigenschaften von Tethys schauen, werfen wir noch einen Blick zurück in die Vergangenheit. Den ersten Mond des Saturn hat der niederländische Astronom Christiaan Huygens entdeckt. Das war Titan und es war im Jahr 1655. Der Franzose Giovanni Cassini hat 1671 den Mond Iapetus entdeckt und 1672 Rhea. 1684 hat Cassini zwei weitere Monde gefunden: Dione und Tethys. Damals hatten all diese Monde noch keine Namen wie heute sondern bekamen nur eine Nummer anhand ihres Abstands von Saturn. Nach dieser Zählung und dem damaligen Wissensstand war Tethys von Saturn aus betrachtet der dritte Mond weswegen er auch „Saturn III“ genannt wurde. Heute hat man ein gutes Dutzend andere Monde entdeckt die sich zwischen Tethys und Saturn befinden; er müsste also eigentlich eine andere Nummer haben. Aber weil der britische Astronom John Herschel 1847 vorschlug die Nummern sein zu lassen und stattdessen Namen aus der griechischen Mythologie zu verwenden, heißt er heute „Tethys“. Das war die Tochter des Himmelsgottes Uranos und der Erdgöttin Gaia und zuständig für Quellen, Flüsse und Wolken – also alles was mit Wasser zu tun hat. Ein recht passender Name für eine Eiswelt wie den Saturnmond – auch wenn das damals noch niemand wissen konnte.

Tethys, mit dem Odysseus-Krater (Bild: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute)

Tethys war die meiste Zeit über nur ein Punkt in den Teleskopen der Astronominnen und Astronomen. Erst 1979 flog die Raumsonde Pioneer 11 am Mond vorbei; 1980 und 1981 folgten die Raumsonden Voyager 1 und 2 und so wirklich ausführlich hat erst die Cassini-Raumsonde den Mond erforscht die zwischen 2004 und 2017 den Saturn, seine Ringe und seine Monde im Detail untersucht hat.

Betrachtet man Tethys, dann fällt zuerst einmal auf, wie hell der Mond ist. Seine Oberfläche reflektiert 80 Prozent des auftreffenden Sonnenlichts; was einerseits natürlich daran liegt, dass der Mond aus Eis besteht das generell gut Licht reflektieren kann. Tethys bewegt sich aber auch innerhalb des sogenannten „E-Rings“ des Saturn. Das ist ein großer Ring der im wesentlichen aus winzigen Eispartikeln besteht die vom Mond Enceladus ins All geschleudert werden, der sich nur ein kleines Stück näher an Saturn befindet als Tethys selbst. Die Eisteilchen des Rings treffen auch auf Tethys und überziehen ihn so mit einer immer frischen Schicht aus reflektierenden Material. Was man auch sieht, sind jede Menge Krater. So viele Krater, dass Tethys fast ein wenig wie ein Schwamm aussieht. Die große Anzahl an Einschlagsstrukturen ist ein Hinweis darauf, dass die Oberfläche recht alt ist; seit der Entstehung des Mondes vor 4,5 Milliarden Jahren ist da nicht viel passiert. Es sind einfach immer wieder neue Objekte auf dem Mond eingeschlagen und haben Krater um Krater erzeugt.

Ein Krater sticht aber ganz besonders hervor. Er hat einen Durchmesser von 445 Kilometern, was fast 40 Prozent des Durchmessers des Mondes entspricht. Benannt ist der Krater nach dem griechischen Held Odysseus und er muss ziemlich alt sein. Wie alt genau ist schwer zu sagen, aber der Einschlag ist auf jeden Fall mehr als eine Milliarde Jahre her; eher länger. Der Einschlag eines Objekts das so groß ist um so einen enormen Krater zu erzeugen hätte den Mond eigentlich auseinander brechen lassen müssen. Das wäre zumindest der Fall gewesen, wenn Tethys auch damals schon – so wie jetzt – ein Himmelskörper aus massivem Eis gewesen wäre. Man geht daher davon aus dass Tethys zur Zeit des Einschlags noch ausreichend warm war und quasi ein wenig „weich“, so dass er den Einschlag noch gerade so wegstecken konnte.

Die Wärme hat der Mond entweder noch aus der Zeit seiner Entstehung behalten oder aber durch seine besondere Art der Bewegung bekommen. Auf den ersten Blick scheint an der nichts besonders zu sein. Tethys zieht fast einen perfekten Kreis um den Saturn herum und zwar in einem Abstand von 294.600 Kilometern. Richtig interessant aber wird es, wenn man zusätzlich zu Tethys auch noch die Monde Telesto, Calypso, Enceladus und Dione betrachtet. Der Abstand von Telesto und Calypso zu Saturn beträgt ebenfalls 294.600 Kilometer; sie befinden sich also auf der gleichen Bahn wie Tethys. Das ist nicht so unwahrscheinlich wie es klingt; ich habe in Folge 31 der Sternengeschichten schon von den „Trojanern“ erzählt. Betrachtet man die Bewegung von zwei Himmelskörpern, zum Beispiel Sonne und Erde, und die Kräfte die von beiden wirken, dann gibt es fünf spezielle Punkte an denen sich alle wirkenden Kräfte genau aufheben. Das sind die sogenannten Lagrange-Punkte und zwei davon liegen genau auf der Umlaufbahn des kleineren um den größeren Körper; immer exakt 60 Grad vor und hinter ihm. In solchen Punkten können sich kleinere Objekte die Umlaufbahn mit einem größeren teilen. Bei der Erde kennen wir ein solches Objekt, einen kleinen Asteroid der uns in einem der Lagrangepunkte folgt. Andere Planeten wie etwa Jupiter haben in ihren Lagrangepunkte hunderttausende Asteroiden – das Konzept der Lagrangepunkte kann man aber auch zwischen Monden und Planeten anwenden. Betrachtet man die Kräfte die von Saturn und Tethys wirken, dann gibt es auch entlang der Umlaufbahn von Tethys zwei stabile Lagrangepunkte und genau dort befinden sich Telesto und Calypso. Telesto befindet sich immer 60 Grad vor Tethys; Calypso läuft immer 60 Grad hinter Tethys her.

Wer hat Tethys angemalt! (Bild: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute)

Noch interessanter für die Eigenschaften von Tethys sind aber seine beiden anderen Nachbarmonde: Dione und Enceladus. Dione ist knapp 80.000 Kilometer weiter von Saturn entfernt als Tethys, Enceladus ist 56.000 km näher am Planeten dran. Betrachtet man die Umlaufzeiten all dieser Monde, dann sieht man, dass Enceladus vier Runden um den Saturn in ziemlich fast genau der gleichen Zeit schafft wie Tethys für drei Runden braucht und Dione für zwei Umläufe um den Planeten. Enceladus, Tethys und Dione stehen also in einer 4:3:2 Resonanz und was es mit solchen Resonanzen auf sich hat hab ich in den Sternengeschichten ja schon öfter erzählt. Wenn die Umlaufzeiten von Himmelskörpern in einem ganzzahligen Verhältnis zueinander stehen, dann nehmen sie nach den immer gleichen Zeiträumen immer wieder die gleiche relative Position zueinander ein. Das bedeutet, dass sich die von ihnen ausgehenden gravitativen Kräfte in regelmäßigen Abständen aufschaukeln und verstärken können was zu entsprechenden Störungen und Effekten führen kann. Die Resonanz zwischen Dione und Tethys könnte vor ein paar Milliarden Jahren besonders stark gewesen sein, was dazu geführt hat dass Tethys zwischenzeitlich keine kreisrunde Bahn hatte wie heute sondern eine eher langgestreckte. Bei seinen Umläufen um Saturn war er dem Planeten also immer wieder mal näher und mal weiter entfernt; der unterschiedliche Abstand zum großen Planeten führte zu unterschiedlich starken Gravitationskräften die auf den Eismond wirkten und ihn quasi „durchgeknetet“ und dabei erhitzt haben.

Diese Auswirkung der Resonanz könnte auch ein weiteres Oberflächenmerkmal von Tethys erklären: Ithaca Chasma, ein gewaltiges Tal das 100 Kilometer breit, bis zu 5 Kilometer tief und 2000 Kilometer lang ist. Man ist sich nicht sicher, wie es entstanden ist. Es liegt direkt auf der dem Riesenkrater Odysseus gegenüberliegenden Seite und manche Forscherinnen und Forscher vermuten, dass es durch Schockwellen entstand ist, die nach dem Einschlag durch den Mond wanderten und den gegenüberliegenden Teil der Oberfläche aufgebrochen haben. Es gibt aber auch Hinweise darauf, dass Ithaca Chasma jünger ist als der Krater und dann muss es durch einen anderen Prozess entstanden sein. Zum Beispiel als das flüssige Wasser dass durch die vorhin beschriebenen Resonanz-Effekte entstanden ist, wieder gefror und sich dabei ausgedehnt hat.

Es gibt noch viel was wir über diese Mond herausfinden müssen. Da sind zum Beispiel seltsame rote Streifen die im Jahr 2015 entdeckt wurden. Sie schauen ein wenig so aus als hätte jemand den Mond mit einem riesigen Filzstift angemalt; man kann sie allerdings nur dann sehen, wenn man die Farbbilder des Mondes entsprechend künstlich verstärkt. Die roten Streifen sind auf jeden Fall vergleichsweise jung; sie liegen über all den alten Kraterstrukturen. Wie sie entstanden sind ist unklar. Vielleicht stammt die Farbe von chemischen Unreinheiten im Wassereis, vielleicht sind es auch feine Risse im Eis aus denen Material von weiter unten nach oben gelangen kann. Auch die Temperatur des Mondes ist interessant: Kalt ist es natürlich überall; die mittlere Temperatur an der Oberfläche liegt bei -187 Grad. Betrachtet man aber im Detail die Verteilung der Temperatur an der Oberfläche von Tethys, dann sieht man etwas, das ein wenig aussieht wie Pac-Man; also einen kühlen Bereich der von einer warmen, der Computerspielfigur „Pac-Man“ ähnlichen Region „aufgefressen“ wird. Das hat vermutlich folgenden Grund: Der Teil des Mondes der in „Fahrtrichtung“ liegt, wird öfter von hochenergetischen Elektronen getroffen die aus dem Magnetfeld von Saturn stammen. Diese Elektronen machen aus dem fluffigen „Schnee“ der Oberläche eine harte Eisdecke die sich nicht so schnell erwärmt und ungefahr 15 Grad kälter ist als der Rest.

Pac-Man Mimas (auch ein Saturnmond) und Pac-Man Tethys (Bild: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute)

Tethys wäre eigentlich definitiv einen längeren Besuch wert. Wir sollten dort nicht nur vorbei fliegen; wir sollten dort landen um im Detail untersuchen zu können was auf dieser fernen und kalten Welt vor sich geht. Aber das gilt eigentlich auch für alle anderen Monde des Saturn. Und natürlich auch für die Monde des Jupiters, des Uranus und des Neptuns. Das sind nicht einfach nur „Monde“; es sind eigene kleine Welten mit einer ganz besonderen Komplexität die wir uns auf jeden Fall genauer ansehen sollten.

4 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 382: Der Saturnmond Tethys“
  1. ein super spannender Bericht über Tethys.Um die Spannung noch mehr anzuheizen. Die Fabveränderungen auf Tethys könnten auf das Vorhandensein von Ozon hindeuten, dessen Schmelz- und Siedepunkt in den Temperaturbereichen von Tethys liegen. Da genügen ein Paar Grad Temperaturunterschied um ein Gas gefrieren zu lassen. (ohne Gewähr)

  2. Sehr interessanter Bericht, aber irgendwas stimmt da nicht. Entweder der Radius von Thetys, oder der Radius von Odysseus, oder das Bild „Tethys, mit dem Odysseus-Krater“ zeigt den falschen Krater. Der Krater, der da zu sehen ist, ist wesentlich kleiner als beschrieben.

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