Es ist erstaunlich wie viel wir wie lange nicht gewusst haben. Zum Beispiel wo sich das Zentrum unserer Milchstraße befindet und wie es dort aussieht. Zum Glück hat der Astronom Walter Baade in den 1940er Jahren ein Fenster gefunden, dass einen ersten Blick erlaubte…

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Sternengeschichten Folge 234: Baades Fenster

Angesichts all dessen was wir heute über die Sterne und das Universum wissen kann man leicht vergessen, wie lange wir nichts gewusst haben. Und dass viele große und relevante Entdeckungen über unsere kosmische Umgebung noch gar nicht so lange her sind wie man vielleicht denkt.

Die Astronomie hat lange Zeit unter einem Mangel an Technik gelitten. In all den Jahrtausenden bis zum 17. Jahrhundert konnte man den Himmel nur mit freiem Auge betrachten. Und selbst mit der Erfindung des Teleskops vor wenig mehr als 400 Jahren war es noch ein weiter Weg. Man sah jetzt zwar viel mehr Sterne als zuvor, wusste aber immer noch nicht um was es sich dabei handelt. Die Astronomen konnten im Wesentlichen nicht viel mehr machen als die Position, Farbe und Helligkeit der leuchtenden Punkte am Himmel aufzuzeichnen. Ab dem 19. Jahrhundert und so richtig eigentlich erst seit den modernen Entdeckungen von Albert Einstein und seinen Kollegen über die Struktur der Atome und die Natur der Gravitation in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Erst seit damals fingen die Astronomen an zu verstehen, was im Inneren der Sterne vor sich geht und wie diese Dinger funktionieren.

Wir wissen erst seit knapp 100 Jahren das es im Universum nicht nur Sterne gibt sondern das diese Sterne sich in Galaxien zusammengefunden haben von denen unsere Milchstraße nur eine von unzähligen ist. Erst seit damals – wie ich in Folge 49 der Sternengeschichten erzählt habe – wissen wir auch, dass sich unsere Sonne nicht im Zentrum der Milchstraße befindet.

Blick ins Zentrum der Galaxis (Hubble: NASA, ESA, and Q.D. Wang (University of Massachusetts, Amherst); Spitzer: NASA, Jet Propulsion Laboratory, and S. Stolovy (Spitzer Science Center/Caltech))
Blick ins Zentrum der Galaxis (Hubble: NASA, ESA, and Q.D. Wang (University of Massachusetts, Amherst); Spitzer: NASA, Jet Propulsion Laboratory, and S. Stolovy (Spitzer Science Center/Caltech))

Und wie es im Zentrum der Milchstraße wirklich aussieht, wissen wir auch noch nicht so lange. Im Juli 1946 veröffentlichte der Astronom Walter Baade einen wissenschaftlichen Artikel mit dem Titel: „Die Suche nach dem Kern unserer Galaxie“. Dieser Titel demonstriert das Nichtwissen hervorragend: Wenn man das Zentrum der Galaxie erst suchen muss, dann kann man noch nicht allzu viel darüber wissen.

Aber Walter Baade war in einer guten Situation mehr darüber herauszufinden. Er wurde 1893 in einem kleinen Dorf in Nordrhein-Westfalen geboren und arbeitete nach seinem Studium an der Hamburger Sternwarte. 1931 wechselte er an das Mount-Wilson-Observatorium in den USA. Als dort nach Ausbruch des zweiten Weltkriegs die amerikanischen Astronomen für militärische Forschung eingezogen wurden, blieb Baade als Ausländer übrig und konnte das riesige Teleskop fast allein für seine Forschung benutzen. Er war an der Vermessung der Milchstraße interessiert und suchte dafür nach veränderlichen Sternen die er zur Entfernungsmessung benutzen konnte (wie das geht habe ich schon in Folge 20 der Sternengeschichten erklärt).

Das Problem das man damals bei der Untersuchung der zentralen Regionen der Milchstraße hatte ist das gleiche, das man heute immer noch hat. Unser Sonnensystem befindet sich in den äußeren Regionen, in einem der Spiralarme die das Zentrum in einer flachen Scheibe umgeben. Die Sterne die wir am Himmel mit freiem Auge sehen können gehören so gut wie alle zu unserer Umgebung und zeigen, wie unsere Nachbarschaft aussieht: Viele Sterne die vergleichsweise weit voneinander entfernt sind und zwischen denen sich so gut wie nichts als leerer Raum befindet. Deswegen sehen wir ja auch lauter einzelne Lichtpunkte und dazwischen nur dunklen Himmel.

Wie sich uns der Himmel darbietet kommt aber auch darauf an in welche Richtung wir blicken. Schauen wir von unserem Beobachtungspunkt am Rand der Milchstraßenscheibe nach „oben“ oder „unten“ beziehungsweise schauen wir „hinaus“, also dorthin wo unsere Galaxie aufhört, dann sehen wir das, was ich vorhin beschrieben habe: Wenig Sterne mit viel freiem Raum dazwischen.

Schauen wir allerdings zurück in die Richtung in der sich der große Rest der Scheibe und irgendwo auch das Zentrum der Milchstraße befindet, dann sehen wir sehr viel mehr Sterne. So viele Sterne, dass sie mit freiem Auge gar nicht mehr als einzelne Objekte zu erkennen sind sondern uns als milchig-nebliges weißes Band am Himmel erscheinen. Dieses Band hat man schon in der Antike die „Milchstraße“ genannt und von ihm hat unsere Galaxie auch ihren Namen bekommen.

Irgendwo dort in diesem Band muss sich das Zentrum der Milchstraße befinden – aber wo genau, das war lange unklar. Denn in den inneren Regionen unserer Galaxie stehen nicht nur die Sterne viel dichter beieinander als in unserer Umgebung. Dort befindet sich zwischen den Sternen auch jede Menge Staub. Und dieser kosmische Staub hat die unangenehme Eigenschaft, das sichtbare Licht zu absorbieren. Er verstellt uns den Blick und wir sehen nicht was dahinter ist.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben die Astronomen gelernt auch den Rest des elektromagnetischen Spektrums für ihre Beobachtungen zu verwenden. Sie entwickelten Röntgenteleskope, Radioteleskope, Infrarotteleskope und so weiter und mit diesen Geräten waren sie in der Lage durch die Staubschicht hindurch in Richtung des galaktischen Zentrums zu schauen. Walter Baade hatte diese Möglichkeit in den 1940er Jahren allerdings nicht.

Bei seiner Beobachtung des Himmels entdeckte er aber etwas, das heute nach ihm „Baades Fenster“ genannt wird. Es handelt sich dabei um eine Region im Sternbild Schütze die ungefähr doppelt so groß wie der Vollmond ist. Dort, genau in der Blickrichtung in der man das galaktische Zentrum vermutete, gab es eine Lücke im Vorhang aus Staub. Es war tatsächlich ein Fenster durch das Baade einen ungestörten Blick auf die innersten Regionen der Milchstraße werfen konnte.

Und dort fand er ein paar Sterne von der genau der richtigen Sorte; Sterne die ihre Helligkeit nach bekannten Gesetzmäßigkeiten veränderten und aus deren Beobachtung er ihre Entfernung bestimmen konnte. So konnte er einen wirklich guten Wert für die Entfernung zwischen der Sonne und dem galaktischen Zentrum bestimmen: 27.000 Lichtjahre berechnete Baade damals; heute schätzt man die Entfernung dank genauerer Messungen auf etwa 26.000 Lichtjahre ein.

Baades erster Blick durch das staubfreie Fenster auf das Zentrum der Milchstraße war natürlich erst der Anfang. In den Jahrzehnten danach haben wir den Kern der Galaxis immer besser kennengelernt und können mittlerweile ja auch all die anderen Beobachtungstechniken nutzen. Radio- und Röntgenteleskope haben uns zum Beispiel gezeigt dass sich dort ein supermassereiches schwarzes Loch befindet und auch der Rest der Erforschung der galaktischen Zentralregion passiert hauptsächlich mit Teleskopen die Licht registrieren können das durch den Staub nicht beeinflusst wird.

Baades Fenster im Sternbild Schütze (Bild: NASA, ESA, Z. Levay (STScI) and A. Fujii)
Baades Fenster im Sternbild Schütze (Bild: NASA, ESA, Z. Levay (STScI) and A. Fujii)

Baades Fenster hat seinen Wert aber trotzdem nicht verloren. In den letzten Jahren haben zum Beispiel Wissenschaftler die auf der Suche nach den Planeten anderer Sterne sind die Lücke im Staub genutzt um herauszufinden, ob und welche dieser Planeten man bei den Sternen der zentralen galaktischen Regionen finden kann. Und auch in Zukunft werden die Astronomen immer wieder durch Baades Fenster schauen um die vielen Geheimnisse zu lüften die das weit entfernte Innere unserer Milchstraße immer noch für uns bereit hält. Aber das ist ein Thema für eine andere Folge der Sternengeschichten.

13 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 234: Baades Fenster“
  1. Entschuldigung, aber liegt nicht unser Sonnensystem nach aktuellem Kenntnisstand außerhalb aller großen Spiralarme? Und ist das nicht auch sehr vorteilhaft, weil doch die Helligkeit der Spiralarme daher rührt, dass sich in ihnen jede Menge Sternentstehungsgebiete befinden?

    Oder habe ich da etwas falsches im Gedächtnis?

  2. @tomtoo

    Heul‘ mal nicht zu laut: wie Captain E. schon andeutete, sind die Spiralarme deshalb so hell, weil dort Sterne entstehen, unter anderem massive blaue, die trotz ihres geringen Anteils an der Gesamtpopulation von unter 1 Promille die Arme erst zum Leuchten bringen und sichtbar werden lassen – und am Ende ihres sehr kurzen Lebens als Supernova explodieren. Vor ein paar Tagen habe ich gelesen, dass nach einer neuen Studie eine Supernova doppelt so weit wie bisher angenommen ein Massensterben auf der Erde auslösen kann: bereits in 50 Lichtjahren Entfernung. Hier zwischen den Spiralarmen ist der nächste Kandidat Beteigeuze mit der mehr als zehnfachen Entfernung. Aber in einem Spiralarm kann so ein Stern auch mal weniger weit entfernt sein.

    Die schlechte Nachricht ist, dass die Position der Sonne und der anderen Sterne relativ zu den Spiralarmen nicht fest ist, sondern dass diese die Sonne immer wieder ein- und überholen, weil sie eben keinen festen Sternen zugeordnet sind, sondern einer Dichtewelle, die das Gas der Milchstraße komprimiert und Sterne entstehen lässt. Eine Art Regensprenger, hinter dem dann die Blumen aufblühen, sehr bildlich gesprochen. Also war und wird sich die Sonne auch wieder in einem Spiralarm aufhalten.

    Die gute Nachricht ist, bis dahin sind wir alle schon lange Humus…

  3. @tomtoo:

    Tja, stehst du wirklich darauf, von hochenergetischer Gamma- und Partikelstrahlung bestrichen zu werden? So etwas kommt in Sternentstehungsgebieten durchaus schon einmal vor.

  4. Sind die Spiralarme nicht deswegen so hell, weil die hellsten Sterne eben die massivsten sind – wodurch sie nicht so alt werden – wodurch sie sich nicht allzuweit von ihren Entstehungsgebieten in den Spiralarmen entfernen? Für ältere Sterne dürfte eine Position wie die unseres Sonnensystems nicht so ungewöhnlich sein.

  5. Ok, Ok ich höre ja schon auf. War ja eh schon immer der Meinung: Besser in der dunkelsten Kneipe als am hellsten Arbeitzplatz.

    ; )

  6. @Alderamin

    Der Artikel ist spannend. Was ich aber gar nicht verstehe ist diese Aussage: „the radiation could even reach one kilometer deep into the ocean.“

    ???

  7. @tomtoo

    Sorry, keine Ahnung, was das für Strahlung sein soll, die so tief ins Wasser geht. 1 MeV-Gammastrahlung hat im Wasser eine Halbwertsstrecke von 10 cm, sagt die Wikipedia. Supernovae erzeugen Gammastrahlung bei der Kernfusion und anschließend durch Zerfall der entstandenen instabilen Isotope, die sind normalerweise nicht so irre hochenergetisch wie Teilchen aus den Kernen aktiver Galaxien (Stichwort „oh my god particle“). Neutrinos gehen natürlich komplett durch die Erde und können einen in hinreichender Nähe zur Supernova auch grillen (laut „what if?“-Seite), aber dazu muss man dann schon weniger als 1 AU von der Supernova entfernt sein, da hat man sowieso andere Probleme.

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