Sterne sind ewig, dachte man früher. Sie wären immer schon da gewesen und würde auch bis in alle Ewigkeit am Himmel stehen. Das dachte man hauptsächlich aus philosophischen und religiösen Gründen und weil man keine Möglichkeit hatte, verlässliche Informationen über die wahre Natur der hellen Lichter am Himmel zu erhalten. Es war zwar klar, dass ewige Sterne zu gewissen Widersprüchen führen. Aber Alternativen konnte man sich auch nicht so richtig vorstellen.
Heute wissen wir, dass Sterne entstehen und auch wieder vergehen können. Sie werden geboren und sie sterben und existieren dazwischen für einige Millionen oder Milliarden Jahre. Unsere Sonne hat sich vor 4,5 Milliarden Jahren gebildet und wir in etwa 6 Milliarden Jahren aufhören, ein normaler Stern zu sein. Wenn in den Kernen der Sterne kein Wasserstoff mehr vorhanden ist um die Kernfusion aufrecht zu erhalten, können sie nicht mehr stabil sein. Die Gravitationskraft der Sternenmaterie nimmt überhand und die Himmelskörper fallen in sich zusammen. Sie werden zu kleinen, kompakten Objekten wie Neutronensternen oder weiße Zwerge.
Manchmal geht es aber auch schneller. Manchmal endet das Leben eines Sterns nicht auf natürliche Art und Weise. Unter gewissen Umständen kann er regelrecht zerstört werden und so einen Fall haben nun Astronomen um Juan Hernández Santisteban von der Universität Southhampton dokumentiert („An irradiated brown-dwarf companion to an accreting white dwarf“). Es geht dabei um ein Objekt mit der Bezeichnung SDSS J143317.78+101123.3 oder kurz „J1433“. Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelstern, sondern um ein Doppelsystem das aus einem weißen Zwerg und einem braunen Zwerg besteht.
Weiße Zwerge sind – wie oben schon angedeutet – das was übrig bleibt wenn ein kleiner Stern wie unsere Sonne keinen Brennstoff mehr hat. Der weiße Zwerg in J1433 war also früher mal ein echter Stern. Braune Zwerge dagegen haben es gar nicht bis zum Stern geschafft. Sie haben zu wenig Masse, um in ihrem Inneren dauerhaft Wasserstoff zu Helium zu fusionieren. Nur dass das bei J1433 ein wenig anders gelaufen ist. Der dortige braune Zwerg war früher ein Stern. Aber da der Abstand zwischen ihm und dem weißen Zwerg so gering ist, hat er viel seiner Masse verloren. Materie ist von ihm zum weißen Zwerg gewandert, bis er irgendwann die nötige Massengrenze unterschritten und aufgehört hat, ein Stern zu sein.
Hernández Santisteban und seine Kollegen haben das durch spektroskopische Beobachtungen und Computermodelle heraus gefunden. Normalerweise ist es bei so engen Systemen schwer, Informationen über einzelne Objekte zu erhalten. Man sieht immer nur das kombinierte Licht beider Komponenten. Aber die Astronomen haben hier ein Modell des weißen Zwergs erstellt mit denen es ihnen möglich war, vorherzusagen, was an Licht zu erwarten ist und konnten so das Licht des braunen Zwergs isolieren. Sie haben so sehr viel mehr Informationen über das System erhalten, als vorher möglich war. Der weiße Zwerg wird demnach alle 78 Stunden vom braunen Zwerg umkreist, der 58 mal schwerer als Jupiter als. Damit liegt er klar unter der für die Wasserstoff-Fusion nötigen Massengrenze von 75 Jupitermassen.
Diese Daten passen auch gut zu der Veränderung der Helligkeit die man bei J1433 beobachten kann. Beide Objekte bedecken sich ja gegenseitig regelmäßig und verursachen dadurch Lichtschwankungen. Da sich die beiden so eng umkreisen, sind aber auch andere Effekte relevant. Die Himmelskörper werden verformt und sind nicht mehr sphärisch, sondern eher ellipsoid, was ebenfalls Helligkeitsänderungen verursacht (je nachdem, ob wir gerade auf die „breite“ oder „schmale“ Seite der Objekte blicken). Außerdem heizt der weiße Zwerg mit seiner Strahlung den braunen Zwerg auf; seine Tag- und Nachtseite sind deutlich unterschiedlich hell.
Dass der braune Zwerg in diesem System immer schon ein brauner Zwerg war, können Hernández Santisteban und seine Kollegen ausschließen bzw. halten es für extrem unwahrscheinlich. Wenn Masse von einem Himmelskörper zum anderen wandert, ändert sich dadurch auch seine Umlaufzeit. Und bei J1433 passt sie genau zu dem „Zerstörungs“-Szenario und nicht zu einem System, in dem sich immer schon ein brauner Zwerg und ein Stern friedlich umkreist haben.
Das Universum ist nicht immer freundlich. Und manchmal erwischt es selbst die Sterne…
Interessant wäre auch die weitere Entwicklung der Sterne. So könnte ich mir vorstellen, dass die beiden irgendwann verschmelzen und so für eine Weile ein neuer Stern entsteht.
Ich weiß ja nicht – wenn genügend Material von einem Begleiter auf einen weißen Zwerg fällt, so dass der neben dem langsamen Ausglühen wieder Aktivität entwickeln kann, nennt man das dann nicht „Supernova vom Typ Ia“? Schnell, schmutzig, präzise Standardkerze, und am Ende bleibt nichts mehr übrig außer den dahin treibenden Explosionswolken.
@ Captain E.:
Die SN I entsteht erst dann, wenn der weiße Zwerg so viel Masse akkretiert hat, dass er die Chandrasekhar-Grenze (hoffentlich aus dem Gedächtnis richtig geschrieben…) überschreitet. So lange das nicht der Fall ist, kann er wohl als gewöhnliche Nova mehrere Ausbrüche durchlaufen, bei denen ein Teil der aufgesammelten Materie durch thermonukleare Prozesse abgesprengt wird. Aber aliqid semper haeret, und wenn der Zustrom anhält (wenn er anhält!), dann kommt später doch noch der große Rumms.
So sehe ich das aus, und wenn Krypto mit „neuer Stern“ eine Nova gemeint haben sollte, dann würde das stimmen. Aber durch so ein bisschen Material wird aus einem Weißen Zwerg kein echter Stern mit aktiven Kern, der was auch immer fusioniert, und wenn genügend Materie auftauchen sollte, dann droht bereits die Chandrasekhar-Grenze samt der alles zerstäubenden Typ Ia-Supernova.
@ Captain E.:
Der Weiße Zwerg wird nie mehr aktiv in dem Sinne, dass er eine Fusionszone als stetige Energiequelle bildet, ganz klar. Eine Verschmelzung kann ich mir auch nicht recht vorstellen, die immense Schwerkraft des Weißen Zwergs wird einen Braunen lange vorher aufgerieben haben. Die zwei fallen ja auch nicht direkt aufeinander zu, sondern erhalten ihren Bahndrehimpuls durch einen mehr oder weniger engen Orbit, bei dem stetig Masse von dem kleinen Braunen abgezogen wird. Die Massen Weißer Zwerge liegen immerhin von etwas unter einer halben bis etwas über einer Sonnenmasse – und damit um Größenordnungen über denen brauner Zwerge.
Bei meiner letzten Antwort hatte ich nicht bemerkt, dass sich Dein Kommentar auf Kryptos Beitrag bezog.
@Klaus, Captain.E.:
Es kommt auf die Beschaffenheit des weißen Zwerges und das Massenverhältnis der beiden an:
Falls der weiße einen hohen Heliumanteil und fast keinen Kohlenstoff hat, können die beiden sich bei einer Verschmelzung recht gut mischen und durchaus als alter Hauptreihenstern weiter vor sich hin fusionieren.
Diese Heliumsterne können sich nach ca. 20 Mrd. Jahren entwickeln aus Zwergsternen, die zu wenig Masse zum Heliumbrennen haben.
Als Teil eines engen Binärsystems können sie jedoch wesentlich schneller entstehen und hätten dafür bei einem Weltalter von knap 14 Mrd. Jahren bereits genug Zeit gehabt.
Aber beobachtet hat man so etwas noch nicht, oder?
Hm, anscheinend doch:
V4334 Sgr
V605 Aql
FG Sge
Ja, verschmelzen die beiden nun oder nicht? Unentschieden, würde ich sagen.
Wenn der braune Zwerg Masse an den weißen abgibt, nimmt dessen Masse zu und er zieht den braunen stärker an, worauf dieser auf eine weiter innen liegende Bahn gezwungen wird. Dort verliert er noch mehr Masse und der Prozess verstärkt sich selbst.
Einerseits. Andererseits ist die Masse, die der braune abgibt, die mit dem geringsten Drehimpuls bezogen auf das Barizentrum. Die kinetische Energie pro Masse (des braunen) wird also zunehmen. Das wiederum wirkt dem ersten Effekt entgegen. Welcher stärker ist? Unentscheidbar, würde ich sagen.
Die Masse des braunen Zwergs dürfte nur in den seltensten Fällen einen Unterschied machen, so klein wie er ist. Und dann bleibt ja das grundsätzliche Problem eines Weißen Zwergs: Wenn er zu viel frisst, platzt er irgendwann…
@Artur57
Hier habe ich dazu was gefunden (Seite 16):
D.h. der Abstand wird dann kleiner, wenn Masse vom massiveren zum leichteren Stern fließt; im umgekehrten Fall nimmt der Abstand zu. Im Allgemeinen entwickelt sich der massivere Stern schneller zum Riesen als der Begleiter und gibt Masse ab. Im hier betrachteten Fall ist es aber offenbar umgekehrt und der Braune Zwerg sollte wegdriften, bis der Massentransfer aufhört.
So wie ich das System in den Datenanalysen verstehe, rührt der Begleiter kräftig in der Akkretionsscheibe herum. Daher denke ich, dass eine Verschmelzung unausweichlich ist, falls der BZ nicht schon vorher desintegriert 😉
@Alderamin
Hier habe ich dazu was gefunden (Seite 16):
Mass transfer from more to less massive star shrinks binary and vice versa
Sehr schön, mit Formel. Danke.
Im Allgemeinen entwickelt sich der massivere Stern schneller zum Riesen als der Begleiter und gibt Masse ab. Im hier betrachteten Fall ist es aber offenbar umgekehrt und der Braune Zwerg sollte wegdriften, bis der Massentransfer aufhört.
Ja doch, denn der jetzt kleinere war früher weder braun noch Zwerg. Das wurde er, weil er Masse an den weißen abgegeben hat.