Wenn zwei Galaxien miteinander kollidieren; zwei Sternsysteme die aus hunderten Milliarden von Himmelskörpern bestehen und hunderttausende Lichtjahre groß sind, dann stellt man sich das ziemlich gewaltig vor. Das ist auch der Fall – aber die „Kollision“ ist doch ganz anders, als man denken würde. Über diese „Kollisionen ohne Rumms“ geht es in der heutigen Folge der Sternengeschichten.
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Transkription
Sternengeschichten Folge 176: Kollidierende Galaxien
Wenn Asteroiden mit Planeten kollidieren, dann kracht es meistens gewaltig und im Allgemeinen geht dabei auch ziemlich viel kaputt. Bei der Kollision von Sternen mit Planeten ist es nicht anders und auch wenn Sterne mit anderen Sternen zusammenstoßen – was allerdings so gut wie nie vorkommt – ist das ein gewaltiger Rumms. Wenn allerdings ganze Galaxien miteinander kollidieren, sieht die Sache völlig anders aus. Hier kracht nichts; hier geht nichts kaputt und genau genommen stößt nicht einmal irgendwas konkret mit etwas anderem zusammen. Trotzdem sind die Begegnungen zwischen Galaxien enorm wichtig für die Entwicklung des Universums. Und außerdem noch äußerst interessant!
Das, was Galaxien bei Kollisionen so speziell macht, ist ihre Größe. Und die wahnsinnige Menge an Nichts, das sich zwischen den Sternen befindet! Eine Galaxie wie unsere Milchstraße durchmisst über 100.000 Lichtjahre und besteht aus ein paar hundert Milliarden Sternen. Aber all diese Sterne sind durch dutzende Lichtjahre voneinander getrennt und dazwischen findet man vielleicht ein paar Moleküle interstellare Materie aber ansonsten nicht viel. Wenn nun also zwei Galaxien miteinander zusammenstoßen, dann stößt eigentlich nichts zusammen. Es gibt keine konkreten physikalischen Objekte, die aufeinander prallen. Oder wenn, dann nur in ganz seltenen Fällen und nur durch Zufall. Eine Ausnahme machen die zentralen schwarzen Löcher, aber dazu komme ich später noch.
Zwei kollidierende Galaxien kann man sich wie zwei Sandhaufen vorstellen, die streitende Kinder in der Sandkiste aufeinander werfen: Sie durchdringen einander ohne miteinander zusammen zu stoßen. Im Gegensatz zu den Sandhaufen beeinflussen sich die Galaxien bei so einer Kollision aber durchaus. Begegnen sich zwei Galaxien, kann man folgende Phasen im Ablauf unterscheiden.
Zuerst kommt die Annäherungsphase und was dabei passiert, ist eigentlich selbsterklärend. Die Galaxien nähern sich einander an. Vorerst passiert noch nicht viel; die zwischen ihnen wirkenden Gravitationskräfte können aber schon dafür sorgen, dass sie sich ein wenig verformen. Sterne in den jeweiligen Galaxien werden auf andere Umlaufbahnen gezwungen und die innere Struktur verändert sich ein wenig.
Dann folgt der „Einschlag“, der aber ein wenig irreführend benannt ist. Denn es „schlägt“ ja nichts ein; es berüht sich nichts. Aber die Galaxien beginnen nun einander zu durchdringen. Jetzt geht es wirklich rund; die gravitativen Störungen können sehr stark wirken und die Galaxien verformen. Sie verlieren ihre ursprüngliche Struktur. Material, das heißt Gas oder auch Sterne zwischen den Galaxien werden ausgetauscht. Die Gezeitenkräfte sorgen für die Ausbildung von sogenannten „Gezeitenarmen“, also Brücken aus Sternen, die von einer Galaxie zur anderen reichen können.
Nach dem „Einschlag“ geht es aber noch lange weiter. Da die Galaxien einander durchdringen und sich während so einer Kollision mit mehreren 100 bis 1000 Kilometern pro Sekunde bewegen, entfernen sie sich nach der ersten Durchdringung wieder voneinander. Jetzt kommt die „Selbstgravitationsphase; das heißt die Galaxie fängt an sich wieder unter ihrer eigenen Gravitationskraft zu ordnen. Das führt zu weiteren Veränderungen in der Struktur und wenn die Galaxien Glück haben, bleibt es dabei. Je nach der Geschwindigkeit mit der sie ursprünglich aufeinander getroffen sind, können sie sich nun endgültig voneinander entfernen.
Oder aber es geht weiter. Sind sie zu langsam, folgt auf die erste Annäherung eine zweite. Sie bewegen sich wieder aufeinander zu und durchdringen sich erneut. Das Ganze kann mehrmals hintereinander erfolgen aber irgendwann ist Schluss und es kommt zur Verschmelzung. Aus zwei Galaxien wird eine einzige. Das hat nun wirklich große Auswirkungen. Vor allem die Gaswolken zwischen den Sternen werden bei der Verschmelzung durch die gravitative Wechselwirkung verdichtet. Aus ihnen entstehen jede Menge neue Sterne und eine sogenannte „Starburst“-Phase beginnt. Die Kollision zwischen Galaxien ist also nicht ihr Ende sondern quasi eine Verjüngungskur, die zur Geburt vieler neuer Himmelskörper führt!
Eine Verjüngung allerdings, die nicht dauerhaft ist. Bei der Verschmelzung wird mit einem Schlag fast das gesamte Gas beider Galaxien verbraucht. Einerseits zur Bildung von Sternen, andererseits wird vieles davon auch aus den Galaxien in den intergalaktischen Raum geschleudert. Am bleibt eine einzige verschmolzene Galaxie übrig in der kaum noch neue Sterne entstehen können. Die beginnt nun mit der „Beruhigungsphase“. Die Sterne suchen sich ein neues Gleichgewicht und finden sich auf einigermaßen stabilen Umlaufbahnen um das Zentrum ein. Dort findet dann irgendwann die einzige echte Kollision statt: Im Zentrum einer jeden großen Galaxie befindet sich ein supermassereiches schwarzes Loch. Die beiden Löcher der bei der Kollision beteiligten Galaxien sammeln sich im Zentrum des neu gebildeten Sternensystems und umkreisen dort einander. Sie kommen sich immer näher und stoßen irgendwann zusammen. Sie verschmelzen zu einem einzigen, noch größeren schwarzen Loch und die Kollision der Galaxien hat nun ihr Ende gefunden.
Dieser ganze Prozess kann mehrere Milliarden Jahre dauern. Es ist daher auch unmöglich, eine galaktische Kollision von Anfang bis Ende „live“ zu beobachten. Aber es gibt trotzdem Möglichkeiten, die Sache wissenschaftlich zu untersuchen. Einerseits kann man überall am Himmel Galaxien sehen, die sich in den verschiedensten Stadien der Begegnung befinden. Wir sehen Galaxienpaare, die sich gerade einander annähern; wir sehen welche die sich gerade in der Einschlagsphase befinden und welche, die gerade miteinander verschmelzen. Und so weiter: Der Himmel ist voll mit „Standbildern“ die wir zu einem großen Ganzen zusammensetzen können.
Andererseits haben wir natürlich auch die Möglichkeit, so eine Kollision im Computer zu modellieren. Das ist allerdings gar nicht so einfach. Man muss dabei die gravitative Wechselwirkung zwischen Milliarden Sternen berechnen. Jeder dieser Milliarden Sterne beeinflusst jeden anderen der Milliarden Sterne durch seine Schwerkraft und all das muss immer und immer wieder berechnet werden. Das ist enorm viel Rechenaufwand und mehr als selbst die heutigen Supercomputer schaffen. Aber auch die vereinfachten Modelle der Galaxienkollisionen bei denen nur ein paar tausend Sterne berücksichtigt werden, liefern wichtige Erkenntnise. Und sind auf jeden Fall besser als die Methode die der schwedische Astronom Erik Bertil Holmberg 1941 benutzt hatte.
Obwohl die eigentlich schon ziemlich genial war! Holmberg wollte wissen was bei der Kollision zweier Galaxien passiert. Computer im modernen Sinn gab es damals nicht und schon gar nicht für die Verwendung bei der Beantwortung solcher abstrakten wissenschaftlichen Fragen. Holmberg hat deswegen einfach Glühbirnen verwendet. So wie die Gravitationskraft wird auch die Lichtstärke einer Lampe mit dem Quadrat des Abstands immer schwächer. Jede Lampe in Holmbergs Versuchsaufbau entsprach einem Stern und die Lichtstärke die Holmberg an einem beliebigen Punkt seiner Lampengalaxie messen konnte, entsprach der dort wirkenden Gravitationskraft. Anhand der so bestimmten Kräfte hat Holmberg berechnet, wie sich die Sterne bewegen müssen und die Glühbirnen entsprechend verschoben. Dann hat er seine Lichtmessungen wiederholt, die Lampen/Sterne erneut verschoben, und so weiter.
Es war ein simples Modell und er hatte nur 37 Lampen – aber trotzdem war das damals die erste wissenschaftliche Untersuchung und Modellierung der Begegnung zwischen zwei Galaxien!
Für die Entwicklung des Universums sind die galaktischen Kollisionen ein wichtiger Faktor. Wir gehen davon aus, dass vor allem in der Frühzeit des Kosmos besonders viele davon stattgefunden haben. Die allerersten Galaxien müssen noch recht klein gewesen sein. Wie klein können wir nicht genau sagen, da wir mit den aktuellen Teleskopen nicht so weit hinaus ins All bzw. so weit in die Vergangenheit schauen können. Durch viele Verschmelzungen müssen sie dann aber zu den großen Sternsystemen angewachsen, die wir heute überall beobachten.
Und der Prozess geht weiter. Unsere Milchstraße ist gerade dabei, mit der Andromedagalaxie zu kollidieren. Unser galaktischer Nachbar ist derzeit noch etwa 2,5 Millionen Lichtjahre weit entfernt. Aber sie kommt immer näher und wird uns in ein paar Milliarden Jahren erreichen. In etwa vier Milliarden Jahren werden Milchstraße und Andromeda einander durchdrungen haben. Die schöne Spirale der Andromeda die wir heute im Teleskop am Himmel beobachten können, wird dann völlig verzerrt und riesengroß am Nachthimmel der Erde zu sehen sein. Unseren Planet wird es dann vermutlich noch geben, denn die Sonne wird noch etwa 6 Milliarden Jahre lang existieren. Die Verschmelzung mit der Andromedagalaxie kann zwar dafür sorgen, dass sich die Umlaufbahn der Sonne um das galaktische Zentrum verändert, aber der Erde wird dabei nichts passieren. Leben wird auf dem Planeten dann allerdings schon längst nicht mehr möglich sein, dafür ist es dann schon viel zu warm geworden, wie ich in Folge 35 der Sternengeschichten erzählt habe.
Komplett verschmolzen werden die Milchstraße und die Andromedagalaxie dann in etwa 7 Milliarden Jahren sein. Aus beiden ist eine große, elliptische Galaxie ohne Spiralarme entstanden und wir befinden uns mitten drin. Beziehungsweise würden uns mitten drin befinden. Denn dann wird auch die Sonne ihr Leben schon beendet haben und auch die Erde wird vermutlich verschwunden sein. Aber vielleicht gibt es ja anderswo in der großen, neuen Galaxie jemand, der sich über den neuen Himmel voller Sterne freuen kann…
Ich dachte bisher, dass bei der Kollision von zwei Galaxien üblicherweise als Endstadium eine Wagenradgalaxie herauskommt. Die Cartwheel Galaxy ( https://en.wikipedia.org/wiki/Cartwheel_Galaxy ) scheint aber wohl durch eine Kollision mit einer deutlich kleineren Galaxie entstanden zu sein ( https://burro.cwru.edu/SSAnims/CartwheelFull.mpg ). Inwieweit ist die o.a. Galaxie ein Sonderfall?
@Ludger: „Ich dachte bisher, dass bei der Kollision von zwei Galaxien üblicherweise als Endstadium eine Wagenradgalaxie herauskommt“
Hu; nein! Das ist ein ganz spezieller Fall. Normalerweise gibts bei ner Kollision ne elliptische Galaxie.
Hier mal eine Computersimulation, wie so etwas aussieht. Es ist die Verschmelzung der Sagittarius-Zwerggalaxis mit unserer Milchstraße. Man kann sich vorstellen, dass so etwas wie eine Wagenradgalaxis entstanden wäre, wenn die Ekliptik beider Galaxien in derselben Ebene gelegen hätte. Elliptische Galaxien entstehen, wenn die Ebenen verschieden sind (was meistens der Fall ist).
An dieser Stelle Frage ich mich, wo die jungen Galaxien eigentlich ihre Ekliptik her bekommen. In unserem Sonnensystem ist die Ekliptik das Ergebnis von unzähligen Kollissionen und somit verständlich. Aber Galaxien, da haben Milliarden Sterne plötzlich alle denselben Drehsinn, ohne ersichtlichen Grund. Gibt es dafür eine Erklärung?
Hmm … über das Experiment von dem Herrn Holmberg hätte ich jetzt gerne mehr gelesen / gehört.
Wenn du mal grad nicht so viel zu tun hast, wäre dass eventuell einen eigenen Artikel wert?
Wie man mit „primitiven“ Mitteln etwas über komplizierte Sachen – hier immerhin in riesigen kosmischen Dimensionen! – rauszukriegen versucht, finde ich immer wieder hoch interessant!
@PDP10: „Wenn du mal grad nicht so viel zu tun hast, wäre dass eventuell einen eigenen Artikel wert?“
–> https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2010/08/24/wie-man-mit-gluhbirnen-die-kollision-von-galaxien-simuliert/
@Artur57
Der Drehsinn des Sonnensystems ergab sich aus der zufälligen Rotation der örtlichen Turbulenz in der Molekülwolke, aus der das Sonnensystem entstand (und mit ihm zahlreiche andere Sternsysteme, so eine Wolke kollabiert lokal an vielen Stellen). Die Wolke war ja ein Teil der Milchstraße und somit gewissen Scherkräften ausgesetzt, die die differentielle Rotation der Milchstraße mit sich bringt. Stoßwellen von Supernovae innerhalb der Wolke wirbeln diese zusätzlich durcheinander. Man kann sich das ungefähr vorstellen, als wenn man warme Tinte in kaltes Wasser gibt, das wirbelt so durch die Gegend. Nur zieht sich durch die Schwerkraft die Wolke dann an einzelnen Orten zusammen, wo die Dichte zufällig etwas höher ist. Dabei wird ein vorhandender, zufälliger Drehsinn wegen der Drehimpulserhaltung immer schneller (Pirouetteneffekt). Wenn die Wolke lokal hinreichend dicht komprimiert ist, bildet sie automatisch eine Scheibe aus, denn es gibt eine Hauptdrehrichtung, und Teilchen, die schräg zur Scheibenebene kreisen, durchstoßen diese Ebene und kollidieren mit anderen Teilchen, so dass sie ihre Vertikalbewegung einbüßen. In der Scheibe mit Hauptdrehrichtung bilden sich dann entsprechend auch Planeten und ein Stern mit der gleichen Drehrichtung (die bei streifenden Kollisionen mit großen Körpern allerdings noch modifiziert werden kann).
So, auch Galaxien bilden sich aus großen Gaswolken, die noch größere Galaxienhaufen bilden. Auch darin werden lokal zufällige Turbulenzen entstehen und eine Hauptdrehrichtung vorgeben, die per Pirouetteneffekt verstärkt wird. Interessanterweise geht man heute davon aus, das große Galaxien dadurch wachsen, dass sie weiterhin Gas aufnehmen, aber auch kleine Galaxien verschlucken, ohne dass dabei die Drehrichtung aufgemischt werden würde. Es scheint also so zu sein, dass der Einfall solchen Materials weiterhin in der ursprünglichen Ebene erfolgt. Da malen sehr langsame Mühlen.
@Alderamin
Das meinte ich: wir hatten im Sonnensytem dann eine protoplanetare Scheibe, die alle nichtparallel rotierenden Körper irgendwann durch Kollision aus dem Verkehr gezogen hat. Weshalb auch heute noch die Planeten ziemlich ordentlich in einer Ekliptik verharren.
Bei Galaxien passiert das ohne korrigierende Kollisionen und das ist aus diesem Grund schwerer vorstellbar. Ein wirklich eindeutiger Effekt, der das endgültig klärt, wäre schon wünschenswert.
@Artur57
Sowohl bei der protoplanetaren Scheibe als auhc bei der Milchstraße war es das Gas, das mit sich selbst kollidierte. Der Abstand zwischen bereits gebildeten Kleinkörpern oder Sternen war in beiden Fällen viel zu groß, um zu nennenswerten Kollisionen zu führen. Die müssen vorher stattfinden.
Bei der Galaxienentstehung kommt hinzu, dass das Gas aus den Voids auf die Filamente zu fließt, was ihm eine Hauptrichtung gibt. Stelle Dir das vor wie eine Hügellandschaft (die Hügel entsprechen den Voids, die Täler den Filamenten), auf die es regnet. Das Wasser fließt dann auch in Richtung der Täler.
@Florian:
Ach Guck! :-).
Hätts mir ja fast denken können … :-).