Der Juli ist zu Ende und ich hätte fast vergessen, meine monatliche Buchumschau zu veröffentlichen (aber ich war ja auch hauptsächlich damit beschäftigt, selbst ein Buch zu schreiben). Spät, aber doch: Hier kommt alles, was ich im Juli gelesen habe!

Minigolf Paradiso

Alexandra Tobor kennen einige der Leserinnen und Leser vielleicht aus dem WRINT-Podcast von Holger Klein, wo sie regelmäßig im Rahmen der ¨Wrintheit¨ Fragen zu Allem und Jedem beantwortet. Aber eigentlich schreibt sie und zwar gute Bücher. Ihr erstes Buch, das den etwas irreführendende Titel ¨Sitzen vier Polen im Auto¨ trägt ist nicht der Auslands-Klamauk, der es der Aufmachung nach zu sein scheint, sondern eine sehr schöne und unterhaltsame Beschreibung des Lebens einer deutsch-polnischen Aussiedler-Familie, in der Alexandra Tobor auch einige autobiografischen Erlebnisse einfließen hat lassen.

paradiso

Im neuen Buch „Minigolf Paradiso“ geht es nun nicht mehr von Deutschland nach Polen sondern in die umgekehrte Richtung. Ein Teenager-Mädchen mit polnischen Wurzeln macht sich im Deutschland der 1990er Jahre auf die Suche nach ihrem Großvater. Der soll angeblich tot sein – aber eine Gameshow mit der die Videokassette von ¨Die unendliche Geschichte¨ (Ja, es sind WIRKLICH die 90er Jahre…) überspielt wurde enthält ein paar Hinweise, die das zweifelhaft erscheinen lassen. Die Abwesenheit ihrer Eltern während der Sommerferien nutzt Malina für eine ausführliche Spurensuche. Das Buch erzählt die absurde Geschichte einer absurden Reise in einer absurden Welt (und die 90er Jahre können im Rückblick nicht anders als ¨absurd¨ genannt werden). Ich hab mir das Buch spontan am Bahnhof in Dresden gekauft und als ich zwei Stunden später in Jena wieder aus dem Zug gestiegen bin, hatte ich es auch schon wieder zu Ende gelesen. Wer selbst noch aktive Erinnerungen an das Leben damals hatte, wird sich über die vielen kleinen Details freuen – oder in einen peinlich berührten Schockszustand verfallen ob all des Unsinns, den wir in den 1990er getrieben haben. Aber auch wer dieses Jahrzehnt schon erfolgreich verdrängt hat, wird mit ¨Minigolf Paradiso¨ jede Menge Spaß haben! Dieses Buch kann man bedenkenlos in den Urlaub mitnehmen. Beziehungsweise: Nicht ¨könnte¨ – Man SOLLTE das auf jeden Fall tun!

Übrigens: Im Blog der Autorin gibt es „betreutes Lesen“, wo man der Geschichte des Buchs gemeinsam mit Alexandra Tobor folgen kann.

Tod in Jena

Eine sommerliche Buchbesprechung braucht natürlich immer einen Krimi. Und ein Krimi muss heutzutage ja ein Regionalkrimi sein. Ich bin kein großer Fan dieses Genres, aber ab und zu lese ich doch gerne über ein paar Morde mit Lokalkolorit. „Tod in Jena“ ist das zweite Buch von Christopher Heiden, über dessen ersten Jena-Krimi „Teufelsloch“ ich schon hier kurz berichtet habe. So wie damals gefällt mir auch dieses Buch recht gut. Die Stadt ist weiterhin hervorragend getroffen, wenn man hier lebt, dann erkennt man so gut wie jeden Schauplatz sofort wieder. Auch die Handlung ist komplex und spannend: Immerhin gibt es diesmal einen Mordversuch an der Tochter des Oberbürgermeisters. Dazu kommt ein Theater mit jeder Menge leicht zu beeindruckender Teenager-Mädchen und einem Regisseur, der nichts lieber zu tun scheint als Teenager-Mädchen zu beeindrucken. Und es beim ¨beeindrucken¨ nicht belässt…

Die einzige Kritik die ich habe, ist die fast schon zu starke Ähnlichkeit zum ersten Band. Damals war es die Literaturszene in der sich Opfer und Verdächtige aufgehalten haben, diesmal ist es das Theater. Die Struktur des Buches ist ebenfalls die gleiche; man bekommt von Anfang wieder die Gedanken des Täters direkt zu lesen, ohne (fast) das ganze Buch hindurch zu wissen, um wen es sich dabei handelt. Ein bisschen Variation wäre nett gewesen; auf jeden Fall was die Schauplätze angeht. Jena hat ja immerhin auch eine große und die Stadt prägende Universität die sich als Umfeld für einen Mord anbieten würde (und falls zufällig Astronomen die Opfer/Täter sein sollen: Mit der Forststernwarte, dem Observatorium in Großschwabhausen und der Thüringer Landessternwarte in Tautenburg gäbe es auch genug einsam in unheimlichen Wäldern gelegene Tatorte 😉 ).

Die Entdeckung des Himmels

„Die Entdeckung des Himmels“ von Harry Mulisch gehört zu meinen absoluten Lieblingsbücher (und war Namensgeber für eines meiner eigenen Bücher: „Die Neuentdeckung des Himmels“). Immerhin spielt dort ein Astronom eine Hauptrolle, was in der erfolgreichen Literatur abseits der Science-Fiction ja eher selten ist. Und Max Delius, der Radioastronom aus den Niederlanden ist in Mulisch Buch nicht einfach nur Staffage, sondern mitsamt der gesamten Astronomie ein wichtiges Handlungselement. Der ¨Himmel¨, der im Buch entdeckt wird, ist zwar explizit ein religiöser und kein naturwissenschaftlicher – aber ohne Astronomie ginge es trotzdem nicht. Und wenn die im Buch vorkommende Astronomie zwar auch aus heutiger Sicht natürlich veraltet ist, stellt sie den Wissensstand der 1960er und 1970er Jahre hervorragend dar. Quasare, Pulsare, usw – all die damals neu entdeckten Phänomene tauchen auch im Buch auf.

mulisch

Aber gut – ich bespreche hier ja kein astronomisches Sachbuch sondern einen großartigen Roman. Die Rahmenhandlung besteht im Bund zwischen Gott und den Menschen – beziehungsweise dem Bruch dieses Bundes. Gott hat, kurz gesagt, keine Lust mehr auf die Menschen, die ihn sowieso nicht mehr zu benötigen scheinen. Also will er die Tafeln der 10 Gebote wieder zurück haben. Das ist aber scheinbar nicht so einfach, beziehungsweise muss von der richtigen Person auf die richtige Weise erledigt werden. Und damit diese richtige Person geboren werden kann und auf die richtige Weise aufwächst, müssen einige seltsame Dinge passieren. Ein Nazi muss eine Jüdin heiraten. Das Kind dieser Eltern – besagter Astronom – muss einen Sprachwissenschaftler aus der politischen Elite der Niederlande als besten Freund gewinnen. Und beide müssen eine komplizierte Dreiecksbeziehung zu einer Cellistin beginnen. Die Geschichte entwickelt sich in der linken Szene von Amsterdam, dem Radioobservatorium von Westerbork, Fidel Castros Kuba und der niederländischen Provinz bevor sie sich auf die zum religiösen Thema passenden Schauplätze Rom und Jerusalem verlegt.

Ich habe das Buch schon mehrmals gelesen und immer wieder mit großer Freude. Ich finde einerseits die Mischung aus Astronomie, Geschichte, Sprachwissenschaft und Religion äußerst anziehen; andererseits aber auch die auf den ersten Blick unpassend erscheinende Vermischung mit der linken Revoluzzer-Szene der 1960er und 1970er Jahre. Dazu kommen die seltsamen Personen: Max Delius, Onno Quist und Ada Brons die alle irgendwie enorm absurd aber am Ende doch so realistisch charakterisiert sind, dass man sich wünscht, sie im echten Leben kennen zu lernen.

Auch ¨Die Entdeckung des Himmels¨ ist ein wunderbares Urlaubsbuch; aber man muss den Urlaub eventuell ein wenig länger planen, denn mit um die 800 Sachen braucht es ein wenig, bis der große Auftrag Gottes ein Ende findet (wer die Geschichte schneller erleben will, sollte sich die Verfilmung ansehen – die kommt zwar nicht an das Buch heran, aber dafür spielt Stephen Fry eine Hauptrolle und Stephen Fry ist immer genial!)

Russische Science-Fiction und Fantasy

Zum Abschluss gibts noch ein wenig Science-Fiction und Fantasy aus Russland. Dmitry Glukhovskys Metro-Romane gehören ja zu den absoluten Bestsellern auf dem Markt: Nach einem Atomkrieg ist die Welt zerstört und nur in Moskau haben sich Überlebende in den weitläufigen Tunneln der Ubahn eine neue Welt aufgebaut. Die Gruppen die an den einzelnen Metro-Stationen leben haben sich zu ¨Nationen¨ zusammengeschlossen.

Metro 2035 von Dmitry Glukhovsky
Metro 2035 von Dmitry Glukhovsky

Es gibt ein kommunistisches Reich, eine faschistische Dikatur, ein Handelsimperium und alles was man so braucht um die Welt im Kleinen nachspielen zu können. ¨Metro 2033¨ und ¨Metro 2034¨ fand ich noch recht originell und spannend. Den aktuellen Band „Metro 2035“ dagegen nicht mehr so. Die Sache mit der seltsamen Welt in den Ubahn-Tunneln habe ich mittlerweile kapiert und leider kam da nicht viel Neues dazu. Obwohl es anfangs anders aussah: In diesem Band macht sich die auch schon aus den früheren Büchern bekannte Hauptperson Artjom nämlich auf den Weg aus dem Untergrund zurück an die lebensfeindliche Oberfläche. Obwohl die vielleicht gar nicht so lebensfeindlich ist – und die Moskauer eventuell nicht die einzige Überlebenden…

Aber irgendwann macht der Autor nicht viel aus dieser eigentlich sehr interessanten Idee. Wieder spielt sich fast alles nur unter der Erde ab; wieder treibt man sich bei den Faschisten, den Kommunisten und der Hanse herum;wieder gibt es unterirdische Kriege und wieder (und noch viel mehr als sonst) wird alle paar Seiten seitenlang herumphilosophiert. Wer die Metro-Welt mag, wird dieses Buch vermutlich auch mögen. Es ist ja auch ganz ok – aber halt nicht außergewöhnlich und nichts, was man ob irgendeines massiven Plot-Twists unbedingt lesen müsste…

Besser gefallen mir da schon die Fortsetzungen der ¨Wächer¨-Reihe. Sergei Lukianenkos Science-Fiction sind eigentlich alle hervorragend und auch alle immer hervorragend originell was die Handlung angeht. Das gilt auch für seine Fantasy-Bücher aus der Welt der ¨Wächter¨. Die Welt in der sie spielen ist unsere normale Welt. Nur das es eben noch eine ¨andere¨ Welt gibt in der Andere wohnen. Das sind Menschen mit magischen Fähigkeiten, die sich entweder der ¨Dunklen¨ oder der ¨Lichten¨ Seite anschließen. Für Recht und Ordnung und die Einhaltung des ¨Großen Vertrags¨ der den Frieden zwischen beiden Seiten garantiert, sorgen die ¨Tagwache¨ und die ¨Nachtwache¨, die aber trotz des mittelalterlichen Namens eher modernen Polizeieinheiten ähneln. Deswegen hat die Handlung der Bücher auch streckenweise sehr viel Ähnlichkeit mit klassischen Krimis. Verbrechen und Morde geschehen und müssen aufgeklärt werden – nur spielt eben ständig Magie eine Rolle.

Nachdem Lukianenko die Wächter-Serie in sechs Büchern zu einem schönen Abschluss gebracht hat, wollte er diese Welt anscheinend noch nicht ganz verlassen. In ¨Die neuen Abenteuer der Wächter¨ geht es weiter. Es handelt sich um drei Bände: „Die Wächter – Licht und Dunkelheit“, „Die Wächter – Dunkle Verschwörung“ und „Die Wächter – Nacht der Inquisition“. Diesmal aber spielen die von früher bekannten Figuren nur Nebenrollen oder tauchen gar nicht auf. Auch die Wachen aus Moskau werden höchstens einmal erwähnt. Stattdessen treffen wir Wächter aus St. Petersburg. Oder die Lehrer einer Schule, in der junge Andere den Umgang mit der Magie lernen (und trotz allem hat das alles so gar nichts mit Harry Potter zu tun). In der Industriestadt Samara müssen sich die Wachen mit einem völlig neuen Typ von ¨Anderem¨ herumschlagen. Und schließlich erfahren wir im dritten Band auch, wie die Arbeit der Wächter in der sibirischen Provinz der 1970er Jahre ausgesehen hat.

Wer mit dem ganzen Universum von Lukianenko nichts am Hut hat, wird auch mit den neuen Wächter-Büchern nichts anfangen können. Ich würde dann aber trotzdem mal empfehlen einen Blick in „Wächter der Nacht“ zu werfen – es könnte sich lohnen und macht vielleicht Lust auf mehr! Wer die Wächter-Romane dagegen gerne gelesen hat, wird auch mit diesen neuen Büchern jede Menge Spaß haben!

Religionen in Deutschland

Ebenfalls gelesen und schon in einem eigenen Artikel ausführlich besprochen habe ich das sehr gute Buch „Deutschland, deine Götter“ von Gideon Böss.

Und Schluss!

Im Juli war ich hauptsächlich damit beschäftigt, selbst ein Buch zu schreiben (Das Manuskript ist fertig – Juhu!) und hatte eher wenig Zeit, andere Bücher zu lesen. Aber ein paar habe ich dann doch geschafft und die will ich euch wie üblich am Ende des Monats vorstellen. Diesmal waren es hauptsächlich Romane und nur ein Sachbuch – aber empfehlenswert war diesmal (fast) alles was ich gelesen habe.

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Ein Gedanke zu „Paradiesisches Minigolf, Himmlische Klassiker und russische Zauberer: Die Buchempfehlungen für Juli 2016“

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