Heute Abend spielt bei der Fußball-Europameisterschaft Österreich gegen Ungarn (Wer sich in Wien aufhält und Lust hat: Im Vorfeld des Spiels werden Martin Puntigam und ich in unserer Funktion als Science Busters im FM4 EM-Quartier im WUK vor dem Spiel ein wenig über Ungarn und seine Wissenschaft plaudern). Ein Spiel mit Tradition: Gegen Ungarn hat Österreich im Jahr 1902 sein erstes offizielles Länderspiel durchgeführt (und 5:0 gewonnen). Bis heute sind diesem ersten Spiel 135 weitere gefolgt; mehr als gegen jedes andere Land. Noch mehr Tradition als österreichisch-ungarischer Fußball hat aber die ungarische Wissenschaft und darum geht es heute in meiner Serie um Forschung aus den EM-Teilnehmerländern.

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Leó Szilárd, Edward Teller, Eugene Wigner, John von Neumann, Paul Erdős, Theodore von Kármán, Ignaz Semmelweis, Farkas und János Bolyai: Ungarische Namen sind zahlreich unter den großen Wissenschaftlern der Vergangenheit vertreten. Das kleine Land hat immerhin 11 Nobelpreisträger aus den Wissenschaftskategorien hervor gebracht (mehr, wenn man die unklaren Fälle aus der Zeit Österreich-Ungarns mitzählt. Aber wie so oft sind es die Wissenschaftlerinnen, die trotz ihrer Leistungen bei weitem nicht so bekannt sind, wie sie es sein sollten.

Zum Beispiel Elizabeth Rona. Sie wurde am 20. März 1890 in Budapest geboren. Ihr Vater war Arzt und vor allem vom Radium begeistert. Diese radioaktive chemische Element wurde erst 1898 von Marie und Pierre Curie entdeckt und Elizabeths Vater versuchte es bei der Behandlung von Hautkrankheiten einzusetzen. Elizabeth selbst war auch an der Naturwissenschaft interessiert und begann 1909 ein Studium an der Uni Budapest.

Danach ging sie nach Karlsruhe und arbeitete dort mit dem Physiker Kasimir Fajans zusammen. Glaubt man Wikipedia, dann hat er – nicht alleine aber auch – etwas entdeckt, dass er „Pliaden“ nannte. Das klingt so wie die schöne Sterngruppe; ist aber das was man heute „Isotope“ nennt (ich bin mir aber nicht sicher, inwiefern man Wikipedia hier vertrauen kann – dieses Wort habe ich sonst nirgends gefunden). Isotope sind Variationen chemischer Elemente, deren Atomkerne unterschiedlich viele Neutronen im Kern enthalten. Ein Atomkern besteht aus Protonen und Neutronen und während die Zahl der Protonen die chemischen Eigenschaften bestimmt, jedes chemische Element also immer genau gleich viele Protonen enthalten muss, gibt es bei den Neutronen Möglichkeit zur Variation. Ist das Verhältnis von Protonen und Neutronen aber nicht mehr ausgewogen, dann wird das Atom instabil.

Viele Isotope chemischer Elemente sind daher radioaktiv (das ist ja nur ein anderes Wort für ein instabiles Atom, das zerfällt) und Rona hat unter anderem erforscht, wie sich die unterschiedlichen Arten radioaktiver Isotope verhalten. Sie forschte in Karlsruhe, Wien und Berlin und arbeitete unter anderem mit Otto Hahn zusammen. Dabei wies sie die Existenz des Elements Thorium-231 nach und arbeitete gemeinsam mit ihren Kollegen daran, radioaktive Isotope als Markierung bei der Untersuchung chemischer Reaktionen zu benutzen.

PET-Scan (Bild: gemeinfrei)
PET-Scan (Bild: gemeinfrei)

Diese Methode ist auch heute noch von großer Bedeutung. In der Nuklearmedizin verwendet man geringste radioaktive Substanzen die in den Stoffwechsel eingebracht werden und so leicht verfolgt werden können. Man kann dann sehen, was genau im Körper passiert und wo es Probleme gibt. Wer sich zum Beispiel einer Positronen-Emissions-Tomographie (PET) unterziehen muss, trinkt vorher eine Flüssigkeit die ein wenig radioaktives Material enthält; sogenannte „Tracer“: Ein Wort, das von Rona eingeführt wurde.

Später hat Rona bei Irene Curie, der Tochter von Marie Curie in Paris gearbeitet und dort unter anderem erforscht wie man radioaktive Isotope am besten voneinander trennt – zum Beispiel wie man Plutonium isoliert. Ab 1924 war sie am Institut für Radiumforschung in Wien tätig und hat 1933 von der österreichischen Akademie der Wissenschaft den Haitinger-Preis verliehen bekommen (ziemlich überraschend für eine jüdische Frau im Österreich der 1930er Jahre…)

1938 musste Rona dann aber doch aus Österreich fliehen und emigrierte in die USA. Dort forschte sie weiter und hat unter anderem untersucht wie man die Menge an radioaktiven Elementen in Meer- und Flusswasser misst und mit radioaktiven Elementen Sedimentschichten datieren kann. Als jemand, der sich mit der Trennung und Aufbereitung radioaktiver Elemente auskennt, ist sie natürlich auch kontaktiert worden, als die USA das Manhattan Projekt zum Bau der ersten Atombombe gestartet haben. Im Gegensatz zu ihren ungarischen Kollegen Edward Teller, Leó Szilárd, Eugene Wigener und John von Neumann hat Elizabeth Rona aber nie direkt mitgearbeitet. Ihre Forschungsergebnisse wurden aber durchaus benutzt; nicht nur für das Manhattan-Projekt sondern auch um den medizinischen Einfluss radioaktiver Strahlung auf den Menschen abzuschätzen.

Dass die Gefahren nicht so gering sind, wie man früher dachte, war Rona aber schon recht bald in ihrer Karriere klar. Andere sahen das anfangs ja eher locker. Der sorglose Umgang von Pionieren bei der Erforschung radioaktiver Elemente führte dann ja leider auch oft zu deren frühen Tod, wie zum Beispiel bei Marie Curie. Rona war überzeugt, dass man ein wenig vorsichtiger sein müsse. Das kam nicht immer gut an: Stefan Meyer, Ronas Chef am Radiuminstitut in Wien meinte beispieslweise, man müsste sich nicht groß um Schutzmaßnahmen kümmern und verweigerte Rona Schutzmasken aus dem Budget der Universität. Sie besorgte sich daraufhin welche auf eigene Kosten und das war offensichtlich eine gute Idee. Sie wurde immerhin 91 Jahre alt und starb am 27. Juli 1981.

Institut für Radiumforschung in Wien (Bild: Dr Bernd Gross, CC-BY-SA 4.0)
Institut für Radiumforschung in Wien (Bild: Dr Bernd Gross, CC-BY-SA 4.0)

Ein wenig zur Biografie Elizabeth Ronas findet man im Sammelband „European Women in Chemistry“*; für ihre wissenschaftliche Autobiografie „How it came about: Radioactivity, nuclear physics, atomic energy“ aus dem Jahr 1978 habe ich bis jetzt leider Bezugsquelle gefunden (ebenso wenig wie ein Foto von ihr unter freier Lizenz).

P.S. Hinweise und Vorschläge für andere interessante Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den EM-Ländern nehme ich gerne in den Kommentaren entgegen!

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8 Gedanken zu „Elizabeth Rona, die Radiochemie und die gefährlich-nützliche radioaktive Strahlung“
  1. „Ab 1924 war sie am Institut für Radiumforschung an der Uni Wien tätig “

    Das Institut für Radiumforschung (jetzt Stefan Meyer Institut für subatomare Physik) war das erste Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und gehört nach wie vor dazu.

  2. Der sorglose Umgang von Pionieren bei der Erforschung radioaktiver Elemente führte dann ja leider auch oft zu deren frühen Tod, wie zum Beispiel bei Marie Curie.

    Oh, das ging durchaus noch länger so weiter.

  3. @Bullet

    Habe in einer Biographie über Richard Feynmann gelesen, dass sie da im Labor eine dieser Plutoniumkugeln auf dem Tisch hatten und sich freuten, dass die so schön warm war und leuchtete. Damit ist zwar kein Unfall passiert, aber die Beschäftigten starben überwiegend, wie Feynmann auch, an Krebs.

  4. @Bullet:

    Der sorglose Umgang von Pionieren bei der Erforschung radioaktiver Elemente führte dann ja leider auch oft zu deren frühen Tod, wie zum Beispiel bei Marie Curie.

    Oh, das ging durchaus noch länger so weiter.

    Bei Daghlian und Slotin dürfte es aber eine etwas andere Art der Sorglosigkeit gewesen sein als bei den Curies. Die beiden dürften zumindest gewusst haben, dass das Einsetzen der Kettenreaktion unbedingt zu vermeiden gewesen wäre, und beide haben direkt nach deren Einsetzen die Neutronenreflektoren ganz fix wieder entfernt. Das Hantieren mit dem Demon Core an sich war noch nicht das Problem. Ob das Tragen von Schutzkleidung die beiden hätte retten können?

  5. „…Später hat Rona bei Irene Curie, der Tochter von Marie Curie in Paris gearbeitet und dort unter anderem erforscht wie man radioaktive Isotope am besten voneinander trennt – zum Beispiel wie man Plutonium isoliert. …“

    Ich vermute mal, das hier Polonium gemeint ist. Plutonium wurde ja erst 1940 von Seaborg und Freunden entdeckt.

    Martin

  6. Wenn man schon bei Ungarn ist, sollte man Rudolf Kálmán (Mathematiker) nicht vergessen. Der hat mich während meiner Diplomarbeit beschäftigt.

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