Von den ersten Visionen im 19. Jahrhundert bis hin zur Realisierung hat es lange gedauert. Die erste echte Raumstation flog erst in den 1970er Jahren ins Weltall. Aber seitdem haben immer Menschen den Weltraum nicht nur besucht sondern dort auch zumindest zeitweilig gelebt. Der Bau der ersten sowjetischen und amerikanischen Raumstationen ist das Thema der heutigen Folge des Sternengeschichten-Podcasts.

Und wie immer gibt es weiter unten eine Transkription des Podcasts.

SG_Logo

Die Folge könnt ihr euch hier direkt als YouTube-Video ansehen oder direkt runterladen.

Den Podcast könnt ihr unter

https://feeds.feedburner.com/sternengeschichten

abonnieren beziehungsweise auch bei Bitlove via Torrent beziehen.

Am einfachsten ist es, wenn ihr euch die „Sternengeschichten-App“ fürs Handy runterladet und den Podcast damit anhört.

Die Sternengeschichten gibts natürlich auch bei iTunes (wo ich mich immer über Rezensionen und Bewertungen freue) und alle Infos und Links zu den vergangenen Folgen findet ihr unter https://www.sternengeschichten.org.

Und natürlich gibt es die Sternengeschichten auch bei Facebook und bei Twitter.



Transkription

Sternengeschichten Folge 202: Raumstationen – Die Realisierung eines alten Traums

In der letzten Folge der Sternengeschichten habe ich über die ersten Ideen und Visionen von Raumstationen gesprochen. Die Pioniere der Raumfahrt aus dem letzten und vorletzten Jahrhundert hatten jede Menge große Vorstellungen davon, wie Menschen in der Zukunft im Weltall leben können. Ich möchte noch einmal Hermann Potocnik zitieren, der besonders intensiv darüber nachgedacht hat, wie man so eine Station bauen müsste und sich am Ende seines Buches „Problem der Befahrung des Weltraums“ realistisch und optimistisch zugleich gibt:

„Doch der Zweck der vorliegenden Betrachtungen ist auch nicht der, glaubhaft machen zu wollen, daß man schon morgen wird zu fremden Himmelskörpern reisen können. Es soll damit nur versucht sein zu zeigen, daß die Befahrung des Weltraums nicht mehr als etwas für den Menschen Unmögliches angesehen werden darf, sondern ein Problem darstellt, welches sehr wohl technisch gelöst werden kann und – ein Problem, das all die Hindernisse, die seiner endgültigen Bemeisterung auch noch im Wege stehen mögen, nur nichtig erscheinen lassen muß ob der überwältigenden Großartigkeit des dabei Erstrebten.“

Ja, eine Raumstation ist tatsächlich etwas Großartiges. Und dass die Sache nicht unmöglich ist sondern technisch gelöst werden kann, stellte man auch bald fest.

Zeichnung von Saljut 1 mit andockendem Sojus-Raumschiff (Bild: gemeinfrei)
Zeichnung von Saljut 1 mit andockendem Sojus-Raumschiff (Bild: gemeinfrei)

Zwischen der Zeit der großen Raumfahrtvisionen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und der Realisierung der Raketentechnik in der zweiten Hälfte lag aber der zweite Weltkrieg. Diese große Katastrophe hat allerdings auch maßgeblich dazu beigetragen, dass der Weltraum danach zumindest einigermaßen friedlich genutzt wurde. Die Raketen, die der deutsche Pionier Wernher von Braun als Kriegswaffe gebaut hatte, wurden später zur Grundlage des Weltraumprogramms der NASA. Es gab aber auch Ideen, Raumstationen als Waffe einsetzen. Basierend auf der Arbeit eines anderen Pioniers – Herman Oberth – arbeitete eine Gruppe deutscher Wissenschaftler zumindest kurzfristig daran, eine Raumstation zu planen die knapp 8200 Kilometer über der Erde schweben würde. Dort sollte sich ein riesiger Spiegel mit einer Fläche von 9 Quadratkilometern befinden mit dem Sonnenlicht wie bei einem Brennglas auf einen Punkt der Erdoberfläche konzentriert werden könnte. Mit dieser Waffe hätte man die ganze Welt bedrohen können; war sich aber auch darüber im Klaren das es noch viele Jahrzehnte dauern würde bis man sie realisieren können würde.

Zum Glück für die Welt kam es nicht dazu. Tatsächlich war es die Sowjetunion, die 1971 die erste echte Raumstation baute. Am 19. April 1971 wurde Saljut 1 an Bord einer Proton-Rakete ins All gebraucht. Sie war 16 Meter lang und 19 Tonnen schwer. Platz bot sie nur für eine einzige Person. Kosmonauten hielten sich dort aber nur 23 Tage lang auf und die Station selbst kreiste nur 175 Tage lang um die Erde bevor sie planmäßig wieder abstürzte und in der Atmosphäre der Erde verglühte.

Zwei Jahre später, am 3. April 1973 brachte die Sowjetunion Saljut 2 in eine Erdumlaufbahn. Allerdings gab es schon zwei Tage später einen Druckverlust und alle Instrumente fielen aus. Ende Mai stürzte die Station ab, ohne dass jemals Kosmonauten an Bord gewesen wären.

Auch mit ihrer dritten Raumstation hatten die Sowjets kein Glück: Kosmos 557 konnte nicht einmal eine stabile Umlaufbahn erreichen und stürzte 11 Tage nach dem Start im Mai 1973 wieder ab. Im gleichen Monat war dagegen die USA endlich erfolgreich. Am 14. Mai brachten sie erfolgreich das Skylab in eine Erdumlaufbahn wo die Station immerhin bis zum Juli 1979 blieb. Sie war 25 Meter lang, 17 Meter breit und bot Platz für drei Personen und in ihrer aktiven Zeit gab es drei Langzeitbesatzungen die am Ende fast drei Monate lang im Orbit lieben. Es gab ein Teleskop an Bord mit dem man UV- und Röntgenstrahlung beobachten konnte, was vom Erdboden aus nicht möglich war. Außerdem fotografierte man die Erde, testete jede Menge neue Technologien und führte eine Vielzahl an medizinischen Experimenten durch.

Skylab (Bild: NASA, gemeinfrei)
Skylab (Bild: NASA, gemeinfrei)

Auf amerikanischer Seite folgte auf Skylab erstmal keine weitere Raumstation; in der Sowjetunion setzte man dagegen die Reihe der Saljut-Stationen fort und das immer erfolgreicher. Saljut 3, 4, 5, 6 und 7 waren alle von Menschen besetzt; Saljut 7 immerhin schon 816 Tage lang.

Am 19. Februar 1986 startet dann aber die bisher erfolgreichste Raumstation der Sowjetunion: Mir. Der Name bedeutet „Friede“; vorerst war es aber ein reines Projekt des Ostblocks – erst später entstanden tatsächlich viele Kooperationen zwischen Ost und West. Mir hatte immerhin schon ein bewohnbares Volumen von 350 Kubikmetern.

Den Anfang machte ein 13 Meter langes und 4 Meter durchmessendes Basismodul. 1987 wurde das Wissenschaftsmodul Kwant an die Station gedockt; im November 1989 folgte das zweite Wissenschaftsmodul Kwant 2 und schließlich im Mai 1990 das dritte wissenschaftliche Modul „Kristall“. Das bot dann auch die Andockmöglichkeiten für amerikanische Shuttles – was am 29. Juni 1995 vom Space Shuttle Atlantis genutzt wurde. In den nächsten Jahren folgten weitere Module: Spektr, mit dem man die Erdatmosphäre und kosmische Strahlung erforschen konnte. Ein spezielles Andockmodul für Space Shuttles. Und das zur Erforschung der Mikrogravitation genutzte Modul Priroda.

Am Ende hatte die Mir eine Masse von 135 Tonnen, eine Spannweite von 31 Metern und eine Länge von 33 Metern. Insgesamt haben 96 Kosmonauten die Station besucht, darunter auch der Russe Waleri Poljakow, der zwischen Januar 1994 und Mai 1995 dauerhaft auf der Mir war und mit 438 Tagen den damals aktuellen Rekord für einen Langzeitaufenthalt im All aufstellte.

In den ersten zwei Jahren besuchten ausschließlich sowjetische Kosmonauten die Station. Aber schon im April 1989 flogen auch der Syrer Muhammed Achmed Faris, der Afghane Abdul Ahad Mohmand und der Franzose Jean-Loup Chrétien die Mir. 1991 war die Mir das Ziel der ersten Britin, Helen Sharman und auch des ersten Österreichers im All: Franz Viehböck. Der erste Deutsche an Bord der Mir war 1992 Klaus-Dietrich Flade; danach folgten Thomas Reiter, Reinhold Ewald und Ulf Merbold.

Die Raumstation Mir (Bild: NASA, gemeinfrei)
Die Raumstation Mir (Bild: NASA, gemeinfrei)

Die Mir verbrachte 15 Jahre in einer Erdumlaufbahn und das, obwohl sie nur für 7 Jahre Aufenthalt im All konstruiert war. Sie umkreiste die Erde 86.325 Mal und am Ende war sie nicht mehr so zuverlässig wie zu Beginn. Im Februar 1997 gab es einen Brand an Bord; zwei Wochen danach fiel die Sauerstoffversorgung aus. Die Solarpaneele waren beschädigt, die Kommunikation mit der Bodenstation funktionierte nur sporadisch und im Juni 1997 kollidierte ein Versorgungsschiff mit der Station und beschädigte das Spektr-Modul so sehr, dass es nicht mehr benutzt werden konnte.

Und trotzdem konnten alle Probleme immer irgendwie behoben und zumindest notdürftig beseitigt werden. Im Juni 2000 verließ die letzte Besatzung die Mir und am 23. März 2001 wurde sie kontrolliert zum Absturz gebracht. Die alte, großartige Raumstation verglühte in der Atmosphäre über dem Pazifischen Ozean.

Aber da schwebte schon eine andere Raumstation über der Erde: DIE Raumstation, die größte Raumstation die wir Menschen bisher gebaut haben. Die ISS oder International Space Station, deren erstes Modul am 20. November 1998 in eine Umlaufbahn gebracht wurde. Sie sollte zur bisher erfolgreichsten Raumstation werden und zum bisher größten Habitat der Menschheit außerhalb der Erde. Aber das ist ein Thema für eine eigene Folge der Sternengeschichten…

11 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 202: Raumstationen – Die Realisierung eines alten Traums“
  1. Hinzufügen könnte man noch, dass Sojus 10 keine erfolgreiche Kopplung an Saljut 1 durchführen konnte und die Besatzung von Sojus 11 beim Wiedereintritt durch ein defektes Ventil ums Leben kam. Saljut 2, 3 und 5 waren militärische Almas-Stationen, der Rest vornehmlich zivil. Und die letzten beiden Saljuts, 6 und 7, waren bereits in kleinerem Rahmen (ein bzw. zwei weitere Module) modular.

    Die US-Station Skylab war zwar insgesamt ein Erfolg, hatte jedoch einen sehr schlechten Start und musste von den beiden ersten Crews repariert werden. Gerade bei der ersten bemannten Mission zur Skylab ging es buchstäblich darum, ob man bleiben können oder sofort wieder würde zurückfliegen müssen.

  2. Oder auch das es Pläne gab Teile der Mir oder die gesamte Mir für die ISS zu verwenden, über das Thema könnte man endlos reden ^^ Ich finde ja auch die Kollision mit dem Frachter und der Mir sehr interessant, da haben die Russen viel Mist gebaut.

    Btw du hast einen Typ drin am Schluss, das erste Modul der ISS wurde 98 gestartet und nicht 88 🙂

  3. Raumstationen sind ein Traum der Menschheit. Da wird es zweitrangig, ob sie von Russen, Amerikanern, Europäern oder Chinesen betrieben werden. Da fühlen sich alle als Menschen dieser Erde.

  4. @ Robert – „Traum der Menschheit“ – Dein Ernst?

    Die Mir war verfault: Biokorrosion und Fouling, Schleimpfropfen in Wasserleitungen, schimmlige Astronautenanzüge, getrübte Optik, 230 verschiedene Arten von Mikroorganismen, schummriges Licht, Urwaldklima, feuchtheiße Luft, ein muffiger Geruch, Furz und Schweiß, Lochfraß im Aluminium …

    ISS: Noch nie waren so viele verschiedene Nationen beteiligt -So wird die ISS zwangsläufig zum extremsten Sammelbecken des kosmischen Schleims.

    + Selektion duch 100fach höhere Strahlenbelastung Schwächere Mikroorganismen werden zerstört, die Population regeneriert sich, am Ende dieser Auslese ist der Bestand resistenter, stoffwechselaktiver und aggressiver als die Ausgangs-Organismen.

    Das wird ein Mords-Spaß !

  5. korg,
    das hört sich nicht optimistisch an.
    In der Presse hört man solche Stimmen nicht.
    O.K. wer Hartz 4 bezieht, der träumt nicht davon.
    Da war ich wohl zu blauäugig.

  6. Wer H4 bezieht hat den Kopf schon oft für sowas nicht frei ^^ Ich denke mal das war ein Tritt für den defätistischen Kommentar 🙂 bin wirklich sehr gespannt ob nach der ISS noch was kommt, die ist ja auch nicht für die Ewigkeit gedacht…

  7. Uli, tomtoo,korg

    die Akzeptanz solcher teuren Wissenschaftsprojekte in der Öffentlichkeit wird in der Zukunft entscheiden, ob sie finanziert werden können oder nicht. Wenn natürlich das Militär daran interessiert ist, sehe ich keine Grenzen.

  8. „Mir hatte immerhin schon ein bewohnbares Volumen von 350 Kubikmetern.“
    …mehr als zehnmal so groß wie mein Wohnklo (Balkon zählt ja nicht mit)! Und reichlich Platz für Wodka-Vorräte (was ja am Ende auch rauskam)… aber für eine Khyberspace-Bodenstation reicht das schon! OHNE Wodka!

  9. Abdul Ahad Mohmand war schonmal ein guter Anfang… aber wir brauchen um Größenordnungen mehr Afghanen im All! Keine Taliban – die halten Raumfahrt wahrscheinlich eh für Sünde und sowieso für Fake News – aber allein schon zur Erforschung von Bartwuchs in Mikrogravitation (das ist mit Sicherheit noch eine Forschungslücke, wenn ich mir so ansehe, wie der typische männliche Astro- oder Kosmonaut – von Taikonauten fange ich erst gar nicht an, denen wächst eh kaum was – im Gesicht aussieht) sollten die Afghanauten (oder besser auf persisch Kayhânwardân!) durchaus eher traditionell gestylt sein… und irgendwann in diesem Jahrhundert, wenn die Taliban-Trottel längst Geschichte sind, gibt es eine ASA (Afghan Space Agency) und dann auch hoffentlich bald eine afghanische Raumstation im Orbit, nennen wir sie mal „Arachosia“…

    1. Lustig! Der erste und bislang einzige afghanische Raumfahrer Abdul Ahad Momand floh 1992 erst nach Indien und später nach Deutschland. Inzwischen ist er deutscher Staatsbürger.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.