Weihnachten naht und damit auch die Zeit für typische Buchgroßeinkäufe. In den nächsten Tagen werde ich noch einen speziellen Artikel mit Empfehlungen für weihnachtliche Bücher und Weihnachtsbuchempfehlungen veröffentlichen. Heute gibt es erst mal die übliche Übersicht über alles was ich im November gelesen habe. Das war damals ziemlich divers: Es geht vom Mond über die Opern der Provinz über Liechtenstein bis hin zum übersinnlichen Großbritannien!
Der Marsianer auf dem Mond
Die Schnittmenge zwischen Lesern meines Blogs und den Lesern von Andy Weirs Buch „Der Marsianer“ (das ich hier besprochen habe) ist vermutlich ziemlich groß. Und auch die die das Buch nicht gelesen haben kennen vermutlich den Kinofilm. Sowohl Buch als auch Film waren enorm erfolgreich und beides zu Recht. Bei so einem großen Erfolg ist es immer ein wenig knifflig die Erwartungen mit dem nächsten Werk zu erfüllen. Nun – das nächste Werk von Andy Weir ist nun erschienen. Es heißt „Artemis“ (auf deutsch: „Artemis“) und spielt nicht auf dem Mars sondern auf dem Mond.
Ebenso wie „Der Marsianer“ ist die Handlung in der nahen Zukunft angesiedelt. Kenia (und es gibt gute Gründe warum es Kenia ist) hat eine kleine Stadt auf dem Mond errichtet in der ein paar zehntausend Menschen leben. Diese Basis – Artemis – ist kein wissenschaftliches Labor und auch keine Sci-Fi-Mondbasis. Sondern mehr oder weniger eine „echte“ Stadt; mit vielen Touristen – und vielen Kriminellen. Eine davon ist die junge Jasmin, hochbegabt aber rebellisch weswegen sie es nur zur Mitarbeiterin des lokalen Lieferdienstes gebracht hat. Und da es auf Artemis so wie überall sonst läuft und das Leben umso angenehmer wird je mehr Geld man hat, versucht Jasmin – bzw. „Jazz“ – schnell an Geld zu kommen. Der Plan, Mitglied der „EVA-Gilde“ zu werden denen es erlaubt ist Touristen über die Oberfläche des Mondes zu führen scheitert an der Aufnahmeprüfung. Also muss Jazz sich andere Wege überlegen schnell an Geld zu kommen. Da kommt das Angebot eines lokalen Milliardärs gerade recht… das was er von ihr will geht allerdings weit über das übliche Schmuggeln von Zigarren und Alkohol hinaus. Und es dauert nicht lange bis die ersten Menschen ermordet werden.
Die Handlung will ich nicht weiter spoilern. Sondern lieber die Frage beantworten ob Weir mit „Artemis“ die hohen Erwartungen erfüllt hat die er mit dem „Marsianer“ gesetzt hat. Nun ja. „Artemis“ ist ein hervorragendes Buch. Es ist spannend. Es macht Spaß. Aber es fehlt das was den „Marsianer“ so außergewöhnlich gemacht hat. Da war der Mark Watney der Held, kein Actiontyp, kein Verbrechenaufklärer und auch keiner der anderen Stereotypen. Sondern ein Wissenschaftler der durch fiese Umstände auf dem Mars gestrandet war und sich nur mit Wissenschaft wieder aus der Scheiße ziehen musste. Genau das hat das Buch so wunderbar gemacht: Es hat gezeigt wie großartig Wissenschaft ist; wie viel man damit erreichen kann und wie kreativ sie ist. All die üblichen Versatzstücke erfolgreicher Bestseller haben gefehlt; es gab keine Geheimdienste, keine Schießereien, keine Intrigen, keine schmalzigen Liebesgeschichten, usw. Und trotzdem (bzw. genau deswegen) war „Der Marsianer“ so grandios. In „Artemis“ gibt es auch jede Menge Wissenschaft. Weir hat sich – wie zu erwarten war – sehr viele sehr exakte Gedanken darüber gemacht wie eine realistische Basis auf dem Mond aussehen könnte. All diese Details präsentiert er gewohnt locker und verständlich. Aber sie sind eben nur mehr „Deko“, nur mehr Teil der Beschreibung der Szenerie und kein integraler Bestandteil der Handlung. Jazz ist klug und genau so gewitzt wie es Mark Watney war. Aber ansonsten könnte „Artemis“ auch irgendein beliebiger anderer Weltraumthriller sein (das Buch erinnert ein wenig an „Limit“ von Frank Schätzing; nur ohne die ganzen Längen und den unnötigen Hongkong-Kram).
Aber vermutlich wäre es auch gar nicht möglich gewesen noch einmal ein Buch wie „Der Marsianer“ zu schreiben. Wie hätte das aussehen sollen? Jemand strandet auf der Venus und muss sich per Wissenschaft retten? Weir musste etwas anderes schreiben und das was er geschrieben hat ist – wie gesagt – hervorragend. Es ist ein großartiges Buch das ich gerne gelesen habe und gerne weiter empfehle. Aber wer sich einen zweiten „Marsianer“ erwartet wird enttäuscht werden.
Die Opernprovinz und Liechtenstein
Auf das Buch „Walküre in Detmold: Eine Entdeckungsreise durch die deutsche Provinz“ von Ralph Bollmann bin ich durch Zufall gestoßen. Aber als großer Fan der Provinz hat mich der Titel gleich gefesselt. Ich weiß aus eigener Erfahrung dass es in der deutschen Provinz jede Menge zu entdecken gibt.
Trotzdem war ich dann ein wenig enttäuscht als ich das Buch gelesen habe. Es handelt ausschließlich von den Opernhäusern der deutschen Provinz. Bollmann hat sich ein interessantes Ziel gesetzt: Er will alle Opernhäuser Deutschlands besuchen. Und davon gibt es (was ich vorher nicht wusste) erstaunlich viele. Deutschland hat so viele Opern wie kein anderes Land; hat mehr Opernhäuser als der Rest Europas zusammen. In kleinen Städten wie Meiningen, Greifswald, Coburg oder Dessau gibt es Opern und überall sonst auch. Und Bollmann hat sie alle besucht. In dem Buch erfährt man daher zwangsläufig sehr viel über Opern an sich. Aber auch über den Kulturbetrieb in Deutschland; über die Geschichte und die Kleinstaaterei der Vergangenheit die erst zu diesen Opern-Overkill geführt hat. Über die Probleme die Künstler und Verwaltung bekämpfen müssen. Über Kulturförderung und Politik. Und je länger ich gelesen habe, desto mehr hat mich das Thema fasziniert. Am Ende war ich dann gar nicht mehr enttäuscht. Sondern überrascht davon dass ich tatsächlich den Wunsch verspüre mal selbst eine Oper zu besuchen (Etwas, das ich bis jetzt definitiv noch nicht verspürt habe – klassische Musik mag ich zwar sehr aber mit Opern konnte ich nie viel anfangen).
Wer etwas über den Kulturbetrieb in Deutschland erfahren will liegt mit dem Buch von Ralph Bollmann absolut richtig (Und wer eine echte Entdeckungsreise durch die Provinz machen will kann sich noch „Ab vom Schuss“ von Andrea Diener – hab ich hier besprochen – besorgen).
Ebenfalls Provinz ist definitiv Liechtenstein. Ich bin ja in den letzten Jahren immer wieder mal dort gewesen und es hat mir immer gefallen. Ich glaube ich finde das Land deswegen so faszinierend weil es klein genug ist um das Gefühl zu erzeugen man könnte es in seiner Gesamtheit verstehen. Ein so winziges Land muss sich doch leicht katalogisieren lassen; die Geschichte verständlich aufschreiben, und so weiter.
Aber wer „Liechtenstein – Roman einer Nation“ von Armin Öhri liest merkt schnell, dass das doch nicht so einfach ist. Auch hier ist der Titel ein wenig irreführend. Es ist kein Buch wie zum Beispiel die von Edward Rutherfurd dessen Spezialität ja Romane sind die die komplette Historie eines Landes oder einer Stadt darstellen. Öhri beginnt zur Zeit des großen Rheinhochwassers im Jahr 1927, endet in der Gegenwart und konzentriert sich dazwischen stark auf den zweiten Weltkrieg. Die Struktur des Buches ist ungewöhnlich; Öhri selbst ist eine der Hauptfiguren. Er bekommt von einer großen Finanzfirma den Auftrag eine Biografie des Firmengründers zu schreiben. Die Recherche dazu führt ihn (und die Leser) zur Geschichte Liechtensteins und zur Wandlung vom Bauernfürstentum hin zur modernen Nation die vor allem für ihre seltsamen Geldgeschäfte bekannt ist. Dazwischen erfährt man jede Menge Dinge die man über Liechtenstein vermutlich noch nicht wusste. Die Versuche einiger Liechtensteiner während des zweiten Weltkriegs einen Anschluss an Nazi-Deutschland zu erreichen zum Beispiel. Die Existent der 1. Russischen Nationalarmee in der deutschen Wehrmacht und deren Flucht nach Liechtenstein. Oder der höchst absurde (und für die Liechtensteinischen Männer höchst peinliche) Kampf um das Frauenwahlrecht der bis 1984 (!!) dauerte.
Öhri hat seine Geschichte geschickt um historische Fakten gewoben; baut immer wieder echte Ereignisse ein die im Buch mit originalen Fotos und Dokumenten belegt sind. Die dunklen Geschäfte der Finanzfirma sind allerdings erfunden. Bzw. genauer gesagt: Die Finanzfirma die im Buch auftaucht ist erfunden. Die dunklen Geschäfte werden wohl auf die eine oder andere Art tatsächlich stattgefunden haben…
Ich kann den Roman empfehlen: Man lernt ein Land kennen das man sonst kaum kennen lernt und wenn auch für meinen Geschmack ein paar Handlungsstränge zu viel involviert waren, war das Buch doch eine sehr spannende Lektüre.
Übersinnliche Bürokratie in Großbritannien
Die letzte definitive Leseempfehlung für den November sind die Checquy-Bücher von Daniel O’Malley („The Rook: The Checquy Files 01“ und „Stiletto: The Checquy Files 02“). Es geht, kurz gesagt, um eine geheime Behörde in Großbritannien, das (der? Es gibt noch keine deutsche Übersetzung, daher bin ich mir nicht ganz sicher wie es lauten muss) „Checquy“. Dort kümmert man sich um das Übersinnliche; um all die Gefahren die von diversen übernatürlichen, spirituellen, magischen und anderweitig seltsamen Manifestationen ausgehen.
Davon gibt es eine Menge und dass die normale Bevölkerung davon nichts mitbekommt ist nur den Mitarbeitern des Checquy zu verdanken. Die haben selbst (fast) alle entsprechend übersinnliche Kräfte und stellen sie in den Dienst der guten Sache. Eine davon ist Myfanwy Thomas; sie gehört sogar zum „Court“ – dem höchsten Gremium der Behörde. Allerdings hat sie ihr Gedächtnis verloren und muss nun nicht nur ihren Job erfüllen ohne zu wissen was sie da eigentlich treibt sondern auch herausfinden wer da eine Intrige gegen sie spinnt und für ihren Gedächtnisverlust verantwortlich ist.
Die Bücher solltet ihr wirklich lesen. Sie sind vor allem enorm lustig. Stellt euch eine Mischung aus Terry Pratchett, Torchwood und David Lodge vor; mit einer kleinen Prise Harry Potter und X-Men. Dann habt ihr zwar immer noch nicht das was O’Malley geschrieben hat – aber vielleicht eine grobe Vorstellung worum es geht. Die Mischung aus britischer Bürokratie und dem Kampf gegen das Übersinnliche hat einen ganz eigenen Charme. Und wer hätte gedacht dass die Bösewichte zur Abwechslung mal aus Belgien kommen!
Ich weiß nicht ob O’Malley noch mehr Bände der Serie geplant hat – aber ich hoff es sehr!
Was ich sonst noch gelesen habe
Anlässlich der Verleihung des Heinz-Oberhummer-Awards für Wissenschaftskommunikation an Giulia Enders hab ich ihr Buch „Darm mit Charme“ noch einmal gelesen. Und erneut festgestellt: Es ist ein absolut hervorragendes Buch und kein Wunder dass davon mehr als 2 Millionen Stück verkauft worden sind! Solltet ihr aus irgendwelchen Gründen noch nicht dazu gekommen sein es zu lesen: Tut es!
Und dann habe ich noch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ (im Original: „Sapiens: A Brief History of Humankind“) Yuval Noah Harari gelesen. Es ist genau das was es verspricht zu sein. Eine „Geschichte der Menschheit“ muss natürlich zwangsläufig kurz sein. Aber die von Harari hat eine angenehme Länge und wenn man auch über viele Dinge nichts erfährt hat man danach dennoch das Gefühl einen guten Überblick über die letzten paar Jahrhunderttausende bekommen zu haben.
Das war der November! Aus meinem Stapel ungelesener Bücher, der ja sowieso schon längst eine Kiste ungelesener Bücher war ist mittlerweile ein Regal ungelesener Bücher geworden. Aber ich lese weiter und werde im Dezember wieder berichten was ich gelesen habe!
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ALSO – als gebürtiger Detmolder bin ich natürlich empört, dass meine wundevolle Heimatstadt als Inbegriff der Provinz herhalten muss. Immerhin sind wir sehr stolz auf unseren Status als Residenzstadt und auf unser Schloss. Das fehlen jeglicher vernünftiger Verkehrsanbindung, die überschaubare grösse von 60.000 Einwohnern und die fehlende Nachbarschaft jeglicher größeren Stadt ficht uns dabei nicht an. Aber es hat mich schon immer gewundert, dass diese abgelegene und mutmasslich nicht kartografisch erfasste Flecken ein Landestheater mit Opernaufführungen hat. Coller Lesetipp – wird umgehend gekauft!!
Ist die „fehlende Nachbarschaft jeglicher größeren Stadt“ nicht gemeinhin ein Kennzeichen für den Status einer „Metropole“? 😉
Captain E.: Den muss ich mir merken – das ist super!!
Obwohl es zumindest in der Region eine Stadt gibt, die immerhin die drittgrößte in ganz Westfalen ist. Du wirst sie kennen: Sie fängt mit „B“ and und hört mit „ielefeld“ auf. 😉
Aber immerhin ist Detmold (Ex-) Hauptstadt und immer noch Sitz einer Bezirksregierung.
Interessante Auswahl.
Tatsächlich habe ich den Masianer noch nicht gelesen, trotzdem klingt das Buch und jetzt auch Artemis sehr spannend. Mal schauen, die dunkle Jahreszeit beginnt ja erst, vielleicht lese ich sie noch im Verlauf.
Viele Grüße, Becky
https://bakingsciencetraveller.wordpress.com/
Interessante Auswahl!
Ich fand den Marsianer auch richtig klasse und werde sicher auch Artemis demnächst mal lesen. Und ich habe schon allein vom Lesen deiner Buchbesprechung das plötzliche Bedürfnis doch auch irgendwann mal in die Oper zu gehen, kann doch nicht sein, dass man in dem Land mit den allermeisten Opern geboren und aufgewachsen ist und dann nie eine besucht hat!
„Es heißt ‚Artemis‘ (auf deutsch: ‚Artemis‘)“ – der war nett, hihi! Ist ansonsten schon auf meiner Weihnachtswunschliste.
Wenn ich mich richtig erinnere, erwähnte O’Malley auf seiner FB Seite, dass er gerade am dritten Teil schreibt. 🙂
Hatte ich hier schon das Buch „Killers of the flower moon“ (deutsch: Das Verbrechen) von David Grann angepriesen? Es geht um mysteröse Todesfälle, die Anfang des letzten Jahrhunderts bei den Osage Indianern auftraten und Spoiler: Kein Zufall waren.
Ist tatsächlich kein Roman, sondern eine wahre Geschichte, sehr spannend und z.T. fast unglaublich wie die USA damals mit den Ureinwohnern umgegangen sind. Vermutlich mein Lieblingsbuch in diesem Jahr.
@peer
Was neues von David Grann! Cool. Werde ich wohl sogleich bestellen. Danke für den Hinweis.