2017 gibt es kein großes wissenschaftliches Jubiläum zu feiern; es gibt auch keine Jahreswidmung mit wissenschaftlichem Bezug. 2017 steht dafür ganz im Zeichen der religiösen Reformation. Vor 500 Jahren, am 31. Oktober 1517, soll Martin Luther seine berühmten 95 Thesen an der Schloßkirche von Wittenberg angeschlagen haben. Von der ganzen Sache mag man halten was man möchte; unbestreitbar ist allerdings dass Luther mit seiner Reformation den Verlauf der Weltgeschichte maßgeblich beeinflusst hat. Insofern ist es auch angebracht und gerechtfertigt, sich 500 Jahre danach ausführlich damit zu beschäftigen.
Die religiösen Debatten überlasse ich anderen (und diese anderen dürfen sich gerne auch mit den vielen schlechten Charaktereigenschaften Luthers auseinandersetzen). Ich möchte mich heute mit der Verbindung zwischen Luther und einem anderen seiner prominenten Zeitgenossen beschäftigen: Nikolaus Kopernikus.
Der polnische Astronom veröffentliche im Jahr seines Todes 1543 das Werk „De revolutionibus orbium coelestium“ in dem er ein Universum beschrieb, in dessen Zentrum sich die Sonne befand und nicht die Erde. Das heliozentrische Weltbild des Kopernikus entsprach zwar nicht unbedingt der Realität, war aber ein großer Schritt vorwärts zu einem korrektem Verständnis des Kosmos. Der Streit, der darüber zwischen Wissenschaftlern und der Kirche ausbrach, ist bekannt und gut dokumentiert. Aber nicht nur der Papst in Rom hat sich gegen das heliozentrische Weltbild ausgesprochen. Auch Martin Luther hatte einiges zu Kopernikus zu sagen:
„“Dieser Narr will die ganze Kunst Astronomiae umkehren,“
wird Luther zitiert. Und als Argument für die Fehlerhaftigkeit des heliozentrischen Weltbildes führt Luther die Bibel an: „Aber Josua hieß die Sonne stillzustehen und nicht das Erdreich.“
Diese Geschichte über Luther und seine Verhöhnung des Kopernikus hört man oft und ich muss zugeben, dass ich bis vor kurzem selbst noch davon überzeugt war, dass sie der Wahrheit entspricht. Das scheint allerdings nicht der Fall zu sein!
Das Kopernikus-Zitat stammt aus einer von Luthers Tischreden und soll 1539 gefallen sein. In gedruckter Form liegen diese Rede aber erst Jahrzehnte später vor und Johannes Goldschmidt, der das 1566 getan hat, war damals nicht dabei, als Luther die Rede gehalten haben soll. Im lateinischen Originaltexte der Tagebücher von damals tatsächlich anwesenden Zeitzeugen findet sich nichts über Luthers Aussagen zu Kopernikus; es finden sich eigentlich gar keine Äußerungen des großen Reformators über die Fortschritte in der Astronomie.
Der Physiker und Wissenschaftshistoriker Andreas Kleinert von der Universität Halle nennt die Geschichte von Luthers Konflikt mit Kopernikus sogar eine „handgreifliche Geschichtslüge“. Er hat die Episode ausführlich erforscht und eine Facharbeit publiziert (die allerdings nicht frei zugänglich ist und die ich daher auch nicht komplett gelesen habe). Er weist nach, dass die antikopernikanische Einstellung Luthers viel eher eine Erfindung katholischer Historiker des 19. Jahrhunderts war. Franz Beckmann und Franz Hipler machten Luther zu einem Gegner der wissenschaftlichen Revolution des 16. Jahrhunderts; vermutlich um die Position der katholischen Kirche zum Heliozentrismus nicht ganz so schlecht aussehen zu lassen. Und als dann 1884 das Luther-Zitat auch in der wichtigen Kopernikus-Biographie von Leopold Prowe auftauchte, war es quasi offiziell. Aber trotzdem falsch – so geht’s eben oft in der Geschichte…
Wer sich allerdings tatsächlich und nachweislich zum heliozentrischen Weltbild geäußert hat, war Luthers Weggefährte Philipp Melanchthon. Der „Lehrer Deutschlands“ hat sich zu allem möglichen geäußert und in seiner Schrift „Initia doctrinae physicae“ (die zwar im lateinischen Original frei zugänglich ist, in deutscher Übersetzung aber kaum erhältlich) auch über die kopernikanische Lehre. Darin bezeichnete er Kopernikus‘ Arbeit nur als Wiederholung dessen, was schon Aristarch von Samos in der Antike postuliert hatte. Kopernikus konnte von Aristarchs Arbeit allerdings nichts wissen, denn darüber wird nur in den Werken von Archimedes berichtet und die wurden erst ein Jahr nach dem Tod von Kopernikus auf Latein veröffentlicht und zugänglich gemacht.
Was das astronomischen Weltbild angeht, gab es also keinen dramatischen Konflikt zwischen den religiösen und wissenschaftlichen Reformatoren. Was nicht heißt, dass die Protestanten im Laufe der Zeit nicht auch ihre Probleme mit den Erkenntnissen der Wissenschaft hatten. Oder immer noch haben: Es sind auch die religiösen Erben Martin Luthers die – vor allem in den USA – einen fundamentalistischen Kreationismus vertreten oder den Klimawandel ignorieren.
Die Spannungen zwischen Kirche und Wissenschaft werden so schnell nicht verschwinden. Aber eines ist sicher: Die Erkenntnisse der Forscherinnen und Forscher haben die Welt in den letzten 500 Jahren mindestens so stark (wenn nicht sogar stärker) beeinflusst wie die Aktionen des religiösen Reformators Luther.
Schöner Artikel! Dem falschen Zitat war ich auch aufgesessen. Schon interessant, wie lange sich so eine Falschinformation halten kann. Sicher wird Luther so auch morgen noch zitiert. Danke für die Aufklärung!
Ich habe das Buch von Melanchthon jetzt nicht von Anfang bis Ende gelesen, aber Kopernicus wird anscheinend nirgends namentlich erwähnt. Hier ist der relevante Ausschnitt über die Bewegung von Sonne und Erde (Seite 62/63):
Ich übersetze das einmal so:
@Lercherl
Danke für die aufschlussreiche Übersetzung.
Das Lutherzitat zu Kopernikus war mir auch bekannt (und bestens geeignet für meine Filterblase). Danke @Florian für die Aufklärung!
@Lercherl
Coole Übersetzung
Unterrichtest du Latein? 🙂
Sehr informativer Artikel!
Tatsächlich? … 🙂
—————–
@ Lercherl # 2
Danke für die Übersetzung.
als
verstand ich zuerst nicht ganz.
Sollte hier „arena“ sinngemäss nicht besser als „Bahn“ übersetzt werden?
(arena = sandbestreute Kampfbahn im Amphitheater, dh die runde Bahn)
Meinte ich.
Aber halt! Bei weiterem Suchen habe ich dann herausgefunden, dass von Archimedes eine Schrift stammt, überliefert von Aristarchos:
Die Sandrechnung, griechisch transkribiert Psammites, lateinisch Arenarius. Inhalt: Darstellung beliebig großer Zahlen, Heliozentrisches Weltbild des Aristarchos von Samos.
(wiki)
Dazu dann noch einen interessanten Artikel von A.A. Gächter gefunden: Die Sandzahl des Archimedes.
„Das heliozentrische Weltbild des Kopernikus entsprach zwar nicht unbedingt der Realität“
Forschung, die Entwicklung eines Weltbildes, das geschieht doch schrittweise (iterativ). Man kann doch nicht erwarten, daß ein Einziger durch eine Entdeckung das Weltbild von vor 500 Jahren auf unseren heutigen Stand bringt. Deshalb halte ich es für unfair, zu betonen, was er alles nicht gefunden hat. Er hat das nach ihm benannte heliozentrische kopernikanische Weltbild wiederentdeckt, ohne Aristarch von Samos zu kennen. Das war eine große Leistung, auch wenn die Zeit dafür reif war. Und ich glaube, wenn Kopernikus das nicht herausgefunden hätte, dann wären Tycho Brahe oder Kepler darauf gekommen.
Kopernikus, das war vortelekopisches Zeitalter. Die notwendige Genauigkeit um die Ellipsenbahnen der Planeten sicher zu bestätigen, haben erst Tycho Brahe und Kepler gehabt, obwohl sie auch keine Telekope hatten.
Unser heutiges Weltbild ist mit Sicherheit auch nicht komplett korrekt. Und ich sehe zukünftige Generationen lächeln und fragen „Wie konnten die damals nur an so einen Unsinn glauben ?“ Das wird mit Sicherheit so kommen. Und ich hoffe, sie werden uns in guter Erinnerung an unseren Erkenntnissen messen, und nicht an dem, was wir noch nicht erkannt haben !
@Jürgen A.
Kepler war Zeitgenosse von Galilei und hat das Fernrohr nicht nur gekannt, sondern auch entscheidend verbessert. Ob er damit auch konkret Astronomie betrieben hat, entzieht sich meiner derzeitigen Kenntnis (Info willkommen), aber diese eine Erbse wollte ich doch gezählt wissen :]
@ Dampier
Entschuldigung ! Du hast natürlich recht. Ich war auf Kepler nur gekommen, weil er ja als Brahes Erbe gilt. Als derjenige, der Brahes Datensammlung ausgewertet hat.
@Lercherl:
Schöne Übersetzung. Hier nur ein paar Korinthen 🙂
‚disputarunt‘ ist hier wohl besser als ’sie wenden ein‘ übersetzt.
Vergessen: „Terram enim inter sidera collocant“
Sie (Kopernikus & Fans) versetzen die Erde nämlich unter die Himmelskörper.
„Et quamvis eluduntur Physica argumenta, quae ostendunt terram non moveri“
Und so sehr es auch an physikalischen Beweisen mangelt, die klar zeigen, dass sich die Erde nicht bewegt…
Und mit diesen von Brahe vorteleskopisch geduldig ermittelten Daten die ellipsenförmigkeit der Planetenbahnen erkannt hat.
“ Im lateinischen Originaltexte der Tagebücher von damals tatsächlich anwesenden Zeitzeugen findet sich nichts über Luthers Aussagen zu Kopernikus; es finden sich eigentlich gar keine Äußerungen des großen Reformators über die Fortschritte in der Astronomie.“
Wenn ich es richtig sehe, geht es um Luthers Tischrede vom 4.6.1539. Die frühere und gegenüber Goldschmidts Fassung verlässlichere Quelle ist wohl das Tagebuch von Anton Lauterbach. Allerdings setzt sich Luther – mit geringen Abweichungen von Goldschmidts Version – auch hier mit dem heliozentrischen Weltbild auseinander. Zum Vergleich: https://www.cairn.info/revue-des-sciences-philosophiques-et-theologiques-2006-3-page-409.htm
Wessen Tagebuch ist denn im Artikel mit“lateinischem Originaltext“ gemeint?
@Karl-Heinz:
Nein (abgesehen von ein paar Lateinkursen, die ich vor vielen Jahren abgehalten habe).
@Withold Ch.
Die Sand-Rechnung des Archimedes gibt es zum Beispiel hier in englischer Übersetzung: https://archive.org/stream/worksofarchimede00arch#page/220/mode/2up.
Melanchthon gibt ganz richtig wieder, was Archimedes über Aristarch und sein heliozentrisches Weltbild schreibt.
Für Nichtlateiner: „Aurifaber“ im link ist der latinisierte Goldschmidt.
@Jürgen A.
Jo, für seine Ellipsen hat er kein Teleskop benutzt. Kleine Spitzfindigkeit meinerseits – ich denke, wir sind uns einig :]
@wereatheist
Danke für deine Korrekturen, du hast ganz recht. Bei „disputarunt“ ist mir gar nicht aufgefallen, dass danach mit „moveri terram“ die Ansicht der Kopernikaner angegebenen wird, also passt in dem Kontext „bestreiten“ wirklich nicht.
Auch ich habe das Luther-Zitat bisher für authentisch gehalten. Daher war der Beitrag wieder sehr aufschlussreich. Im Wikipedia-Artikel „Heliozentrisches Weltbild“ ist das Zitat übrigens nach wie vor zu finden.
Aber: Wäre es Luther zu verdenken, wenn er es wirklich gesagt hätte?
Was würde das beweisen?
Luther = rückständige Kirche
Kopernikus = fortschrittlicher Geist
Heute sind wir schlauer und wissen, dass nicht die Erde im Zentrum des Universums steht. Aus damaliger Faktenlage würden wir aber wahrscheinlich alle, die gerade diesen Blog lesen, sagen: Kopernikus hat unrecht.
Wie lange das geozentrische Weltbild etablierter Standard war, kann man in etwa am mittelalterlichen Astronomie-Bestseller „Tractatus de Sphaera“ von Johannes de Sacrobosco ablesen. Dieses Werk wurde 1230 verfasst und als Standard-Lehrbuch immer wieder neu aufgelegt, bis etwa 1650 – also sogar noch lange nach Kepler.
@Heljerer
Interessanterweise scheint Melanchthon (#2) sich vorab rechtfertigen zu wollen, indem er sich an potenzielle Kritiker wendet:
Das heißt für mich, dass es damals schon eine Debatte gab (auch wenn die hier genannten „spitzfindigen Forscher“ mit Blick auf die Kirche sicher extrem vorsichtig sein mussten). Das heißt aber auch, dass man es auch damals schon – wenn man sich denn damit befasste – schon hätte „besser“ wissen können. Insofern möchte ich durchaus dem ein oder anderen Forenten auch nach „damaliger Faktenlage“ eine kritische Haltung zubilligen ;))
@Dampier
Ich denke, die Frage ob man damals überhaupt auf die Idee kam, das geozentrische Weltbild anzuzweifeln, hing vor allem davon ab, welchem der großen Philosophen man zuneigte: Aristoteles oder Platon
Als Aristoteliker konnte man gar nicht am geozentrischen Weltbild zweifeln, ohne die gesamte philosophische Lehre aufzugeben. Der Lehrplan in Sachen Astronomie an den Universitäten war aristotelisch geprägt.
Mit Platon war die heliozentrische Lehre sehr wohl vereinbar. (Siehe später Kepler)
Man darf darüber hinaus nicht vergessen, dass viele Anhänger des Heliozentrismus dies gar nicht aus „naturwissenschaftlichen“ Gründen waren, sondern eher aus philosophischen, vielleicht sogar esoterischen Gründen.
Die Gleichungen
geozentrisch = rückständig
heliozentrisch = fortschrittlich
stimmen daher so nicht.
Galilei gehört z.B. zu den späteren „wissenschaftlichen“ Anhängern, Giordano Bruno zu den „esoterischen“ Anhängern der heliozentrischen Theorie.
Ich habe mir darüber schon häufiger Gedanken gemacht, wie ich mich persönlich damals (1543) entschieden hätte:
Die Erde steht Mittelpunkt des Universums!
Kopernikus‘ System ist allenfalls ein hypothetisches Modell.
@Heljerer
Das war mir so nicht klar, danke für die Info.
Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht wäre ich ja auch ein „spitzfindiger Forscher“ geworden …
@Heljerer
Das denke ich auch.
Mitte des 16. Jahrhunderts hatte das heliozentrische Weltbild noch nicht allzu viel für sich. Das Modell des Kopernikus war ja nicht wesentlich einfacher oder eleganter als das ptolemäische: er brauchte ebenfalls Epizykel, zwar nicht als Erklärung für die retrograde Planetenbewegung aber die ungleichmäßige Bahngeschwindigkeit konnte auch er nicht anders erklären.
Dazu kam das alte Problem der nicht beobachtbaren Fixsternparallaxe. Jedes heliozentrische Modell mußte die Fixsterne in eine Distanz rücken, die uns heute selbstverständlich erscheint, aber in der damaligen Zeit eigentlich absurd wirken mußte. Man glaubte ja, daß der ganze Kosmos nur aus Erde, Sonne, Mond, fünf (für Heliozentriker: weiteren) Planeten sowie der Fixsternsphäre bestehe; daß da zwischen Saturn und der 8. Sphäre eine unvorstellbar große Lücke klaffen sollte – das mußte zutiefst unlogisch erscheinen.
Und wesentlich genauere Vorhersagen gestattete das kopernikanische Modell meiner Kenntnis nach auch nicht. Es gab also keinen zwingenden oder auch nur guten Grund, das allseits akzeptierte „Standardmodell“ über Bord zu werfen.
Ernsthaft in Bedrängnis kam das ptolemäische Modell ja erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts: das Teleskop ermöglichte die Beobachtung der Phasen von Venus (1610) und Merkur (1639) und das keplersche Modell (1609) mit seinen elliptischen Umlaufbahnen deklassierte die Konkurrenz hinsichtlich der Vorhersagegenauigkeit. Die nach wie vor nicht zu messende Fixsternparallaxe blieb ein Problem, aber zumindest hatte Kepler jetzt sehr gewichtige Argumente für sich.
Aber wer mehr als ein halbes Jahrhunder früher, anno 1543 nicht so recht an das Modell des Herrn Kopernikus glauben wollte, der hatte eigentlich alle wissenschaftlich fundierten Argumente für sich…
Das ein schönes Beispiel, sich mal zu überlegen, was es wohl bedeuten würde, wenn die von vielen Politiker geforderten Gesetze gegen „Fake-News“ Realität würden.
Es ist ja nicht nur Martin Luther, dem Worte und Handlungen angedichtet werden, die nicht stimmen. Ich denke da etwa auch an Grigori Alexandrowitsch Potjomkin, dem im Rahmen einer Verleumdungskampagne angedichtet wurde, Attrappen von Häusern aufgestellt zu haben, die sogenannten „Potemkinsches Dörfer“. Diese Verleumdungskampagne hält bis in die heutige Gegenwart an.
Beim Nachdenken über das heliozentrische Weltbild kommt in den Sinn, daß man als „Fake-News“ ja nicht nur Falschbehauptungen zu Einzelpersonen verbieten will, sondern ganz allgemein falsche Tatsachenbehauptungen. Man will ja damit zum Beispiel falsche Statistiken über das Verhalten von Bevölkerungsgruppen unterbinden.
Ein einzelnes Wort wie etwa „Sonnenaufgang“ ist sicherlich als feststehender Begriff zu sehen, aber die ausformulierte Tatsachenbehauptung „Die Sonne geht auf“ müsste ja unter den Begriff „Fake-News“ fallen. Es könnte also demnächst sein, daß der Satz „Das Liebespaar betrachtete den Sonnenuntergang“ zulässig ist, wohingegen ein Text, in dem der Satz „Das Liebespaar genoß den Anblick, wie die Sonne im Meer unterging“ vorkommt, unverzüglich gelöscht werden muß.
Aber was ist, wenn es sich um einen literarischen Text handelt? Wenn es das Liebespaar gar nicht gibt, sondern es frei erfunden ist, darf dann auch frei erfunden werden, daß das geozentrische Weltbild die Realität ist? Und wie soll jemand, der in einem sozialen Netzwerk in Akkordarbeit über Löschen oder Nicht-Löschen entscheiden muß, das beurteilen?
Ja, da hat mich nun dieser Text über Martin Luther anhand von Assoziationen und logischen Verknüpfungen letzten Endes zu ganz anderen Themen gebracht. Aber so funktioniert ein Mathematikergehirn 🙂
@Florian
Mit dem lateinischen Originaltext dürfte Kleinert bzw. Du im Artikel wohl das Tagebuch von Anton Lauterbach als Primärquelle meinen, dieser soll bei dem Gespräch tatsächlich dabeigewesen sein. In seinem Tagebuch heißt es:
„De novo quodam astrologo fiebat mentio, qui probaret terram moveri et non coelum, solem et lunam, ac si quis in curru aut navi moveretur, putaret se quiescere et terram et arbores moveri. Aber es geht jetzunder also : Wer do will klug sein, der sol ihme nichts lassen gefallen, was andere achten ; er mus ihme etwas eigen machen, sicut ille facit, qui totam astrologiam invertere vult. Etiam illa confusa tamen ego credo sacrae scripturae, nam Iosua iussit solem stare, non terram.“
Danach hat Goldschmidt/Aurifaber also später hinzuerfunden, dass Luther Kopernikus als Narr bezeichnete. Wohl aber stimmen beide Fassungen in dem Josua-Zitat überein, was die ablehnende Haltung Luthers gegenüber dem heliozentrischen Weltbild belegt, angesichts Luthers Orientierung an der Bibel aber auch nicht verwundert. Positiv sieht Luther, wenn man Lauerbachs Wiedergabe Glauben schenkt, lediglich die eigenständige Denkweise des Astronomen.
Luther war Kopernikus‘ Lehre also im Ansatz bekannt; weiter als in jenem Gespräch scheint er sich allerdings nicht mit astronomischen Dingen befasst zu haben.
@Daniel Rehbein
Deinen Beitrag zum Thema Verbot von Fake-News kommentiere ich mit meinem Ingenieur-Gehirn in Richtung deines Mathematiker-Gehirns ganz entspannt:
Juristen ticken da ganz anders. Die kriegen das mit mit ihrem Juristen-Gehirn schon irgendwie hin.
@Epikouros
Allem, was du geschrieben hast, würde ich ohne Einschränkung zustimmen.
Ergänzend dazu vieleicht noch, warum nach aristotelischer Standard-Philosophie die Erde im Zentrum stehen muss:
Das Universum wurde als kugelförmig mit eindeutigem Mittelpunkt gedacht. (Also nicht der Newtonsche dreidimensionale richtungslose Schachtelraum.) Auch Kopernikus hat sich das Universum noch so vorgestellt. Den 4 Elementen Erde-Wasser-Luft-Feuer wurde in einer absoluten Weise Schwere oder Leichtigkeit zugeschrieben. (Also nicht in der Weise, dass sich die Stoffe durch ihre Dichte = Masse/Volumen unterscheiden.) Erde und Wasser waren schwer. Schwere Körper strebten Aristoteles zufolge in Richtung Mittelpunkt des Universums. Luft und Feuer waren leicht und strebten vom Zentrum weg. Dadurch ergab sich eine ganz natürliche Schichtung der Elemente. Die Erde als Kugel in der Mitte, Wasser, Luft und Feuer als Kugelschalen außen herum. Die Himmelskörper waren laut Aristoteles aus einer ganz anderen Substanz, dem fünften Element, der quinta essentia oder Quinessenz. Jeder Himmelkörper rotierte nun mitsamt seiner eigenen Kugelschale rundum die vier unteren Sphären. So ergab sich ein konzentrischer Schichtenaufbau bis schließlich zur äußersten Sphäre, der Fixsternsphäre. (Auf die Idee, dass die Fixsterne irgendwie im Raum verteilt sind und nicht auf einer festen Kugelschale sitzen, kam übrigens auch Kopernikus nicht.) Hinter der Fixsternsphäre kamen die Engel und Gott.
Von dem Hintergrund dieser schönen, wohlgeordneten Welt, behauptet nun jemand: Die Sonne steht im Zentrum. Das kann nur ein Narr sein!
@Epikouros, Heljerer
Danke schön für die ausführlichen Erklärungen zum aristotelischem astronomischen Weltbild. Da habe ich wieder was mitgenommen.
Dieses Vertrauen von Heljerer (Beitrag #24) in die Juristen kann ich nicht nachvollziehen. Ich habe vielmehr den Eindruck, daß viele aktuelle Gesetze handwerklich total schlecht sind. Es fehlt tatsächlich die mathematische Sichtweise, daß man sich Gedanken macht, welche Auswirkungen ein Gesetz über den beabsichtigen Wirkungsbereich hinaus hat.
Statt durchdachte Gesetzgebung ist purer Aktionismus zu spüren: Es passiert irgendwas, und Politiker meinen, dringend mit Gesetzen darauf reagieren zu müssen. Daß diese Gesetze auch Auswirkungen haben auf ganz andere Bereiche, das wird gar nicht gesehen. Und es wird nicht nur von Politikern nicht gesehen, sondern auch von der Öffentlichkeit weitgehend ausgeblendet. Auch in der Presse findet wenig Diskussion über Seiteneffekte statt.
Ein aktuelle trauriges Beispiel ist die Diskussion darüber, daß der Staat Belgien alle Betreiber von grenzüberschreitenden Bus- und Bahnverbindungen dazu verpflichten will, die Adressen ihrer Passagiere zu erfassen. Ich bemerke dazu keinerlei öffentlichen Widerspruch.
Und selbst diejenigen, die widersprechen, haben offensichtlich immer nur den Fernverkehr vor Augen, die argumentieren zu Fernbuslinien und dem grenzüberschreitenden Schnellverkehr. Da ist in den Köpfen offensichtlich generell die Denkweise: Das ist ein anderer Staat, da ist quasi ein dicker Graben dazwischen, darüber kommt man nur mit Punkt-zu-Punkt-Fernverkehr ähnlich wie bei Flugreisen.
Da fehlt doch die mathematische Sichtweise, daß man betrachtet, was tatsächlich alles betroffen ist, daß man sich vergewissert, sämtliche möglichen Fälle betrachtet zu haben. So wie eine Behauptung in der Mathematik, die bereits dadurch falsifiziert wird, daß man in einem einzigen Fall einen Widerspruch konstruiert.
Es ist gibt doch auch grenzüberschreitenden Nahverkehr. Wie streben das vereinte Europa an, wir wollen uns als eine zusammengehörende europäische Nation fühlen, wir wollen, daß Bus- und Straßenbahnlinien nicht an den innereuropäischen Grenzen aufhören. Und ein Erfolg der europäischen Einheit ist es, daß es an der deutsch-belgischen Grenze örtliche Buslinien und Anruflinientaxen gibt, deren Linienweg über die Grenze führt.
https://mobility-euregio.com/nachrichtendetail/archive/2012/september/article/tec-linie-722-verlaengert-bis-roetgen-buslinie-von-aachen-nach-avantis/
Von Aachen Hauptbahnhof fahren Nahverkehrszüge (Regionalexpress) zu Orten in den Niederlanden und in Belgien. Es gibt auch ein grenzüberschreitendes Tagesticket. Das findet in der Diskussion um das Gesetzesvorhaben der belgischen Regierung aber überhaupt keinen Niederschlag.
https://de.wikipedia.org/wiki/Euregio-Ticket
https://www.infotec.be/Portals/0/TEC%20Li%E8ge_Verviers/Images/euregio%20carte%20grand.jpg
Deswegen kann ich den Satz „Die Juristen kriegen das schon irgendwie hin“ nicht nachvollziehen. Mir macht dieses blinde Vertrauen in die Gesetzgebung Angst und Bange – weil da eben doch ganz viel Unlogik drin ist, die letztlich zu ungewollten Einschränkungen für uns alle führt.
Es gibt dieses Video von mir, wo ich an der Ostsee an der deutsch-polnischen Grenze stehe, und wo ich darüber spreche, daß man bei Gang über die Grenze Kurtaxe entrichten muß. Da hat man die Grenze geöffnet, hat einen internationalen Radweg angelegt, ist stolz auf die längste Strandpromenade Europas. Aber an eine grenzüberschreitende Regelung der Kurtaxe hat niemand gedacht.
https://www.youtube.com/watch?v=xZk_6yLF8VQ
Trotzdem ist Luther einer der mutigsten Männer der Geschichte 🙂
Ich mag diesen Mann!!
Ja das ist sehr interessant.
Und ich denke für die Normalsterblichen zu dieser Zeit äußerst Kontraintuitiv.
Ich gebs zu ich denke ich hatte Ihn für einen Spinner gehalten.
Mein (vorläufiges) Fazit:
Luther hat sich in der von Beckmann/Hipler zitierten* Tischrede keineswegs mit der Heliozentrik beschäftigt, sondern die Erdrotation bestritten. Dazu passt nämlich der Bibelbezug (auf Josua 10, 12-13 falls es wen interessiert). Und das ist ein ganz anderer Hammer.
*: in der Aurifaber-Version
@wereatheist
Eigentlich geht es, egal in welcher Fassung, allgemein darum, ob sich die Sonne oder die Erde bewegt. Dass allein die Eigenrotation der Erde – und nicht auch deren Bewegung um sie Sonne – gemeint war, kann ich dem Text nicht entnehmen.
In den von Luther angedeuteten Bibelversen heisst es sinngemäß, dass Sonne und Mond für einen halben Tag an ihrer jeweiligen Stelle am Himmel stehenblieben (damit Josuas Truppen die Feinde länger verfolgen und niedermetzeln konnten – ein alle Menschen liebender Gott machts möglich).
Für Luther steht die Erde offenbar immer komplett still, was auch eine Eigenrotation ausschließt.
Ich weiß nun nicht, was der wissenschaftliche Konsens seinerzeit war. Das geht leider auch aus dem von Dir in #11 dankenswerter Weise verlinkten Artikel nicht für mich erkennbar hervor – vielleicht habe ich es überlesen, mein Französisch hat seine Grenzen, außerdem habe ich ihn nicht ganz gelesen.
@Florian Freistetter
Ich hatte gerade einen Kommentar geschrieben, der aus irgendwelchen Gründen nicht angezeigt wird und auch nicht neu gepostet werden kann. Ist da was in der Röhre hängengeblieben?
@wereatheist
Mein Kommentar ist leider verschwunden. Daher nochmal in Kurzform:
Konsens war, dass die Erde im Mittelpunkt des Universums steht und auch nicht rotiert. Die Möglichkeit einer rotierenden Erde wurde aber schon im Mittelalter diskutiert.
Bei John Freely: Kopernikus – Revolutionär des Himmels. S. 189 lese ich bezüglich der Ausarbeitung des Manuskripts von „De revolutionibus“, dass Kopernikus sein Werk ursprünglich in sieben größere Abschnitte oder Bücher gegliedert hatte.
„Das erste Buch handelte von Kosmologie und endet mit einem kurzen Hinweis auf Aristarch und den ‚Brief des Lysis‘, ein kurzes Werk zur pythagoreischen Philosophie. Beide Teile wurden aus der Schrift jedoch herausgenommen und das ursprüngliche zweite Buch zur Mathematik dem ersten angegliedert.“
Und auf Seite 101 ist dieser Hinweis enthalten:
„Auf Aristarch von Samos bezieht sich Kopernikus in der Endfassung von De revolutionibus viermal, allerdings dreimal mit fehlerhaften Zuweisungen. Bei der vierten Nennung führt er ihn in einer Liste von Astronomen auf, die davon ausgegangen seien, dass ein Jahr genau 365 1/4 Tage lang sei. …
In seinem Originalmanuskript von De revolutionibus bezog sich Kopernikus indirekt auf Aristarchs heliozentrische Theorie, sorgte aber dafür, dass der Hinweis in der 1543 gedruckten Fassung nicht mehr auftauchte. Die gestrichene Passage aus dem letzten Abschnitt von Buch I, Kapitel II enthält den Satz:
‚Philolaus [soll] die Beweglichkeit der Erde erkannt habe[n]; wie auch einige sagen, dass Aristarch von Samos […] derselben Ansicht gewesen sei.‘
Möglicherweise hat Kopernikus also doch irgendwie Kenntnis gehabt von Aristarchs Ideen.
@ Hoffmann
Die Frage wieviel Kopernikus Aristarch zu verdanken hat, wurde von dem Wissenschaftshistoriker Owen Gingerich untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Kopernikus unabhängig von Aristarch zu seinen Ideen gekommen ist.
https://adsabs.harvard.edu/full/1985JHA….16…37G
Owen Gingerich hat sich übrigens so intensiv mit Kopernikus beschäftigt, dass er vermutlich mehr als jeder andere über Kopernikus weiß – einschließlich Kopernikus selbst.
@ Heljerer
Ich kann mich nur auf das beziehen, was ich zitiert habe. Freely zitiert auch Gingerich, aber die Frage steht ja im Raum, inwieweit Kopernikus über Aristarchs Ideen Kenntnis hatte. Interessant ist, dass Kopernikus den Hinweis auf Aristarch wieder aus dem Manuskript entfernt hatte – auffallenderweise gerade einer, der sich auf die Bewegung der Erde bezog.
Möglicherweise hatte er aber tatsächlich keine Kenntnis davon, dass Aristarch die Erde sich um die Sonne bewegen ließ, denn „Beweglichkeit der Erde“ impliziert ja nicht notwendigerweise „um die Sonne“, sondern kann sich auf die Bewegung um das Zentralfeuer im Sinne des Pythagoreers Philolaos beziehen – auf den sich Kopernikus ja primär in der gestrichenen Passage beruft.
@Hoffmann
Die Frage, inwieweit Kopernikus über Aristarchs Ideen Kenntnis hatte, lässt sich anscheinend nicht mit Gewissheit beantworten. Gingerichs Beurteilung gibt nur Wahrscheinlichkeiten wieder. Da Gingerich aber so ziemlich alles über Kopernikus recherchiert hat, heißt das, dass hier niemand über simple Internet-Recherche oder Bücherstudium noch irgendetwas zur Aufklärung beitragen kann. Da müsste schon jemand neues Quellenstudium betreiben.
@Hoffmann
Aus meiner Sicht ist Kopernikus‘ wesentliche Leistung nicht die geniale Idee, dass die Sonne im Mittelpunkt steht.
Kopernikus‘ große Leistung ist, diese Idee mit konkreten Leben erfüllt zu haben. Er hat alles mit konkreten Zahlen durchgerechnet und für die damaligen Praktiker in Tabellenform (Ephemeriden) wiedergegeben. Das ist eine ungeheuere Leistung! Hätte Kopernikus nur eine allgemeine Blabla-Abhandlung verfasst, würde ihn heute niemand mehr kennen.
Das ist so ähnlich wie später bei der Gravitationstheorie als Hook Newton vorgeworfen hat, ihm seine Idee gestohlen zu haben. Zu Recht gilt heute aber Newton und nicht Hook als Entdecker des Gravitationsgesetzes.
@ Heljerer
Die Bedeutung von Kopernikus für die moderne Naturwissenschaft ist nicht zu überschätzen – seine heliozentrische Theorie war gewissermaßen der „Urknall“ für die nachfolgende Entwicklung – einschließlich der damit verbundenen Aufklärung, die die Macht der Kirche beschränkte.
Selbst wenn also Kopernikus zumindest die Grundidee von Aristarch gekannt haben sollte (was nicht sicher nachweisbar ist, aber eben auch nicht ausgeschlossen werden kann), entwertet es nicht seine Leistung, die Du so trefflich beschrieben hattest – und schon gar nicht den Auslöse-Effekt für die nachfolgenden Entwicklungen.
Interessanterweise gelangte Kopernikus‘ Werk erst 1616 auf den Index der verbotenen Bücher, nachdem sich als Folge der Erfindung des Fernrohrs und der Entdeckungen Galileis im Kontext mit den Erkenntnissen Keplers herausstellte, dass es sich beim heliozentrischen System um mehr als eine Hypothese zur Einsparung von Epizykeln handelte.
Die Kirche sah sich nun in einen Streit verwickelt, bei der die Naturwissenschaft (damals noch als Naturphilosophie bezeichnet) sich anschickte, aus ihrer Rolle als „Magd der Theologie“ auszubrechen und ihrerseits die führende Rolle bei der Interpretation der Welt einzunehmen. Daher die rigiden Methoden zur Eindämmung des Einflusses der Wissenschaften auf das Denken der Menschen – insbesondere der gebildeten Menschen …
Man könnte man noch hinzufügen, dass Lutheraner massgeblich an der Ausbreitung des heliozentrischen Weltbildes beteiligt waren. Osiander verfasste ein Vorwort für die Schrift des Kopernikus und Rheticus war maßgeblich an der Vorbereitung des Manuskripts für die Veröffentlichung beteiligt.1542 wird das heliozentrische Weltbild als Hypothese an der Universität Wittenberg, der Hochburg der Reformation, gelehrt, woraufhin Tycho Brahe 1566 und Giordano Bruno 1588 nach Wittenberg reisen, um sich mit dieser Hypothese näher auseinander zu setzen. Johannes Kepler lernt das kopernikanische Weltsystem an der lutherischen Universität Tübingen kennen.
Es ist auch gut im Kopf zu behalten, dass es im 16. Jhdt. überhaupt keinen empirischen Beleg für das neue Weltbild gab, im Gegenteil, es wies sogar sehr gravierende Mängel auf, die zu der Zeit niemand zu beheben wusste. Beispielsweise blieb die Frage unbeantwortet, warum wir den Lauf der Sterne nicht verfolgen können, wenn sich doch die Erde im Verhältnis zu ihnen bewegt. Die vorgebrachte Argumentation war, dass die Sterne zu weit von der Erde entfernt sind, als dass man ihre Bewegung sehen könnte. In diesem Fall müssten die Sterne jedoch unermesslich groß sein, damit man sie überhaupt noch von der Erde aus sehen kann… Erst die Erfindung des Teleskops ermöglichte die Erkenntnis, dass die sichtbare Größe der Sterne eine optische Täuschung ist (sie erscheinen im Teleskop kleiner als mit bloßem Auge). Die scheinbare Ortsveränderung der Gestirne infolge der Erdbewegung konnte erst 1728 durch J. Bradley und seine Entdeckung der Aberration und 1839 durch F.W. Bessel und die Entdeckung der Fixsternparallaxe experimentell nachgewiesen werde.
@Lydia
Danke für den Hintergrund. Nur:
Dies kann ich definitiv verneinen; im Teleskop sieht man ein Beugungsscheibchen, das visuell meist größer erscheint, als das Bild eines Sterns mit dem bloßen Auge. Im besten Fall beleuchtet ein Stern genau eine Sehzelle im Auge, kleiner kann er nicht erscheinen. Das ist im Teleskop bei geringer Vergrößerung oder mit bloßem Auge der Fall (sofern der Stern nicht sehr hell ist oder stark szintilliert (funkelt) ).
@Lydia
Das mit dem Beugungsscheibchen kenne ich auch so wie von Alemarin beschrieben. Anfangs glaubte man sogar mit dem Teleskop tatsächlich die Sterne vergrößert aufgelöst zu sehen. Man hatte einfach noch keine Ahnung, dass es so etwas wie Beugungsscheibchen überhaupt gibt.
Das ist eines der vielen Beispiele, dass man aus richtigen Beobachtungen völlig schlüssige falsche Theorien ableiten kann.
Der Hinweis, dass gerade viele Lutheraner die heliozentrische Theorie vertraten, ist sehr interessant. Weiß jemand, ob das wirklich signifikant so ist? Und warum könnte das so gewesen sein?
Warum Katholiken die heliozentrische Theorie verworfen haben, habe ich ja schon beschrieben. Seit Albertus Magnus war einfach die Theologie eng mit der Philosophie Aristoteles‘ verbunden. Eine Aufgabe des Geozentrismus setzt voraus auch Aristoteles‘ Naturphilosophie zu verwerfen. Ganze Grundlagen der Scholastik hätten damit gefehlt.
Luther hat sich über die Scholastik sehr abfällig geäußert. Ich könnte mir vorstellen, dass für Lutheraner mit der Aufgabe des Geozentrismus einfach weniger auf dem Spiel stand. Aber was veranlasste viele Lutheraner auf der anderen Seite an den Heliozentrismus zu glauben?
[…] Martin Luther und die Astronomie […]