Dieser Text sollte eigentlich anderswo erscheinen. Dort hat es aber nicht gepasst; deswegen erscheint er nun hier in meinem Blog.
Die Naturkonstanten der Physik beschreiben die fundamentalen Eigenschaften des Universums. Und die Gravitationskonstante ist diesen Fundamenten näher als die meisten anderen. Gravitation ist die Kraft, von der die großräumige Struktur des Kosmos definiert wird. Die Kraft, die seit dem Urknall die Entwicklung unseres Universums bestimmt und das bis in alle Ewigkeit weiterhin tut. Die Gravitation lässt Galaxien, Sterne und Planeten genau so umeinander kreisen wie sie den Alltag auf unserer Erde beeinflusst. Die Gravitation ist überall und die Gravitationskonstante sagt uns, wie stark diese Kraft ist.
Die Teilchenphysiker in ihrer Mikrowelt der Elementarteilchen können es sich vielleicht noch leisten, die Gravitation zu ignorieren. Aber ich als Astronom kann das nicht. Egal ob ich bei meiner Arbeit die klassische Theorie von Isaac Newton oder Albert Einsteins verbesserte Beschreibung der Gravitation in Form der Allgemeinen Relativitätstheorie benutze: Die Gravitationskonstante taucht in beiden Formeln in prominenter Rolle auf.
Es ist daher verständlich, wenn die Wissenschaftler den Wert dieser Zahl so genau wie nur möglich kennen wollen und es ist frustrierend, das sich dieses Vorhaben als so schwer erwiesen hat. Offiziell wird der Wert der Gravitationskonstante derzeit mit 6,67408 10-11 m³/s²kg angegeben. Von diesen Zahlen ist man sich aber nur der ersten 3 Stellen hinter dem Komma sicher; die Gravitationskonstante ist von allen fundamentalen Naturkonstanten am ungenausten bestimmt.
Das liegt vor allem daran, dass die Gravitation trotz ihrer universalen Dominanz eine sehr schwache Kraft ist. Wir Menschen haben zum Beispiel kein Problem, allein durch unsere Körperkraft der gesamten gravitativen Anziehung der Erde entgegen zu wirken und in die Luft zu springen. Will man die Gravitationskonstante experimentell messen, braucht man dazu zwei Objekte deren Massen exakt bekannt sind. Das lässt sich derzeit nur mit vergleichsweise kleinen Körpern realisieren und dementsprechend ungenau sind die Messungen.
Einfacher wäre es, könnte man die großen Himmelskörper wie Erde oder Sonne selbst für Messungen heranziehen. Aber wenn wir auch ganz gute Vorstellungen von deren Massen haben, reicht die Genauigkeit bei weitem nicht aus, um die Gravitationskonstante besser zu bestimmen. Wir Astronomen haben daher eine Zeit lang zu einem kleinen Trick gegriffen. Während einer Konferenz der Internationalen Astronomischen Union (IAU) im Jahr 1963 wurde die Konstante schlicht und einfach per Definition auf einen Wert von exakt 0,01720209895 festgelegt. Das funktioniert natürlich nur, wenn man die Einheiten entsprechend wählt. Anstatt Kilogramm, Meter und Sekunde verwendete man hier als Grundlage die Masse der Sonne, die Länge eines Tages und den mittleren Abstand zwischen Sonne und Erde. Die letzte Größe, die sogenannte „Astronomische Einheit“, wurde im Jahr 1976 sogar offiziell in Abhängigkeit dieser neuen Gravitationskonstante definiert: Eine Astronomische Einheit ist die Strecke, für die die Konstante exakt den oben angegeben Wert annimmt, wenn man sie als Einheit für die Länge verwendet.
Dieses Vorhaben macht Sinn, wenn es um die Astronomie geht. Massen und Entfernungen können hier selten so genau bestimmt werden, um die Verwendung von „kleinen“ Einheiten wie Meter oder Kilogramm zu rechtfertigen. Trotzdem wurde die Definition im Jahr 2012 wieder abgeschafft und wir Astronomen mussten uns von unserer Spezialversion der Gravitationskonstante verabschieden.
Jetzt liegt es wieder an den Physikern, die Genauigkeit ihrer Experimente zu verbessern. Diese Aufgabe wird nicht einfach werden; auch wenn weltweit verschiedene Teams an diesem Projekt arbeiten, ist es noch nicht gelungen, zu übereinstimmenden Ergebnissen zu gelangen. Früher oder später wird es ihnen hoffentlich gelingen. Ansonsten helfen wir Astronomen gerne wieder mit ein paar Rechentricks aus!
Das heisst, es wird immer noch ein wahrscheinlich etwas abgewandelter Versuch von Cavendish zur Bestimmung verwendet (Gravitationskraft zwischen zwei Massen orthogonal zur Erdanziehungskraft). Wie gross sind diese Massen inzwischen ueblicherweise? Und was ist der begrenzende Faktor: die Ungenauigkeit, die man durch das Zusammenstueckeln von X +- epsilon Tonnen Eisen aufreisst, oder die Reibung in den Lagern?
Es klingt wie ein Witz:
Wir kennen die Gravitationskonstante so schlecht,
führen aber den Nachweis von ultraschwachen Gravitationswellen.
@Nostradamus
Es ist meist einfacher relative Änderungen zu erkennen als absolute Werte.
@Flo: Was Du da als Trick der Astronomen beschreibst- ist das nicht identisch mit der Gaußschen Gravitaionskonstante? Also schon etwas älter und eher ein Zrick eines Mathematikers?
„ist das nicht identisch mit der Gaußschen Gravitaionskonstante?“
Ja – und klar ist die älter und wurde auch davor verwendet. Aber erst halt später offiziell zur Definition verwendet.
@Franz
Wir kennen die Gravitationskonstante relativ schlecht.
Mit welchen Mitteln versucht denn die Experimentalphysik der Gravitationskonstanten auf die Spur zu kommen? Genauere Bestimmung großer Massen oder genauere Messung kleiner Kräfte? Soweit ich weiß, arbeitet man bereits fieberhaft daran, die Gravitation auf einer Größenskala im Zehntelmillimeterbereich genau zu messen, weil man damit Hinweise auf kompaktifizierte Extradimensionen gewinnen könnte, falls es sie gibt.
Wenn man den Wert der Gravitationskonstante nicht exakt kennt, wie will man dann wissen, daß er wirklich konstant ist? Und sich nicht ändert, wenn z.B. zwei Schwarze Löcher verschmelzen und damit die Gesamtmasse des Universums mal eben um 3 Sonnenmassen verringert wird?
So wie beim Teich: wenn ich einen Stein hineinwerfe, erzeuge ich Wellen an der Oberfläche. Zugleich steigt diese entsprechend dem Volumen des Steins an.
@rauskucker: „und damit die Gesamtmasse des Universums mal eben um 3 Sonnenmassen verringert wird?“
Naja, angesichts der Tatsache dass es im Universum mindestens 100 Milliarden mal 100 Milliarden Sonnenmassen in Form von Sternen in Galaxien gibt und diese Masse selbst nur 5 Prozent der GESAMTMasse des Universums ausmacht, ist das relativ irrelevant. Aber ja, die Frage, ob sich die Gravitationskonstante im Laufe der Zeit ändert ist eine Frage die durchaus ernsthaft untersucht wurde und wird.
@rauskucker
Die Masse verschwindet ja auch nicht einfach sondern wird zu Gravitationswellen. Und die sind selbst auch ne Quelle für Gravitationsfelder…
Also was jetzt?, 2011 wurde ein Massenverlust beim Urkilogramm in Paris festgestellt, 2013 wird das gleiche Urkilogramm weiterhin leichter, auch 2015 nimmt die Masse des Urkilogramms weiter ab,… was nun?, verändert sich vielleicht doch die Gravitationskonstante durch die Expansion des Weltalls? 😉
> Jetzt liegt es wieder an den Physikern, die Genauigkeit ihrer Experimente zu verbessern.
The 2014 value of the Newtonian constant of gravitation G has a relative uncertainty of 4.7 × 10‑5, a reduction by a factor of 4.7.
Das bedeutet eine Trendumkehr gegenüber den Jahrzehnten zuvor, wo die Unsicherheit anwuchs. Verglichen mit anderen Konstanten ist der Fortschritt bei G keineswegs zu vernachlässigen:
https://codata.org/blog/2015/08/04/codata-recommended-values-of-the-fundamental-physical-constants-2014/
Für 2018 stehen Änderungen am SI-System ins Haus.
bitte nicht schimpfen.
aber in dem text kam gravitation und urknall zur sprache und da habe ich ein problem.
also eine winzige masseanhäufung ( relativ zur gesamtmasse des universums ) führt zur entstehung eines schwarzen loches.
wenn also die gravitation und die lichtgeschwindigkeit auch unter diesen bedingungen konstant währen (masseanhäufung des gesamten. niversums an einem punkt) dürfte es denn urknall doch garnicht gegeben haben. oder ?
@tomtoo: „wenn also die gravitation und die lichtgeschwindigkeit auch unter diesen bedingungen konstant währen (masseanhäufung des gesamten. niversums an einem punkt) dürfte es denn urknall doch garnicht gegeben haben. oder ?“
Kannst du das nochmal anders formulieren? Ich hab nämlich nicht die geringste Ahnung was das bedeuten soll…
Es gibt einige interessante Konstanten bei denen man sich fragt, wann genau sie sich gebildet haben. War das in der ersten Planck-Zeit? Oder kurz danach?
Was mich auch interessieren würde, wie groß ist die Gesamt-Energie des Universiums, kann sie geschätzt werden? Gibt es Hinweis auf mögliche Änderungen (was dann vermutlich dem Energieerhaltungssatz wiederspräche)?
@Laie
Gemäß manchen Versionen der Inflationstheorie entstanden die Werte der Naturkonstanten, als das falsche Vakuum vor und während der Inflation sich in das echte (heutige) Vakuum nach der Inflation wandelte (sogenanntes „Reheating“, weil die frei werdende Vakuumenergie das Universum enorm aufheizte). Das wäre dann so bei 10^-33 s Weltalter gewesen. Wenn’s denn stimmt.
Die Gesamtenergie des Universums kann nicht geschätzt werden, weil seine Größe unbekannt ist. Was hingegen geschätzt werden kann, sind die Dichte von Strahlung, Materie (Dunkler wie sichtbarer) und Dunkler Energie. Multipliziert mit einem Volumen (etwa dem des sichtbaren Universums, das durch die Lichtlaufzeit während des Weltalters begrenzt ist) kann man so auf eine Energie im Volumen schließen.
Der Energieerhaltungssatz gilt nur in Inertialsystemen. Da das Universum expandiert und so z.B. Photonen in der Wellenlänge gestreckt werden, also Energie verlieren (langwelliges Licht hat weniger Energie als kurzwelliges), ist die Energieerhaltung auf kosmologischen Dimensionen nicht erfüllt.
Hm, spannend.
Wenn ich mal spekulieren darf? Wenn man die gesamte Masse des Universum auf kleinstem Raum zusammenpresst, ergibt das etwas, das (logischerweise) schwerer ist als jedes denkbare Schwarze Loch. Da einem Schwarzen Loch aber eben nichts entkommen kann, dürfte es gar nichts geben.
Mein spontaner Einwand dazu: Wer behauptet denn, irgendetwas wäre jemals diesem Miniuniversum entkommen? Alles, was damals drin war, ist auch heute noch drin, nur dieses „alles“ sieht heute etwas anders aus, ebenso wie das „drin“.
@captain e und @florian
ja captain e das wollte ich damit zum ausdruck bringen. könnte doch aber auch sein das die lichtgeschwindigkeit viel grösser war oder die gravitation viel schwächer ?
das mit dem drinn also der gedanke ist interresant führt bei mir aber leider zu einer akuten hirnverzwierbelung und bedürfte einer weitere ausführung wenn machbar.
gruss
tom
Wer GLAUBT da, die Energieerhaltung würde im kosmologischen Maßstab nicht gelten ? Willkommen bei der Religion Physik. Das gibt mir die Möglichkeit, auf die Menschen zu wirken, ohne daß sie es merken. Jetzt muß ich nur noch dafür sorgen, daß sie Frau Noether wieder vergessen.
@tomtoo:
Schon klar – das ist auch alles nicht einfach. Natürlich müsste unser Universum, eingebettet in ein größeres Universum, dort als Schwarzes Loch gesehen worden sein. Nur gab es dieses größere Universum überhaupt nicht. Oder eben doch, aber wir würden es niemals erfahren! Wer weiß? Vielleicht befindet sich in jedem Schwarzen Loch ein ganz eigenes Universum, und etwaige Beobachter in diesem Universum stellen eine Expansion des Raumes fest? Aber wie sollten wir überprüfen, ob dem so ist? Nichts dringt aus den Schwarzen Löchern heraus, auch keine Information.
lieber gott , du meinst bestimmt die emmy ?
erhaltungsgrössen,symmetrie usw.
hab nur eine frage an dich !
warum haste ausgerechnet mich so doof gebaut ?
@tomtoo
Ich muß es zugeben: ich bin leider nicht allmächtig. Wenn ich für alles Leid dieser Welt verantwortlich wäre, dann würden mich die Menschen hassen.
@captain e
ok das sehe ich ein , ich könnte doch aber auch einfach sagen ( vor mich hinspinnen ) unter diesen extremen bedingungen bricht die gravitatsionskonstante einfach zusammen.
päng da isses das universum.
apropos. wenn schon gott sich mal auf der party blicken lässt. was meinten der dazu ?
😉
auserdem bin ich jetzt eh bezüglich der energierhaltung ganz verwirrt. ok das im quantenmasstab nehme ich halt mal so hin. aber jetzt auch noch im kosmologischen masstab ??
Diesen ominösen omnipotenten Gott, ist nur Ur-Langweilig gewesen, deshalb hatte er alles aus Pandoras Kiste (unser Schwarzes Loch) entweichen lassen und das Ergebnis ist, das große Tohuwabohu, diese sehen und erleben wir ja täglich. 😉
Ich bin nicht dazu da, die Menschen zu belehren ! Und vieles, was ich ihnen erzählen könnte, würden die Menschen mir auch gar nicht glauben !
Die Menschen sind süchtig nach GLAUBEN. Es hat lange gedauert, bis die Menschen aufgehört haben, zu GLAUBEN, die Erde wäre eine Scheibe. Es hat lange gedauert, bis die Menschen aufgehört haben, zu GLAUBEN, alle Himmelskörper würden sich um das Zentrum Erde drehen. Die Menschen haben sogar Menschen, die es besser WUSSTEN, ermordet ! Daran, daß ich das nicht verhindern konnte, seht ihr, daß ich leider nicht omnipotent bin. Aber GLAUBT nur daran.
Der GLAUBE ist in den Menschen so tief verwurzelt, daß er sogar in dem, was sie als exakte Naturwissenschaft bezeichnen, Eingang erhält. Da werden Dinge, von denen man GLAUBT, sie wären so mit Dingen vermischt, von denen man WEISS, sie sind so. Die Menschen sollten als allererstes damit anfangen, Hypothesen von Tatsachen zu trennen.
Und die Menschen sollten sich fragen, wie kommt denn dieser hypothetische Zustand zu Stande, was ist die Ursache. Sonst bleibe nur ich als Ursache übrig.
Und ich sage euch: Ich war es nicht !
@tomtoo
https://www.preposterousuniverse.com/blog/2010/02/22/energy-is-not-conserved/
https://motls.blogspot.de/2010/08/why-and-how-energy-is-not-conserved-in.html
@Herr Gott:
Die Sache mit der Energieerhaltung gilt nur für Systeme die Zeitlich symmetrisch sind. Dh. wenn das totale Differential der Lagrangefunktion nach der Zeit = konst ist.
Für ein expandierendes Universum gibt die ART eine solche aber nicht her. -> Keine Energieerhaltung.
Vielleicht liest du mal die Artikel, die @Alderamin verlinkt hat.
Ganz schön unallwissend dieser Gott.
Und zum dumm rum schwafeln neigt er auch noch …
> #28 Alderamin, 14. Juli 2016
> https://www.preposterousuniverse.com/blog/2010/02/22/energy-is-not-conserved/
Einen Klick weiter landest du hier: The Greatest Scientist You’ve Never Heard Of
[…] den Astronomen spielt die Gravitation eine große Rolle, und deshalb ist es für viele umso ärgerlicher, dass man […]
@alderamin danke für die links.
@Alderamin
Danke für die tollen Informationen. Mir wird das Universium immer unheimlicher, nicht mal der Energieerhaltungssatz hält auf lange Dauer? Die Energie verflüchtigt sich also so oder so?
Die hohe Temperatur am Anfang nur durch den Phasenübergang?
Sollten wir derzeit in einem metastabilen falschen Vakuum leben, würde sich dann bei einem Phasenübergang neben den bekannten Naturgesetzen nicht auch die Existenz der bis dahin recht stabilen schwarzen Löchern mit-auflösen?
Und was passiert mit der Information?
(Ich denke dann mal morgen weiter)
Wenn die Definition abgeschafft wurde, womit rechnen NASA, ESA und konsorten dann in den letzten Jahren? Wohl immer noch mit diesem Wert, oder?