Unter der Oberfläche des Mondes befindet sich ein galaktisches Archiv. Nein, kein Alien-Bibliothek – aber dafür jede Menge Informationen über die Geschichte unserer Milchstraßen-Galaxie und der Rolle, die unser Sonnensystem darin gespielt hat.
Das Problem mit der Geschichte ist ja, dass sie in der Vergangenheit stattgefunden hat. Die lässt sich schwer untersuchen; obwohl die Astronomie da ja einen gewissen Vorteil hat. Immerhin können wir mit unseren Teleskopen in der Zeit zurück sehen. Licht bewegt sich nicht unendlich schnell und der Blick hinaus ins All zeigt uns immer ein Bild der Vergangenheit. Aber manchmal stößt man auch hier an die Grenzen: Zum Beispiel wenn es darum geht, längst verschwundene Sterne zu beobachten.
Große Sterne beenden ihr Leben in Form einer riesigen Explosion. So eine Supernova ist enorm hell, aber das nur kurz. Dann ist der Stern weg, bis auf einen kleinen nur schwer beobachtbaren Rest. Und wir haben leider nicht immer das Glück eine Supernova zu beobachten wenn sie gerade passiert. Außerdem wollen wir auch über die Supernovae der Vergangenheit Bescheid wissen. Etwa, um mehr über die Struktur unserer Milchstraße zu erfahren.
Unsere Sonne gehört zusammen mit ein paar hundert Milliarden anderen Sternen zur Milchstraße. Das ist eine Spiralgalaxie. Ausgehend von einer sphärischen Zentralregion winden sich Spiralarme (wie viele genau ist immer noch unklar) in denen die Dichte von Sternen höher ist als dazwischen. Diese Arme sind keine starren Strukturen wie die Speichen eines Rades; sie bestehen auch nicht immer aus den gleichen Sternen. Es sind Regionen in denen mehr Sterne entstehen als anderswo; immer wieder wandern Sterne aus den Armen hinaus und neue entstandene Sterne nehmen ihren Platz ein.
Auch unsere Sonne bewegt sich durch die Milchstraße; in den 4,5 Milliarden Jahre ihrer Existenz hat sie deren Zentrum knapp 20 Mal umkreist. Sie ist aber auch mindestens einmal durch alle Spiralarme gewandert (die sich ja auch selbst bewegen). Immer wenn sie sich in diesen dichteren Regionen aufgehalten hat, hat sich auch die Chance erhöht das es in ihrer Nähe zu Supernova-Explosionen kommt (denn dort ist die Sterndichte ja größer). Wüsste man also, wie viele Supernovae die Erde in der Vergangenheit erlebt hat und wann diese stattgefunden haben, könnte man daraus jede Menge lernen. Über die Umgebung des Sonnensystems und wie sich diese Umgebung im Laufe der Zeit verändert hat. Über die Entwicklung der Spiralarme der Milchstraße. Über die Veränderung der Sternentstehungsrate unserer Galaxie. Und so weiter. Nur: Wo finden wir diese Informationen?
Auf dem Mond! Das meint zumindest Ian Crawford von der Universität London. In einer aktuellen Arbeit („The Moon as a Recorder of Nearby Supernovae“) beschreibt er, dass man dort ideale Möglichkeiten hätte, die Vergangenheit unserer galaktischen Umgebung zu erforschen. So eine Supernova ist ja nicht nur sehr hell, sie schleudert auch jede Menge Zeug ins All hinaus. Verschiedene Variationen chemischer Elemente treffen auf die Erde, die es in der Form hier nicht gibt und auch die Menge an kosmischer Strahlung ist während einer Supernova-Explosion erhöht. Beides führt zu geologischen Auffälligkeiten: In entsprechenden Gesteinen kann man chemische Elemente finden, die man auf der Erde nicht erwarten würde bzw. Elemente die durch die kosmische Strahlung beeinflusst werden.
Auf der Erde selbst ist es aber schwierig, an Material zu kommen, dass diese Informationen vernünftig gespeichert hat. Man muss zum Beispiel tief hinab zum Ozeanboden tauchen. Und selbst dann ist die Situation nicht optimal: Die Atmosphäre der Erde hält viel von dem zurück was eine Supernova durch die Gegend schleudert. Das ist gut für uns Menschen, aber schlecht, wenn wir an den Informationen interessiert sind.
Man könnte auf Meteoriten zurückgreifen. Die waren immerhin lange im All und dort schutzlos allem ausgeliefert. Aber die Felsbrocken sind oft selbst nur Bruchstücke größerer Asteroiden und konnte mit der „Aufzeichnung“ erst beginnen, als sie abgebrochen wurden. Wenn wir nicht genau wissen, wann das passiert ist, wird es schwierig.
Aber der Mond, so Crawford, wäre viel besser. Der Mond hat keine Atmosphäre die irgendwelche Informationen aus dem All abhalten würde. Sein Oberflächengestein – der Regolith – kann gut von Supernovae beeinflusst werden. Er zeigt keine dramatische tektonische Aktivität die die Gesteinsschichten durcheinander bringen oder zerstören würde. Und das bisschen an Aktivität das es dort gibt kommt gerade recht, um die Schichten zu schützen. Ein bisschen Lava; ein bisschen Material das bei der Kraterbildung durch Asteroideneinschläge aufgeworfen wurde kann die obersten Schichten des Regoliths abdecken und so etwas formen das Crawford Paläoregolith nennt. Dort wären die galaktischen Supernova-Daten sicher und dauerhaft gespeichert.
Wir müssen das Gestein nur ausbuddeln und untersuchen. Das wird natürlich ein wenig schwierig; dazu braucht es ausführliche geologische Analsysen; man muss in der Lage sein, größere Regionen zu untersuchen und nicht nur einzelne Punkte und man sollte schon circa 100 Meter tief bohren können. Das lässt sich mit robotischen Rovern zwar erledigen, aber – das erwähnt auch Crawford – extra dafür wird wohl niemand eine solche Mission zum Mond starten. Und schon gar kein bemanntes Geologie-Programm zu unserem Nachbarn im All starten…
Aber die Analyse von Crawford zeigt einmal mehr, dass der Mond noch jede Menge zu bieten hat. Ja, wir waren schon mal dort. Ja, der Mars ist auch noch da. Und ja, in den Augen vieler (zu sehr durch Science-Fiction-Filme beeinflussten?) Menschen ist eine Mission zum Mars sehr viel sexier als ein (erneuter) Flug zum Mond. Trotzdem: Der Mond ist ein lohnendes Ziel für uns Menschen. Nicht nur wegen des galaktischen Archives das wir dort finden können. Vor allem aber ist er ein realistisches Ziel! Und ein Ziel, das sich so gut wie kaum ein anderes als Startpunkt für viel größere Abenteuer eignet!
Und ein Ziel, das sich so gut wie kaum ein anderes als Startpunkt für viel größere Abenteuer eignet! To go where no man has gone before…
Ich finde die Idee sehr passend! Ich finde es auch gar nicht unsexy, den Mond mal wieder zu besuchen. Letztlich war die Menschheit auch nicht soooo oft dort! Es ist ja auch nicht so, dass wir als „normale“ Menschen ständig dort wären oder dass es ähnliche Umstände „langweilig“ machen.
Nur viele Menschen sehen auf der Welt eben andere Probleme, weshalb für solch ein Projekt wohl wenig Geld zur Verfügung gestellt werden wird, selbst wenn es wissenschaftlich attraktiv ist.
Hm. Es steht zwar „Florian“ drüber … aber der Duktus ist anders. Sind wir schon im Schreibwettbewerb? 😉
@bruno: Was ist denn am dem Duktus anders? Texte die ich nicht selbst geschrieben habe, kennzeichne ich auch immer entsprechend.
Ich sehe noch eine weitere Schwierigkeit: Sekundärkontamination. Wer sagt uns, dass das Material, das vom Meeresboden oder aus Meteoriten geborgen wurde, unverändert geblieben ist. Irdische Prozesse (z.B. Erosion, atmosphärische Strahlung usw.) könnten Messergebnisse verfälschen. Der Mond ist für Untersuchungen besser geeignet aufgrund seiner quasi unveränderten Erscheinung seit Milliarden Jahren.
Seit der ersten Mondlandung wissen wir, daß die Staubschicht auf der Mondoberfläche nur wenige cm hoch ist, durch die kosmische Strahlung die Staubteilchen jedoch elektrisch geladen sind, was bei gleicher Polarität zu einer Abstoßungsreaktion führt.
Die Astronauten hatten ständig Probleme mit dem stark elektrostatisch geladenen Staub und nach dieser Information gibt es Staubwinde auf dem Mond, die vmtl. durch elektrische Ladungsverschiebungen auf der Mondoberfläche gesteuert werden, deren Verursacher zunächst unsere Sonne ist.
Nun wäre die Strahlung einer Supernova um Größenordnungen höher, was vmtl. die oberste Staubschicht zusammenbacken könnte, was eine Erklärung sein könnte, warum so wenig Staub auf der Mondoberfläche sich befindet.
Falls sich also vertikale sandwich-ähnliche Strukturen auf dem Mond befinden, könnte man dadurch leicht jede Supernovae zeitlich aufeinanderfolgend aufspüren und vielleicht sogar ihre ursprüngliche Strahlungsstärke über die jeweilige Dicke der verfestigten Staubablagerung ermitteln.
@bruno, du solltest dich daran gewöhnen, dass viele Menschen –Menschen wie Florian– sich mit der Zeit verändern und dabei Neues ausprobieren. Auch, wenn es dabei um Schreibstile geht. Wenn du nicht stagieren willst, musst du dich selbst weiterentwickeln, denn sonst tut es keiner für dich. Manchmal helfen einem Impulse von außen dabei.
Bei Florian kann ich mir sehr gut vorstellen, dass seine Arbeit für die und mit den Science Busters sehr dazu beiträgt, dass er neue Ideen entwickelt und ausprobiert. Mich wundern geänderte Textstile und auch die variablen Längen der Blogartikel überhaupt nicht; ich beobachte das schon seit längerem, und habe durchaus Vertrauen, dass das Florian ureigenste Schöpfungen sind.
Die Sonne wandert DURCH die Spiralarme? Ich dachte immer, unsere Galaxie würde quasi um sich den eigenen Mittelpunkt rotieren und die Sterne – aus denen die Spiralarme ja bestehen – mehr oder weniger fix an ihrem Ort, im jeweiligen Spiralarm, verbleiben. Kann mir das vielleicht jemand erklären?
Wenn die Strahlung einer Supernova so stark wäre, dass sie auf dem Mond den Regolith „zusammenbackt“, dann hätte sie auf der Erde garantiert alles Leben ausgelöscht (und vermultich auch sonst ziemlich viel Verwüstung im Sonnensystem angerichtet, von der heute noch Spuren zu finden wären). Da es uns aber noch gibt, halte ich ein solches Ereignis in der Vergangenheit des Sonnensystems für unwahrscheinlich.
@tomW
Die Spiralarme sind die Zonen der Milchstraße, wo junge, massive, helle Sterne leuchten, die nicht sehr alt werden. Die Spiralarme entstehen dort, wo Gas lokal komprimiert wird und zu Sternentstehungsgebieten wird, in denen eben diese hellen, jungen Sterne entstehen und die sie dann eine Weile in blauem Licht aufleuchten lassen, viel heller als in den Zonen zwischen den Spiralarmen, wo diese Sterne schon verloschen sind. Aber die Spiralarme wandern weiter.
Es ist noch nicht geklärt, ob beispielsweise die Druckfronten der explodierenden Supernovae, in denen die massiven Sterne enden, die Kompressionzone weiter voran treiben. Jedenfalls verschiebt sie sich gegenüber den Sternen und überholt diese. So ist auch die Sonne mehrfach durch einen Spiralarm gezogen und befand sich unmittelbar in der Zone der häufigen Supernovae.
Wenn die Spiralarme wirklich aus bestimmten Sternen bestünden, würden sie sich rasch aufwickeln, denn die Sterne umkreisen das Milchstraßenzentrum weiter innen in kürzerer Zeit als weiter außen. Die Milchstraße muss sich aber schon einige zehnmal gedreht haben, seit sie enstanden ist.
@tomW
Die Wikipedia-Artikel stellt es sehr schön zusammen. Hat sogar ein „lesenswert“ erhalten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Milchstra%C3%9Fe
Die Gruppe „Experimentelle Astroteilchenphysik“ (https://www.ph.tum.de/research/kta/astro) beschäftigt sich u. a. mit den Überresten fossiler, eisenhaltiger Bakterien aus einem Tiefsee-Bohrkern im Pazifik. Sie enthalten das Isotop Fe-60 aus einer Supernova-Explosion. Man hat mit Altersbestimmungen des Bohrkerns gefunden, dass die verursachende Supernova vor etwa 2,2 Millionen Jahren explodiert ist.
@Till / #9:
Irgend eine der vergangenen Supernovae als Auslöser des Aussterbens der Dinosaurier?, zumindest gab es vor ca. 440 Millionen Jahren ein globales Weltuntergang-Ereignis welches auf eine Supernova zurückzuführen wäre, wobei die Strahlung einer Supernova betrifft ja nur jeweils die halbe Seite der Erde und des Mondes.
Auf der halbseitigen Mondoberfläche wäre die Strahlung einer Supernova wesentlich stärker als auf der Erdoberfläche mit der damals dichteren Atmosphäre, so wäre ein zusammenbacken des Regolith schon möglich, ohne einer vollständigen Auslöschung jeglichen Lebens auf der Erde.
Trotzdem könnte jeden Tag ein unerwarteter Gammastrahl unser Sonnensystem erreichen, eine Garantie dafür das nichts dergleichen passiert gibt es nicht!
@ rüdiger kuhnke
das ist spannend !
@tomtoo 7 #14:
Auch nicht schlecht, und zwar vor vor rund 2 Millionen Jahren geschehen! 🙂
Supernova-Eisen auch auf dem Mond gefunden
Nur mal mit ein bischen sprengstoff die oberfläche wegblasen. gut ist. dann muss man nicht so tief bohren ?
Danke Leute, auf Euch ist doch immer Verlass, insbesondere Alderamin! Grad das „Aufwickeln“ macht mir klar, wie blöd ich doch bin 😀
Eine Supernova darf man sich nicht wie den Lichtblitz eines Silvesterknallers vorstellen, das ist ein Prozess, der über mehrere Tage, manchmal Monate abläuft. In der Zeit dreht sich die Erde weiter und wird von allen Seiten „geröstet“. Der Mond hat da schon bessere Chancen, da er nicht nur einen Tag sondern einen Monat braucht um sich um seine Achse zu drehen, d.h. bei einer relativ kurzen Supernova wäre erst einmal nur ein Teil der Mondoberfläche betroffen.
@Vortex: Mich würde mal interessieren, was für Strahlungsintensitäten nötig wären um Regolith zusammenzubacken. Meinst Du dabei richtig aufschmelzen (also auf deutlich über tausend Grad erhitzen) oder andere Prozesse?
@Till Korten:
So betrachtet schon, aber der Beam einer Supernova könnte ebenfalls auf eines der Erdpole gerichtet sein, dann könnten die Lebewesen auf der anderen Hälfte der Erde, zumindest die robusteren darunter, gerade noch überleben.
Auch der Fall wäre denkbar, daß eine Supernova hinter der Sonne ausbricht, die Erde gerade (noch) nicht erwischt wird, die Hälfte des Erdtrabanten jedoch voll bestrahlt wird!
Zwar nicht auf dem Mond, passt aber zrotzdem!
https://www.zamg.ac.at/cms/de/geophysik/news/spuren-einer-supernova-in-zwei-millionen-jahre-altem-meeressediment-entdeckt
@Till Korten, Vortex
Normalerweise ist ja nicht die Hitze das Problem, das eine Supernova für die Erde verursacht, sondern die Röntgen- und Gammastrahlung. Die kann z.B. die Ozonschicht zerstören und Mutationen verursachen. Ob’s gleich für den Strahlentod reicht, weiß ich nicht, scheint mir aber unwahrscheinlich.
In xkcd What if? gab’s übrigens mal eine Frage, ob Supernovae Neutrinos in einer tödlichen Dosis aussenden können. Antwort: ja, wenn man nahe genug dran ist (schließlich lösen sie mit gringer Wahrscheinlichkeit inverse Beta-Zerfälle aus). Dann könnte man sich nicht einmal auf der Rückseite eines Planeten in Sicherheit bringen, denn Neutrinos gehen durch einen Planeten so durch, als sei da nichts. Aber man müsste dann schon im Planetensystem der Supernova sein, für die Erde wären die Neutrinos einer nahen Supernova kein Problem.
#22: Das ist ein schöner Artikel zu dem Projekt, das ich unter #12 erwähnt habe.
Der Mond wäre der ideale Standort für eine Dauerhafte Forschungsstation, einen wirklichen Außenposten der Menschheit.
Die Kosten für so etwas kann ich nur mutmaßen. Aber sicherlich wäre das auch nicht teurer als eine Gruppe Menschen zum Mars und zurück zu fliegen. Höchster Kostenfaktor wäre sicherlich die Versorgung mit Wasser und Nahrung.