[Dieser Artikel entstammt der Recherche zu meinem Newton-Buch, haben dann aber aus verschiedensten Gründen keinen Platz mehr im fertigen Werk gefunden.]
Der Wecker klingelt. Ich würde eigentlich gerne noch weiterschlafen. Und das könnte ich eigentlich auch tun. Es gibt kein Büro, in dem ich rechtzeitig erscheinen muss; keinen Vorgesetzten, der mich pünktlich am Arbeitsplatz sehen will. Ich bin mein eigener Chef und als Autor kann ich arbeiten wann und wo ich es gerne möchte. Trotzdem will ich nicht zu viel vom Tag verschlafen und greife zur Fernbedienung auf meinem Nachttisch um das Radio einzuschalten. Ich kann ja zumindest noch ein bisschen liegen bleiben, und mir die erst Mal die Nachrichten anhören, bevor ich das warme und gemütliche Bett verlasse. Dass ich das kann, liegt an Isaac Newton. Dem Regenbogen, den er entschlüsselt hat und all den unsichtbaren Farben die seine Nachfolger entdeckt haben.
Newtons Experimente über Licht und Optik waren grandios. Er hat als erster wirklich verstanden, das Sonnenlicht nur eine Mischung aus verschiedenen Farben ist und dass man diese Farben mit entsprechenden optischen Instrumenten sichtbar machen kann. Seine Erkenntnisse haben Auswirkungen auf die Entwicklung der gesamten Naturwissenschaft gehabt und ganz besonders auf die Astronomie. Sie haben dazu geführt, dass ich den Beruf ausüben kann, den ich ausübe. Und sie erlauben es mir, ein weiteres Mal auf die Fernbedienung zu drücken um das Radio auszuschalten. Es wird Zeit für mich, auch langsam mit der Arbeit zu beginnen.
Früher habe ich als Astronom an Universitätssternwarten gearbeitet. Heute bin ich Autor und mein Schreibtisch steht gleich neben meinem Schlafzimmer. Ich hätte aber weder das Universum auf die Art und Weise kennen lernen können wie ich es während meines Studiums und meiner Forschungsarbeit getan habe, noch könnte ich nun an meinem Computer sitzen und darüber schreiben, wenn nicht Isaac Newton probiert hätte, das Licht zu verstehen. Heute ist „Licht“ ein Wort, dass in der Wissenschaft eine klare Bedeutung hat. Zu Newtons Zeit war es genauso geheimnisvoll und unverstanden wie der Rest der Welt. Newton war der erste, der verstand, was es damit auf sich hat. Aber selbst er hätte sich wahrscheinlich nicht vorstellen können, dass seine Entdeckungen irgendwann einmal dazu führen werden, dass Menschen drahtlos über weite Entfernungen miteinander kommunizieren können. Dass ein kleiner schwarzer Kasten neben meinem Bett unsichtbares Licht zu einem etwas größeren schwarzen Kasten ein paar Meter daneben schickt aus dem dann Musik oder Nachrichten zu hören sind die ebenfalls mit unsichtbaren Licht aus weit entfernten Städten dorthin transferiert worden sind. Er wäre noch viel verblüffter gewesen, wenn er gesehen hätte, wie ich das unsichtbare Licht nutze, um mich mit meinem Handy im Internet einzuloggen und die ersten Emails des Tages beantworte. All das hätte sich Newton wohl nie vorstellen können.
Newtons neuer Blick auf das Licht hat uns im wahrsten Sinne des Wortes die Augen geöffnet. Und danach haben wir sie noch einmal geöffnet, und eine ganz neue Welt entdeckt! Dank Newton wusste man, dass Licht nicht einfach nur „Licht“ ist sondern eine Mischung aus verschiedenen Farben. Farben, die man nun untersuchen konnte. Und was Newton noch nicht wusste, aber seine Nachfolger entdeckten: Es gab viel mehr Farben, als Newton oder seine Zeitgenossen sich vorstellen oder mit ihren Augen sehen konnten. Aber die Wissenschaft hatte schon bald gelernt, sich neue und bessere Augen zu konstruieren mit denen diese neuen Farben „gesehen“ werden konnten.
Es sind Farben, die heute überall in unserem Alltag zu sehen sind. Beziehungsweise nicht zu sehen sind (weil unsichtbar). Aber trotzdem vorhanden. Als ich heute morgen faul in meinem Bett lag und mit der Fernbedienung mein Radio eingeschaltet habe, kam Licht aus ihr heraus und traf auf einen entsprechenden Sensor, der das Gerät aktiviert hat. Als sich mein Handy mit dem Internet verband, empfing es Licht von meinem WLAN-Router. Fast immer wenn wir von irgendeiner „drahtlosen“ Verbindung sprechen oder einer „Fernbedienung“, reden wir von einem Phänomen, dessen Grundlage Isaac Newton damals erforscht hat. All die unsichtbare Strahlung, die Signale von einem Punkt zu einem anderen Punkt übermittelt ist nichts anderes als Licht. Licht, das wir mit unseren Augen nicht sehen können.
Newton sah damals bei seinen Experimenten nur den gewohnten Regenbogen, der auf der einen Seite mit den Farben blau und violett beginnt und sich dann über grün und gelb bis hin zu rot erstreckt. Dieses sogenannte Lichtspektrum ist aber nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was wirklich vorhanden ist. Der wahre Regenbogen geht noch viel weiter!
Das entdeckte Wilhelm Herschel 83 Jahre nach Newtons Tod. Herschel, der Astronom der als erster Mensch der Neuzeit einen unbekannten Planeten entdeckte (Uranus, hinter der Bahn des Saturn) interessierte sich natürlich ebenfalls sehr für die Eigenschaften des Lichts. So wie Newton experimentierte er mit dem Sonnenlicht und erzeugte einen Regenbogen aus den bekannten Farben. Herschel war aber an einer ganz anderen Eigenschaft interessiert: Er wollte wissen, ob die unterschiedlichen Farben unterschiedliche Temperaturen haben. Ist blaues Licht genau so warm oder kalt wie grünes oder rotes Licht? Oder hat die Farbe auch etwas mit der Temperatur zu tun? Um das herauszufinden, platzierte Herschel Thermometer im Regenbogen
Tatsächlich zeigte sich: Blaues Licht war kälter als rotes Licht. Um entsprechende Vergleichsmessungen zu haben, maß Herschel aber auch die Umgebungstemperatur, das heißt er legte seine Thermometer auch dorthin, wo keine Farben des Regenbogens zu sehen war. An den meisten Stellen maß er so einfach nur die normale Raumtemperatur. Aber ein Thermometer, das direkt hinter dem roten Ende des Regenbogens lag, zeigte sehr viel höhere Werte an. Es war dort noch wärmer als im roten Licht und im Rest des Raumes. So, als läge hinter dem roten Ende noch eine weitere Farbe, die zwar für unsere Augen unsichtbar, aber deutlich wärmer als die anderen Farben ist.
Es muss ein aufregendes Gefühl gewesen sein, eine komplett neue Farbe entdeckt zu haben. Eine bisher ungesehene und weiterhin unsichtbare und trotzdem vorhandene Strahlung; einen Teil des Lichts der immer schon da war aber erst jetzt von Wilhelm Herschel bemerkt wurde. Ein neues Phänomen braucht einen neuen Namen, vor allem dann, wenn es sich um eine neue Farbe handelt. . Herschel nannte das Phänomen „kalorische Strahlung“ (vom lateinischen „calor“ für Wärme bzw. Hitze); heute benutzen wir dafür allerdings den Begriff „Infrarotstrahlung“.
Kurze Zeit später machte ein anderer Forscher eine ähnliche Entdeckung. Im Jahr 1801 untersuchte der junge Johann Wilhelm Ritter an der Universität Jena ebenfalls den Regenbogen des Lichtspektrums. Vom Fenster meines Arbeitszimmers aus kann ich die Universität sehen; sie liegt gleich auf der anderen Straßenseite. Ritter hat dort aber nicht gearbeitet, das neue Universitätsgebäude (das ehemalige Stadtschloss von Jena) wurde erst 1908 eröffnet. Der Arbeitsplatz des damals gerade 25jährigen Ritter war im alten Collegium Jenense (Das nicht weit entfernt von meiner Wohnung liegt und an dem im 17. Jahrhundert übrigens auch der Mathematiker und Astronom Erhard Weigel arbeitete und dort das Gerät erfand, nach dem ich mein Internetblog benannt habe: Ein „Astrodicticum Simplex“), nur einen kurzen Spaziergang entfernt. Dort hatte Ritter mit seiner Forschung schon einiges an Aufsehen erregt. Sein Arbeitsgebiet war der Galvanismus, also der Einfluss elektrischen Stroms auf die Muskelfasern von Lebewesen.
Die Universität Jena war damals ein Zentrum der Frühromantik und Ritter verkehrte nicht nur mit den Philosophen und Schriftstellern dieser Strömung sondern ließ sich offensichtlich auch beim Verfassen seiner Abhandlungen von deren weitschweifigen Stil beeinflussen. Seine ersten Forschungsergebnisse trug er beispielsweise unter dem Titel „Ueber den Galvanismus: einige Resultate aus den bisherigen Untersuchungen darüber, und als endliches: die Entdeckung eines in der ganzen lebenden und todten Natur tätigen Princips“ vor.
Die Publikation seiner Arbeit fiel ihm allerdings schwer; Johann Christian Reil, der Herausgeber des „Archivs für Physiologie“ hielt Ritters Thesen für „zu dreist“ und lehnte die Publikation ab. Ritter hat sich davon nicht beirren lassen; er arbeitete weiter und hatte durchaus berühmte Gesprächspartner: Goethe, Schiller, Novalis, Herder, Schlegel und andere literarische Berühmtheiten kommunizierten regelmäßig mit ihm. Dass Ritter im Gegensatz zu seinen Freunden heute kaum jemandem bekannt ist, liegt wahrscheinlich auch daran, dass seine wissenschaftlichen Arbeiten alle im gleichen, eher schwer lesbaren Stil des schon vorhin erwähnten Vortragstitels gehalten sind. Und natürlich auch daran, dass Literaten generell mehr Aufmerksamkeit bekommen als Naturwissenschaftler. In der Schule kann man froh sein, wenn man überhaupt etwas brauchbares über Optik oder Galvanismus lernt; vom Leben eines Johann Wilhelm Ritter ganz zu schweigen. Wer dagegen nichts über Goethe oder Schiller weiß, gilt als Banause. Ich behaupte ja nicht, dass die Klassiker uninteressant oder unwichtig sind. Aber die Naturwissenschaft ist definitiv nicht weniger wichtig als die Literatur der Klassiker. Und Goethe mag zwar gute Bücher geschrieben haben – vom Licht hatte er allerdings absolut keine Ahnung! Aber das ist wieder eine andere Geschichte…
An den Ergebnissen von Ritters Forschung selbst kann die mangelnde Aufmerksamkeit eigentlich nicht gelegen haben. Wie es sich für einen Romantiker gehört starb er zwar schon früh; mit 34 Jahren (unter anderem an den Folgen der elektrischen Selbstversuche, die er durchgeführt hatte). Davor hatte er aber noch Gelegenheit, beispielsweise eine „Ladungssäule“ zu bauen: Ein Speicher für Energie und der Vorläufer der Batterien und Akkus die wir heute überall verwenden. Ritter war Begründer der modernen Elektrochemie, entdeckte einige grundlegende Eigenschaften der Elektrizität (und wenn er ein bisschen besser darin gewesen wäre, seine Entdeckungen zu verbreiten und vor allem besser gewesen wäre als sein Zeitgenosse Alessandro Volta, dann würden wir elektrische Spannung heute vielleicht in „Ritter“ messen und nicht in „Volt“). Und er entdeckte eine weitere neue Farbe in Newtons Regenbogen!
So wie Herschel betrachtete auch Ritter ein Lichtspektrum das er mit einem Prisma erzeugt hatte. Anstatt Thermometer verwendete er aber Silberchlorid-Papier. Dieses lichtempfindliche Material wurde später auch oft in der Fotografie eingesetzt; Ritter aber wollte einfach nur wissen, ob das Papier unterschiedlich stark auf unterschiedliche Farben reagiert. Das war der Fall: blau/violettes Licht färbte die lichtempfindliche Silberchlorid-Schicht schneller und stärker ein als rotes Licht. Aber ein Papierstreifen, den er hinter das violette Ende des Regenbogens legte, also dorthin, wo kein Licht mehr zu sehen war, färbte sich noch stärker. Er kam zu dem gleichen Schluss wie Herschel: Da musste noch eine andere Art des Lichts sein, das zwar vorhanden aber für unsere Augen unsichtbar ist. Die Namensgebung brauchte auch hier ein wenig Zeit. Ritter nannte es „oxidierende Strahlung“; seine Kollegen bevorzugten den Begriff „chemische Strahlung“ und heute hat man sich auf den Begriff „Ultraviolettstrahlung“ oder einfach „UV-Strahlung“ geeinigt.
Nach den Entdeckungen von Herschel und Ritter dauerte es ein klein wenig, aber als das 19. Jahrhundert Anstalten machte aufzuhören, legten die Naturwissenschaftler noch einmal ordentlich nach und fanden jede Menge weitere „Farben“ des Lichts die noch nie jemand gesehen hatte. 1887 gelang Heinrich Hertz der erste Nachweis von Radiowellen, 1895 fand Wilhelm Röntgen durch reinen Zufall die Art der Strahlung, die heute nach ihm benannt ist und die ihm recht überraschend den ersten Nobelpreis für Physik eingebracht hat (Etwas, das den öffentlichkeitsscheuen Röntgen extrem irritiert hat: Eigentlich wurde von ihm erwartet, persönlich nach Stockholm zu reisen um dort einen Vortrag zu halten. Das schob er allerdings so lange auf, bis das Nobelkommitte genervt aufgab, ihm den Vortrag erließ und die Medaille per Post zuschickte) und 1900 entdeckte Paul Villard die Gammastrahlung. Radiowellen, Röntgen- und Gammastrahlung kennen wir heute im Alltag als völlig unterschiedliche Phänomene. Das Radio brauchen wir, um beim Autofahren Musik zu hören, die Röntgenstrahlung trifft man hauptsächlich beim Arzt und vor der radioaktiven Gammastrahlung fürchten wir uns wenn in den Nachrichten wieder einmal von Atomkraftwerken die Rede ist.
Aber trotz all dieser Unterschiede ist doch alles nichts anderes Licht. Newtons Regenbogen war der Anfang; das komplette „elektromagnetische Spektrum“ das Ende. Der schottische Physiker James Clerk Maxwell entwarf schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die theoretischen Grundlagen zur Beschreibung von elektromagnetischen Wellen und konnte dabei nicht nur die beiden Phänomene der Elektrizität und des Magnetismus vereinen und auch zeigen, dass das sichtbare Licht nichts anderes ist, als eine sich ausbreitende Welle aus gekoppelten elektrischen und magnetischen Feldern sondern sagte auch die Existenz jeder Menge anderer solcher Wellen vorher.
Heute sind elektromagnetische Wellen die Grundlage fast unserer gesamten Technik. Die Fernbedienung meines Radios sendet Infrarotstrahlung aus, mein Handy kommuniziert per Mikrowelle mit dem Internet, das Trinkwasser aus der Wasserleitung wird per Ultraviolettstrahlung desinfiziert und so weiter. Aber noch viel besser als im Alltag habe ich das elektromagnetische Spektrum bei meiner Arbeit als Astronom kennengelernt.
Zur Zeit von Isaac Newton waren die Sterne weitestgehend unverstandene Himmelskörper. Man wusste nicht, wie groß oder wie weit entfernt sie waren. Man hatte keine Ahnung, wie sie funktionierten, was sie waren oder warum sie leuchteten. Man wusste nur, dass sie Licht ausstrahlten und „Licht“ war damals natürlich nur das für die menschlichen Augen sichtbare Licht. Heute sind die Astronomen ein ganzes Stück weiter. Wir wissen, dass Sterne unvorstellbar weit entfernte Kugeln aus Gas sind, die so wie unsere Sonne Licht durch die Fusion von Atomen erzeugen und wir haben sogar eine ziemlich gute Vorstellung davon, wie sie das anstellen. Vor allem aber wissen wir, dass Sterne nicht nur im für uns sichtbaren Licht strahlen, sondern im kompletten elektromagnetischen Spektrum.
Unsere Sonne leuchtet wenn wir sie mit unseren Augen betrachten. Sie leuchtet aber auch im Radiolicht, im Infrarotlicht, im Röntgenlicht und in all den anderen Farben, die Wissenschaftler in den letzten Jahrhunderten entdeckt haben. Dass wir das Universum heute so gut verstehen, wie wir es tun, hat unter anderem den Grund, dass wir gelernt haben, all die für uns unsichtbaren Arten der Strahlung zu sehen.
Passt ja super der Artikel, da ich mich auch gerade mit Licht beschäftige und mir das Hintergundwissen, die Entstehungsgeschichte zur Entdeckung der verschiedenen Wellenlängen, noch fehlte.
Sehr schöner Artikel, danke dafür.
Da es im Artikel anklingt würde mich deine allgemeine Meinung zu Goethe (als Wissenschaftler) interessieren. Wäre cool, wenn du ihn irgendwann mal, wie schon viele andere Persönlichkeiten, in Form eines Artikels „behandeln“ könntest. Finde ich vor allem spannend, da er oftmals als Bindeglied zur Antroposophie benutzt wird.
Viele Grüße
Deski,
interessant zum Begriff der Farbe ist, dass bei der Benham-Scheibe nur die Farbe Weiss und Schwarz existiert, der Beobachter beim Drehen aber einen Farbeindruck bekommt.
Das deutet darauf hin, dass unser Gehirn und/oder die Sehnerven den Farbeindruck erzeugen.
@Deski#1
Über Goethe als Literat lässt sich bekanntlich nicht streiten, jedoch Goethe als „Wissenschaftler“, hmm, ich denke schon zu damaligen Zeiten hat man vieles besser wissen können. Das mit seiner „Farbenlehre“ war ja auch nicht ganz im Newton’schen Sinne. Was Literaten, Schauspieler et al. betrifft, so hat sich der Drang mancher Persönlichkeiten zu esoterischen Gefilden bis heute nicht geändert. Wie folgendes jüngstes Beispiel gar zu deutlich macht:
https://sciencebasedmedicine.org/gwyneth-paltrow-and-goop-another-triumph-of-celebrity-pseudoscience-and-quackery/
@Robert Ja, das ist ähnlich wie Frequenz und Tonhöhe. Da ist auch kein 1:1 Zusammenhang, sondern was das komplexer ist.
Hallo Florian,
woran liegt es eigentlich, dass es dieser Text nicht in Dein Buch geschafft hat? Gibt es eine Begrenzung der Seitenzahl oder so?
MFG!
@tomW: „woran liegt es eigentlich, dass es dieser Text nicht in Dein Buch geschafft hat? „
Nachdem ich ca 1/3 des Buchs geschrieben hatte, haben der Lektor und ich beschlossen, die Thematik nochmal komplett zu ändern. Und da konnte ich dann eben nicht mehr alles für das neue Konzept übernehmen.
@Robert: Der Effekt bei der Benham Scheibe beruht darauf, dass unsere unterschiedlichen Farb-Empfänger-Zellen unterschiedliche Reaktionszeiten haben. Dadurch entstehen an bewegten Grau-Übergängen Farben, die man deutlich wahrnehmen kann.
@Deski:
Florians Meinung kenne ich natürlich nicht, aber falls dich interessiert, was ich von Goethe als Wissenschaftler halte: Kurz zusammengefasst, nicht sonderlich viel.
Im Zuge der Goethe-Verehrung, die im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhundert manchmal religiöse Züge annahm, wurde er auch als großartiger Wissenschaftler gepriesen – wenn er der größte Dichter ist, muss er auch der größte Forscher sein. Nun, er war ein intelligenter und aufmerksamer Hobby-Naturforscher, der im Zuge seiner umfassenden Studien zu Allem und Jedem sich auch mit Pflanzen, Tieren, Steinen beschäftigte und zahlreiche Beobachtungen und Naturstudien machte. Dabei gelang ihm die eine oder andere kleinere Entdeckung, wie der berühmte Zwischenkieferknochen. Eine systematische wissenschaftliche Denkweise im modernen Sinn, war ihm jedoch vollkommen fremd; auch fehlte ihm jedes Verständnis für Mathematik, wie er in seiner Farbenlehre (Didaktischer Teil, „Verhältniß zur Mathematik“, Abschnitt 723) auch selber zugibt: „Der Verfasser kann sich keiner Cultur von dieser Seite rühmen, und verweilt auch deßhalb nur in den von der Meßkunst unabhängigen Regionen, die sich in der neuern Zeit weit und breit aufgethan haben.“ Damit ist er für fundiertere Beschäftigung mit Physik schlicht und einfach nicht qualifiziert.
Seine „Farbenlehre“ gilt als so etwas wie das schwarze Schaf unter Goethes Schriften. Sie besteht aus drei Teilen, dem historischen, dem didaktischen und dem polemischen Teil. Im historischen Teil trägt er sorgfältig zusammen, was alle möglichen Autoren seit der Antike zu Farben und Farbenlehre geschrieben haben; im didaktischen Teil legt er seine eigenen Ansichten zur Farbenlehre dar: Er unterscheidet Physiologische, Physische, und Chemische Farben. Weitere Kapitel behandeln „Allgemeine Ansichten nach innen“, „Nachbarliche Verhältnisse“ und „Sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe“.
Für einen modernen Leser ist nicht immer leicht nachzuvollziehen, was er meint. Im Kapitel zu den sinnlich-sittlichen Wirkungen verkündet er Weisheiten wie: „Naturmenschen, rohe Völker, Kinder haben große Neigung zur Farbe in ihrer höchsten Energie, und also besonders zu dem Gelbrothen.“ oder: Gelb und Grün hat immer etwas Gemein-Heiteres, Blau und Grün aber immer etwas Gemein-Widerliches; deßwegen unsre guten Vorfahren diese letzte Zusammenstellung auch Narrenfarbe genannt haben. Hier hat Goethe recht, finde ich: Ein blauer Himmel über grünem Wald sieht ja wirklich gemein-widerlich aus …
Der polemische Teil ist ein wüster Angriff auf Newton. Andreas Speiser schreibt im Nachwort zur Farbenlehre in der dtv Gesamtausgabe: “… alles, was Newton lehrte, wirkte auf ihn wie ein rotes Tuch, sodass er gar nicht fähig war, sich unvoreingenommen damit zu befassen. Newtons Werk [Opticks], eines der schönsten Bücher der Physik, erschien 1704 in London. [… Goethe] versteift sich darauf, Satz für Satz durchzugehen und mit Rügen zu versehen, die meist sinnlos sind.“
Speiser schreibt über Goethe und den Regenbogen: „Noch haben wir eines großartigen Naturphänomens nicht gedacht, des Regenbogens. Er hat Goethe schwere Sorgen bereitet, denn er ist ja der leibhaftige Newton. Man bedenke die Farbenfolge von Rot über Grün zu Violett, genau wie beim Newtonschen Spektrum. Die Naturverehrung hinderte Goethe, schlecht davon zu reden, aber immer wieder betonte er, es handle sich um ein sehr kompliziertes Phänomen.“
Von Joseph Kürschner wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Sammlung „Deutsche National-Litteratur“ herausgegeben, in der auch Goethes Werke enthalten sind. Für die Herausgabe der naturwissenschaftlichen Schriften Goethes war Rudolf Steiner zuständig. In seinen Vorwörtern und Einleitungen zu den einzelnen Bänden schreibt er, wie bei Steiner üblich, jede Menge wirres Zeug.
Schade für das Buch, umso schöner für Dein Blog!
Ein wirklich interessanter Artikel und eine spannende Facette der Wissenschaftsgeschichte, was Du da recherchiert hast!
Auch noch ein Kommentar zu Goethe als Naturwissenschaftler: ich finde seine Farbenlehre, die ich zumindest in Teilen gelesen habe, sehr ansprechend. Er hat eben nicht, wie Newton, den mathematisch-abstrakten Weg der Naturbeobachtung gewählt, sondern hat sich vielmehr auf die rein „sinnliche“ Beobachtung der Farbphänomene konzentriert. Dadurch blieben seine Forschungen sehr nah „am Menschen“, was man von der Newtonschen Physik ja nicht so ohne weiteres sagen kann. Ich finde das muss man ganz klar hervorheben, dass er da einen völlig anderen Weg als Newton eingeschlagen hat.
Diese andere Geschichte würde mich sehr interessieren. Ich finde, Goethe hat einen sehr tiefen Einblick in das Wesen der Farben gehabt, aber einen völlig anderen als Newton.
Man kan es halt nicht vergleichen. Versucht man einen Vergleich dann ist das wie Tennis auf dem Fußballplatz. Bringt nichts und führt zu Streit.
Goethe hat über seinen Geschmack gesprochen und Newton über die Physik.
@Stefan
Ich kann in Goethes Farbenlehre keine wie auch immer geartete Tiefe erkennen. Er hat versucht, ohne physikalische Grundkenntnisse und mit vielen eigenen Beobachtungen und Messungen eine Theorie aufzustellen. Weil er die damals anerkannte Theorie Newtons, die eine konsistente Deutung vieler Farbphänomene erlaubt*, nicht verstand und nicht anerkannte, ist seine Theorie unklar und verworren. Die Farbenlehre ist teilweise ganz unterhaltsam, aber über weite Strecken ausgesprochen zäh: Seine Definitionen von katoptrischen, dioptrischen, epoptrischen, paroptrischen und sonst noch optrischen Farben sind reichlich diffus und wirr.
Er hatte auch wenig Plan, wie man physikalische Experimente anlegt, um störende Nebeneffekte auszuschalten. Newton führt Experimente in abgedunkelten Räumen durch, mit einer kleinen Öffnung für Sonnenlicht: Dadurch will er eine punktförmige Lichtquelle approximieren. Goethe versteht das nicht und lästert wiederholt darüber.
In der Naturwissenschaft ist es nicht so, dass unterschiedliche Zugänge äquivalent sind – manches ist eben schlicht und einfach falsch. Wenn man Naturwissenschaft betreibt – und Goethes Farbenlehre ist Naturwissenschaft – muss man sich eben mit den Maßstäben der Naturwissenschaft messen lassen.
* Viele, aber nicht alle Farbphänomene kann Newtons Theorie erklären. Es fehlt zum vollständigen Verständnis die Funktionsweise des menschlichen Auges und seiner Farbrezeptoren. Hier kann man Goethe zur Abwechslung keinen Vorwurf machen, dass er das nicht wusste, denn das war damals noch nicht bekannt.
@Anderas
Natürlich kann man es vergleichen. Goethe schreibt ein ganzes Buch, in dem er über Newtons Optik herzieht. Den Streit hat also schon Goethe angezettelt. Und beim Vergleich kommt man unweigerlich zum Schluss: Newton hatte recht, und Goethe hatte unrecht.
Auch Goethe schrieb über Physik. Er beschreibt jede Menge Experimente mit Prismen und über sonstige Farberscheinungen. Eine konsistente Deutung ist ihm nicht gelungen, weil er, im Gegensatz zu Newton, keine brauchbare Theorie hatte,
Und was sein persönlicher Geschmack war, bringt er als allgemeingültige Wahrheiten vor.
@Lercherl:
Das ist sicherlich so, aber zuweilen gibt es zwei unterschiedliche Zugänge, die eben durchaus äquivalent sind. In der frühen Quantentheorie gab es doch mal so einen Fall, als sich zwei Aussagen komplett zu widersprechen schienen. Am Ende kam heraus, dass die eine sich in die andere überführen ließ und umgekehrt. Beide hatten also recht.
Für Goethe und Newton gilt das natürlich nicht, denn über Goethes Farbenlehre kann man wohl das vernichtende Urteil fällen: „Das ist noch nicht einmal falsch!“
Lerche,
Wenn du als Künstler über Farben nachdenkst, kommst du auf Filter, subtraktionsfarben, additionsfarben, Farben die sich multiplizieren wie beim Filzsstift; du redest über Transparenz und Transluzenz und über Matt und Glanz und Sättigung und Helligkeit und Farbton und über Kontraste und Bildkomposition. Wenn du die Farbe fett aufträgst redest du auch noch über Textur und Trocknungszeit.
Wenn du daraus eine physikalische Farblehre machen möchtest, dann spielst du Tennis auf dem Fußballplatz. Es geht nicht. Newton kannte vielleicht nicht die feinheiten der Kunst, Goethe verstand nicht das Werkzeug des Wissenschaftlers das Newton so meisterte dass er es weiter entwickeln konnte.
Er wollte vielleicht Newton angreifen, aber dafür muss man sich erst einmal auf das Spiel einigen – Du kannst nicht deine Kräfte messen wenn der eine mit dem Tennisschläger anrückt und der andere einen Fußball mitbringt.
In dem Sinne, ich denke nicht dass eine der beiden Künste weniger kompliziert ist als die andere, aber ich denke der Goethe fühlte sich wohl zu unrecht angegriffen und versuchte dann ein Rückspiel ohne Ahnung von den Regeln.
@Anderas
Das meinst du jetzt aber nicht ernst, oder? Goethe fühlte sich von Newton angegriffen??? Newton starb 1727 und Goethe wurde 1749 geboren.
@Lecherl
Kannst Du ein Beispiel geben, was genau „falsch“ an Goethes Ansatz ist? Und was sind die „Maßstäbe“ der Naturwissenschaft?
Ich versuche einfach nur zu verstehen, was denn genau an Goethes Ansatz nicht wissenschaftlich sein soll. Wenn ich seine Farbenlehre lese kann ich nichts finden wo ich sagen würde, da widerspricht er sich, da macht es überhaupt keinen Sinn oder das ist doch Pseudogeschwafel. Hier nur ein Beispiel:
„Wir sehen auf der einen Seite das Licht, das Helle, auf der andern die Finsternis, das Dunkle, wir bringen die Trübe zwischen beide, und aus diesen Gegensätzen, mit Hülfe gedachter Vermittlung, entwickeln sich, gleichfalls in einem Gegensatz, die Farben […] [Zweite Abteilung (Physische Farben) Absatz 175]
Mit dieser Einsicht konnte Goethe auf eine sehr eindrückliche Weise erklären, warum z.B. der Himmel tagsüber blau ist und warum die Sonne abends rot erscheint. Ich finde es eine Errungenschaft, wie er es dadurch schafft, ohne abstrakt-kryptisch-mathematische Formulierungen und Modelle einen tieferen Einblick in das Naturverständnis zu geben. Und das ganz nah am Menschen, sofort verständlich für jedermann, wenn man denn die Fähigkeit zum klaren logischen Denken etwas entwickelt hat. Und er kommt, und das ist ja so interessant daran, auf einen ganz anderen Blick auf Natur als dies bei Newton geschah.
@Stefan:
Nun, die Maßstäbe der Naturwissenschaften sind, kurz zusammengefasst folgende: Eine Theorie, die einen Bereich der Natur erklären will, muss folgenden Ansprüchen genügen:
1. Konsistenz, Widerspruchsfreiheit, Vollständigkeit so weit wie möglich;
2. Sparsamkeit der Hypothesen;
3. Überprüfbarkeit;
4. Fähigkeit, Voraussagen zu treffen.
Zur Wissenschaftlichen Methode gehört auch die ständige Überprüfung der Theorie durch Beobachtungen und Experimente: falls erforderlich, ist die Theorie zu erweitern und anzupassen, oder, falls die Theorie nicht haltbar ist, ist sie aufzugeben.
Und im Grad, wie sehr diese Kriterien erfüllt sind, trennt sich die Spreu vom Weizen. Ich kann eine Theorie der Planetenbewegung aufstellen, die besagt, dass die Götter die Planeten auf ihren Bahnen herumschieben, weil es ihnen so gefällt. Diese Theorie erfüllt die Kriterien 2 bis 4 nicht.
Nehmen wir als Beispiel einer guten Theorie einmal Newtons Farbenlehre: In seiner Optik geht es ihm primär nicht um Farben, aber letztlich gelingt es ihm, fast alle Farberscheinungen auf wenige Grundprinzipien zurückzuführen:
1. Sonnenlicht ist aus Lichtstrahlen mit unterschiedlicher Farbe und unterschiedlichem Brechungsindex zusammengesetzt. Diese einzelnen Farben nennt er „homogeneal colours“.
2. Jede beliebige Farbe ist eine Überlagerung dieser homogenen Farben und ist durch das Mischungsverhältnis eindeutig definiert.
3. Für das Farbempfinden zählt letztlich nur, was am Auge des Betrachters ankommt, wie das zustande kommt, ist egal.
4. Durch Brechung und Spiegelung ändert sich eine homogene Farbe nicht (in moderner Sprechweise: ändert sich die Wellenlänge nicht).
5. Die Farbe eines beliebigen, nicht selbst leuchtenden Körpers entsteht dadurch, dass unterschiedliche Komponenten des einfallenden Lichts unterschiedlich stark gebrochen und reflektiert werden.
Diese Prinzipien hat er sich nicht aus dem Finger gesogen, sondern durch sorgfältige Experimente untermauert. Sie haben den Test der Zeit bestanden: im Wesentlichen gelten sie heute noch genauso. Alle vier oben genannten Kriterien sind erfüllt. Beispielsweise kann ich mit diesen Prinzipien voraussagen, in welchen Farben ein gelb-blau kariertes Tuch erscheinen wird, wenn ich es in monochromatischem roten Licht betrachte: nämlich beide im selben Rotton wie die Lichtquelle, aber unterschiedlich hell.
Goethe führt, im Gegensatz zu Newtons einfachen Prinzipien, eine Vielzahl von unterschiedlichen Farbtypen wie katoptrische, dioptrische, epoptrische, paroptrische und sonst noch optrische Farben ein, denen er eine unterschiedliche Natur zuweist. Mit Mühe ist der Farbenlehre zu entnehmen, worum es sich dabei handeln soll. Damit verstößt er schon gegen 2, das Sparsamkeitsgebot.
Nun, dieser „Einsicht“ fehlt auf jeden Fall Kriterium (4): Ich kann hier nicht erkennen, welche Farben unter welchen Umständen mit Hellem auf der einen Seite und Dunklem auf der anderen und Trübem dazwischen entstehen sollen. Kriterium (3) ist prinzipiell gegeben, aber ich fürchte, diese Weisheit würde einer Überprüfung nicht standhalten. Wie sollte das experimentum crucis aussehen? Helles links (weiße Wand), Dunkles rechts (Platte mit Ruß), Trübes dazwischen (Rauch, Kalksuspension …)? Und welche Farben sollen dann wo erscheinen?
Es gibt eine eindrücklichere Erklärung, warum der Himmel tagsüber blau ist und warum die Sonne abends rot erscheint, die weder Newton noch Goethe kannten, nämlich Rayleigh-Streuung*. Diese Erklärung hat noch den großen Vorteil, dass sie richtig ist.
* https://xkcd.com/1145/
Wenn du diesen Satz auf Newton beziehen würdest**, würde ich dir begeistert zustimmen. Newtons „Opticks“ ist in keiner Weise abstrakt und kryptisch, und es kommt fast keine Mathematik darin vor. Selbst eine mathematische Null wie Goethe hätte sie begreifen können, wenn er sich ernsthaft damit auseinandergesetzt hätte.
* *Wenn ist würdelos, aber ich weigere mich „bezögest“ zu schreiben.
Und nein, Verständlichkeit ist kein Kriterium einer guten Theorie. Dass auch viele Physiker Schwierigkeiten haben, die Quantenelektrodynamik zu verstehen, spricht nicht gegen die QED. Ebenso wenig ist Einfachheit ein Kriterium eines guten Experiments. Auch hier irrt Goethe:
(Polemischer Teil, § 649)
Das ist Goethes Antwort auf Newtons Hinweis, dass Experimente mit monochromatischem Licht einen guten Kollimator erfordern (um es in moderner Ausdrucksweise zu formulieren). Newton hatte natürlich keine Farblaser, daher konnte er annähernd monochromatisches Licht nur durch primitive Kollimatoren erzeugen, etwa mit der Stecknadel gestochene Löcher in Bleiplatten. Goethe fehlt hier jedes Verständnis für Experimentalphysik: Wenn ich die Eigenschaften von monochromatischem Licht untersuchen will, dann muss ich eben monochromatisches Licht so gut wie es geht annähern. Und ja, Experimente sind manchmal schwierig, umständlich und aufwendig.
Wenn ich eine neue Theorie aufstelle, so muss sie nach den obigen Kriterien mindestens genau so gut sein wie eine bereits bestehende, sonst hat sie keine Daseinsberechtigung: Sie kann etwa mehrere Einzelbeobachtungen durch ein gemeinsames Grundprinzip erklären, sie kann etwas erklären, was bisherige Theorien nicht erklären können usw.
Goethes Theorie, 100 Jahre nach Newton, versagt hier kläglich.
@Lercherl
Ich glaube nicht, dass es Goethes Ziel war, eine im Sinne Newtons „ebenbürtige“ Theorie aufzustellen, d.h. das Wesen des Lichtes und der Farben in mathematisch-abstrakter Weise erfassen zu wollen.
Soweit ich Goethe verstanden habe ging es ihm darum, Wissenschaft direkt beim Menschen zu halten, d.h. den Fokus auf die Ausbildung der menschlichen Sinne zu setzen, nicht aber auf die Abstraktion und das Experiment. Dass er es geschafft hat, mit diesem Ansatz tiefer liegende Gesetzmäßigkeiten in der Natur zu erkennen (Urphänomene) zeigt doch zumindest, dass es auch andere Wege des wissenschaftlichen Erkennens gibt als den der Newtonschen „Modellierung“ der Welt.
Dass es lebensnotwendig ist, auch diese anderen Wege des Erkennens zu akzeptieren, zu erforschen und zu praktizieren, hat z.B. Werner Heisenberg sehr klar auf den Punkt gebracht:
„Gleichzeitig sind die Gefahren [ausgelöst durch das technisch-naturwissenschaftliche Weltbild] so bedrohlich geworden, wie Goethe es vorausgesehen hat. Wir denken etwas an die Entseelung, die Entpersönlichung der Arbeit, an das Absurde der modernen Waffen oder an die Flucht in den Wahn, der die Form einer politischen Bewegung angenommen hat. […] Wir werden von Goethe auch heute noch lernen können, dass wir nicht zugunsten eines Organs, der rationalen Analyse, alle andern verkümmern lassen dürfen; dass es vielmehr darauf ankommt, mit allen Organen, die uns gegeben sind, die Wirklichkeit zu ergreifen und sich darauf zu verlassen, dass diese Wirklichkeit dann auch das Wesentliche, das <<Eine, Gute, Wahre>> spiegelt. Hoffen wir, dass dies der Zukunft besser gelingt, als es unserer Zeit, als es meiner Generation gelungen ist“
(Quelle: Das Naturbild Goethes und die technisch-naturwissenschaftliche Welt; in: Jahrbuch der Goethe-Gesellschaft; 29ter Band, 1967)
@Stefan
Klar, Wissenschaft und Ethik ist besser als Wissenschaft alleine. Aber man muss aufpassen, wie man argumentiert. Schlimmstenfalls verliert man beide aus dem Blickfeld und argumentiert nur auf die Person bezogen.
Da ist der eine ganz toll, auch wenn er klar wissenschaftliche Fehler gemacht hat, oder der andere, auch wenn er klar unethisch gehandelt hat. Und wenn man solche Entschuldigungen erst man akzeptiert hat, dann wird man schließlich auch Leute bewundern, die sowohl wissenschaftlich als auch ethisch Nullen sind…
Bei seinen prismatischen Experimenten sah Newton nicht die Farben des Regenbogens. Das Newton-Spektrum hat auf der einen Seite die Farbe Rot und auf der anderen Violett, und es ist auf beiden Seiten von Dunkelheit begrenzt. Der Regenbogen zeigt von außen her nach „Alexanders“ dunklem Band auch zunächst die Farbe Rot, aber die innerste Farbe ist Purpur und geht nach innen in Helligkeit über.