Der Oktober war ein sehr arbeitsintensiver Monat mit vielen Reisen – aber dank der Reisen hatte ich zumindest auch ein wenig Zeit um lesen zu können. Eine wunderbare Fantasy-Trilogie; einen einigermaßen guten Roman und ein etwas enttäuschendes Buch mit tollem Titel…
Die Städte der Götter
Was ich euch ganz dringend empfehlen möchte ist die Trilogie der Divine Cities von Robert Jackson Bennett. Sie besteht aus den drei Büchern „City of Stairs“, City of Blades“ und „City of Miracles“ (auf deutsch: „Die Stadt der tausend Treppen“, „Die Stadt der toten Klingen“ und „Die Stadt der träumenden Kinder“) und gehört zu den Highlights der diesjährigen Lektüre.
Es ist eine seltsame Welt die einem in diesen Büchern präsentiert wird. Nicht das für die Fantasyliteratur übliche Mittelaltersetting sondern eine Welt die eher irgendwo zwischen der Mitte unseres 19. und unserem 20. Jahrhundert angesiedelt ist. Die Protagonisten sind keine Könige, Ritter und Zauberer sondern Minister, Generäle, Gouverneure und Geheimagenten. Und die Handlung beginnt eigentlich wie ein klassischer Politthriller: Geheimagenten sind unterwegs um einen seltsamen Mord zu untersuchen und müssen sich mit Intrigen und politischen Verstrickungen auseinander setzen. Aber! Aber da sind die Götter! Die Bücher spielen in einer Welt in der es den „Kontinent“ gibt. Und auf diesem Kontinent leben (bzw. lebten) die Götter. Keine unsichtbaren Wesen an die man halt glaubt oder nicht. Sondern sechs reale Götter mit göttlicher Macht die sich mit ihren jeweiligen Völkern ihre Welt aufgebaut haben. Eine Welt in der die Realität dank göttlicher Eingriffe und Wunder mehr oder weniger Verhandlungssache ist. Die einzigen die nichts von der Götterwelt haben sind die Menschen von Saypur, einer Insel die von den Göttern und ihren Anhängern auf dem Kontinent gnadenlos versklavt werden. Bis irgendwann der „Kaj“ herausfindet wie man die Götter töten kann… Die Saypuris rebellieren, erobern den Kontinent, töten die Götter und ihre göttlichen Wesen – und annullieren damit auch gleichzeitig alle Wunder und Eingriffe der Götter in die Realität. In einer gewaltigen Katastrophe – dem „Wimpernschlag“ – verschwindet alles was die Götter geschaffen haben in einem einzigen Augenblick und zurück bleibt eine absurde Welt die aus Stückwerk und einer traumatisierten Bevölkerung besteht.
Das alles waren keine Spoiler; die eigentliche Handlung setzt erst ein paar Jahrzehnte nach diesen im Buch nur vage angedeuteten Ereignissen ein. Saypur probiert auf dem Kontinent Ordnung zu schaffen – und muss sich mit der immer noch aufständischen Bevölkerung rumzuschlagen. Und Shara, Agentin der Regierung von Saypur muss dem Mord an einem Universitätsprofessor aufklären dessen Spezialgebiet die Erforschung der ehemaligen Götter ist.
Ich war und bin sehr begeistert von diesen Büchern. Die Mischung zwischen den klassischen Fantasy-Elementen durch die Götter und dem eher modernen Setting ist erfrischend. Die Protagonisten sind ebenso erfrischend komplett anders als man es erwarten würde und widersprechen allen Konventionen des Genres ohne dass das irgendwie aufgesetzt wirkt. Und die Geschichte ist extrem spannend. Das gilt für den ersten Band ebenso wie für den zweiten; bei dem natürlich die Götter wieder eine wichtige Rolle spielen, die Handlung sich aber eigentlich mit der Frage nach der Moral des Kriegsführens beschäftigt. Und auch im dritten Band sind Politik, Krieg und Intrigen neben den Fantasy-Göttern integrale Bestandteile.
Ich weiß noch nicht ob ich glücklich darüber bin dass die Hauptfiguren (fast) alle in jedem Band durchgewechselt werden. Shara aus dem ersten Band taucht nur am Rande in Band zwei und drei auf; Mulagesch in Band drei nur mehr wenig, etc. Aber immerhin ist Sigrud Harkvaldsson immer dabei! Das ist fast die beste Figur des ganzen Buches – gegen den Typ verblasst jeder Superheld aus irgendwelchen Comicverfilmungen 😉
Lest die Bücher! Bis die deutschen Übersetzungen rauskommen dauert es zwar noch ein bisschen – aber es lohnt sich auf jeden Fall.
Böhmische Raumfahrt
Das Buch „Eine kurze Geschichte der Böhmische Raumfahrt“ (im Original: „Spaceman of Bohemia“) von Jaroslav Kalfar habe ich mir vor allem wegen des Titels gekauft. Der deutsche Titel ist natürlich wieder eine Fortführung der „Eine kurze Geschichte der…“-Bücher die seit Stephen Hawkings Beststeller immer noch ständig auftauchen. Aber auch der Originaltitel ist ausreichend skurril um Interesse zu erregen. Es handelt sich allerdings nicht um ein Sachbuch sondern einen Roman. Einen Roman allerdings bei dem ich mir nicht so ganz sicher bin wie ich ihn finden soll.
Die Ausgangssituation: Eine komische Wolke aus Staub treibt ins Sonnensystem und jeder Versuch der Erforschung mit Raumsonden scheitert. Bis sich die Tschechische Republik entscheidet die ersten zu sein die eine bemannte Mission dorthin zu schicken um herauszufinden was da los ist. Das klingt nach einer humorigen Science-Fiction-Story; ein wenig nach Ijon Tichy von Stanislaw Lem. Ist aber absolut nichts davon. Die Sache mit der Raumfahrt spielt eigentlich kaum eine wichtige Rolle (und wenn es um Astronomie geht hat Kalfar anscheinend auch kaum recherchiert sondern sich einfach irgendwas ausgedacht…). Das Buch ist die Geschichte von Jakub Procházka, dem ersten tschechischen Raumfahrer. Es ist die Geschichte seiner scheiternden Beziehung mit seiner Frau und die Geschichte seiner Jugend mit einem Vater der bei der tschechoslowakischen Geheimpolizei war und all den Problemen die nach dem Ende des Ostblocks daraus erwachsen. Ist das was man vermutlich „ernsthafte Literatur“ nennt und es ist durchaus ein gutes Buch!
Ich hab es nur während der gesamten Lektüre nie geschafft die Raumfahrt-Story mit der Story über die Vergangenheit des Raumfahrers in Einklang zu bringen. Die Raumfahrt-Story passt nicht zum Rest dazu und erscheint irgendwie sinnlos (es sei denn ich hab irgendwas massiv nicht oder falsch verstanden). Hätte Kalfar eine andere Motivation für die ganzen Rückblenden gefunden als diese absurden Raumflug, dann wäre die Geschichte genau so gut gewesen und hätte weniger zerstückelt gewirkt.
Hat sonst noch jemand das Buch gelesen und ist vielleicht anderer Meinung? Würde mich interessieren.
Was ich sonst noch gelesen habe
- „How to stop time“ (auf deutsch nicht erhältlich) von Matt Haig. Über Haigs Buch „Ich und die anderen“ habe ich schon früher berichtet. So wie damals ist auch das aktuelle Buch eine Geschichte die wirkt wie eine Science-Fiction-Story, aber eigentlich keine ist. Es geht darum Menschen die deutlich langsamer altern als alle anderen. Sie können Jahrhunderte alt werden – und das schafft natürlich Probleme. Denn es fällt auf, wenn man der einzige ist der nie älter wird… Auch hier ist die Science-Fiction-Handlung mit der Pseudo-Unsterblichkeit eigentlich nur ein Vehikel um eine ganze andere Geschichte zu erzählen. Aber im Gegensatz zum Buch mit dem böhmischen Raumfahrer gelingt Haig diese Mischung sehr, sehr gut. „How to stop time“ ist ein schönes Buch. Lest es!
- „Kleines Lexikon der wissenschaftlichen Irrtümer“ von Reiner Ruffing. Keine Ahnung wo ich das Buch her habe. Kann man lesen; muss man aber nicht. Die Auswahl der „Irrtümer“ ist sehr konfus und vieles dabei würde ich nicht als klassische „Irrtümer“ bezeichnen. Ganz besonders nicht den Klimawandel, was der Autor (ein Philosoph) zwar auch nicht tut – zumindest nicht explizit – aber anscheinend trotzdem ein Kapitel schreiben und erklären musste dass ihm das irgendwie komisch vorkommt…
Weihnachtsbücher
Jetzt kommt ja bald die Zeit der Weihnachtsbuchempfehlungen. Ich weiß nicht ob ich dieses Jahr einen entsprechenden Artikel schreiben kann. Nehme aber wie immer gerne eure Empfehlungen entgegen!
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