Die Herkunft der unterschiedlichen chemischen Elemente – die sogenannte „Nukleosynthese“ – gehört zu den faszinierendsten Aspekten der Astronomie bzw. Physik. Es ist erstaunlich kompliziert, all die verschiedenen Stoffe zu produzieren, die uns im Periodensystem der Elemente begegnen. Beim Urknall selbst entstanden nur Wasserstoff und Helium, die beiden simpelsten Elemente für die man wenigsten Bausteine für den Atomkern braucht. Die schwereren Elemente (die in der Astronomie traditionell allesamt „Metalle“ genannt werden), gab es nicht und es hat lange gedauert, bis sie das erste Mal entstanden sind. Das Universum musste erst die ersten Sterne hervorbringen damit in deren Inneren durch Kernfusion für uns so wichtige Elemente wie Kohlenstoff, Stickstoff oder Sauerstoff gebildet werden konnten. Aber auch die Sterne schaffen nicht alles; Eisenatome können in ihrem Inneren nicht miteinander fusioniert werden und alle chemischen Elemente die noch schwerer sind nicht entstehen. Dazu fehlt selbst den großen Sternen die nötige Energie. Aber wenn ein Stern sein Leben beendet, wird kurzfristig genug Energie frei, um Elemente wie Gold oder Silber zu bilden. Die Vorgänge die dabei ablaufen sind noch nicht völlig verstanden – und sie wie es scheint, könnten sie unter Umständen noch seltsamer sein, als man bisher dachte und sogar die Anwesenheit dunkler Materie benötigen.
Die amerikanischen Astronomen Joseph Bramante und Tim Linden haben in einer aktuellen Arbeit die Metallizität von Zwerggalaxien untersucht („On the R-Process Enrichment of Dwarf Spheroidal Galaxies“). Zwerggalaxien sind – wenig überraschend – Galaxien die kleiner sind als normale Galaxien wie unsere Milchstraße. Statt ein paar hundert Milliarden Sternen enthalten sie meistens nur ein paar hundert Millionen oder gar nur ein paar Hunderttausend. Dafür gibt es aber auch sehr viele Zwerggalaxien. 35 von ihnen sind schon als Satellitengalaxien der Milchstraße entdeckt worden; existieren tun aber mit Sicherheit noch viel mehr.
Aus der Untersuchung der Bewegung dieser Galaxien weiß man auch, dass sie viel mehr Masse enthalten müssen als man sehen kann; sie bestehen also zu einem großen Teil aus dunkler Materie (und eine Einführung zum Thema „Dunkle Materie“ gibt es hier). Im letzten Jahr hat man nun eine Zwerggalaxie entdeckt, die seltsame Eigenschaften hat. Sie heißt Reticulum II (Ret II), ist fast 100.000 Lichtjahre von der Milchstraße entfernt, viel leuchtschwächer und kleiner als typische Zwerggalaxien hat auch deutlich mehr dunkle Materie als die meisten anderen vergleichbaren Zwerggalaxien (darüber habe ich letztes Jahr schon berichtet).
Als Astronomen nach der Entdeckung von Ret II ein paar der hellsten Sterne dort genauer untersucht haben, stellten sie bei einige von ihnen eine unerwartete Menge sogenannter „neutron-rich elements“ fest. So nennt man Elemente, die unter dem Einfluss von Neutronen entstehen. Neutronen sind – neben den Protonen – die Bausteine aus denen Atomkerne bestehen. Alleine kann ein Neutron aber nicht lange überleben; sie zerfallen recht schnell und leben typischerweise nur knapp eine Viertelstunden. Nach dem Urknall gab es von ihnen jede Menge aber alle, die es nicht geschafft haben, rechtzeitig Teil eines Atomkerns zu werden, sind verschwunden. Freie Neutronen gibt es aber wieder, wenn ein Stern bei einer Supernova explodiert oder wenn zwei Neutronensterne (die extrem dichten Überreste eines Sterns die nach einer Supernova übrig bleiben) miteinander kollidieren. Die freien Neutronen können sich dann an die Atomkerne bestehender Elemente anlagern und so neue Elemente erzeugen bzw. instabile Atomkerne erzeugen, die dann in stabile – und neue – Atomkerne zerfallen. So oder so: Bei diesen Prozessen entstehen u.a. die Elemente, die schwerer sind als Eisen. Die Details sind aber noch unklar und bei Ret II sind sie besonders seltsam.
Eine detaillierte Untersuchung der „neutron-rich elements“ bei den Sternen von Ret II zeigt, dass sie vermutlich eher auf die Kollision von Neutronensternen zurück zu führen sind. Nur: In der winzigen Galaxie gibt es so wenig Sterne und es entstehen so wenig neue, dass solche Prozesse enorm selten sind. Bramante und Linden haben in ihrer Arbeit nachgerechnet und kamen zu dem Schluss, dass diese Methode hier nicht funktioniert. Von einer Galaxie die so viel leuchtschwächer ist als andere ihrer Art sollte man eigentlich Sterne erwarten, die weniger schwerer Elemente enthalten, nicht mehr! Aber Ret II hat ja noch die dunkle Materie und davon mehr als üblich! Es liegt also nahe, einen Zusammenhang zu vermuten und genau das tun Bramante und Linden auch.
Sie schlagen folgenden neuen Prozess vor, um die Metallizität der Sterne in Ret II zu erklären: Alles beginnt mit einem Neutronenstern, nicht zwei, die kollidieren. Aber dieser eine Neutronenstern kann in seinem Inneren dunkle Materie ansammeln. Die wechselwirkt zwar enorm selten mit normaler Materie, aber in so einem Neutronenstern ist die normale Materie unvorstellbar dicht gepackt und da bleibt – vereinfacht gesagt – dann doch einiges hängen. Die Masse des Neutronensterns wächst und wächst, bis sie irgendwann so groß ist, dass er unter seinem eigene Gewicht zu einem schwarzen Loch kollabiert. Neutronen fallen nun also auf das neu gebildete schwarze Loch im Kern des ehemaligen Neutronensterns und dieser Strom wird durch die starken Gezeitenkräfte „gequetscht“; es passiert das, was man oft als „Spaghettisierung“ bezeichnet. Wird so ein Neutronenstrom gequetscht dann, so Bramante und Linden, kann ein Teil davon aus der Umgebung des schwarzen Lochs geschleudert werden. Eine Menge von Neutronen bis zu einem Zehntel der Sonnenmasse könnte bei so einem von dunkler Materie ausgelöstem Kollaps eines Neutronensterns ins All geschleudert werden. Dabei können die „neutron-rich elements“ entstehen, die man bei der Untersuchung von Ret II gefunden hat.
Das ist natürlich alles ein wenig spekulativ – aber zumindest nicht komplett unüberprüfbar. Man muss mehr Zwerggalaxien noch genauer untersuchen um herauszufinden, ob dieser Erklärungsansatz auch anderswo funktioniert. Als Kontrollgruppe schlagen Bramante und Linden Kugelsternhaufen vor. Die enthalten ähnlich wenig Sterne wie die Zwerggalaxien, dafür aber auch sehr wenig dunkle Materie.
Ich bin ein wenig skeptisch, ob dieses Modell wirklich nötig ist, um die Entstehung schwerer Elemente in Zwerggalaxien zu erklären. Immerhin hat man bis jetzt ja nur ein paar Ausnahmefälle, die mit den bisherigen Annahmen schwer zu erklären sind. Vielleicht gibt es auch noch andere, weniger exotische Möglichkeiten. Aber es ist schon auch irgendwie ein faszinierender Gedanke: Dunkle Materie ist komplett anders, als die für uns normale Materie. Aber trotzdem könnte sie nötig sein, um einen Teil dieser normalen Materie zu produzieren…
Was ich mich manchmal frage, ist, ob die dunkle Materie nicht Materie ist, deren Temperatur unter dem absoluten Nullpunkt ist.
Herzlich gerne, nur erkläre uns dann mal bitte, wie etwas eine negative Kelvin-Temperatur haben kann und wieso so etwas dann nur noch schwach mit anderer Materie wechselwirkt.
@Marcus
Temperatur ist ungeordnete Teilchenbewegung.
Wenn sich die Teilchen nicht mehr (ungeordnet) bewegen, dann hat die Materie eine Temperatur von 0 Kelvin. Tiefer als 0 Kelvin kann’s daher nicht geben 🙂
Die Fragestellung #1 ist gar nicht so falsch. Zumindest hat sich schon die seriöse Wisschenschaft darüber Gedanken gemacht. Negative Kelvintemperatur ist ein Konstrukt, dass offenbar rechnerisch möglich und mit speziellen Auswirkungen verbunden ist. Es wird sogar mit dunkler Materie in Verbindung gebracht; daher stammte vermutlich Marcus‘ lautes Denken. Warum es aber kausal diesen Zusammenhang geben soll, erschließt sich mir als Laie (noch) nicht.
Hier ist eine Darstellung der Max-Planck-Gesellschaft dazu.
@Braunschweiger: Das mit der „negativen Temperatur“ hat aber nur etwas mit einem sehr speziellen Rechenmodell zu tun. Per Definition der Temperatur KANN nichts negative absolute Temperatur haben.
Sorry… „Wi s s e n schaft“ — was ein kompliziertes Wort… ;-)
„Die Masse des Neutronensterns wächst und wächst, bis sie irgendwann so groß ist, dass er unter seinem eigene Gewicht zu einem schwarzen Loch kollabiert. “
Habe ich das richtig verstanden: Die Masse des Neutronenstern wächst, indem er Dunkle Materie aufsaugt?
@ralph: „Habe ich das richtig verstanden: Die Masse des Neutronenstern wächst, indem er Dunkle Materie aufsaugt?“
Er „saugt“ nicht. Aber die Masse wächst durch dunkle Materie.
Spricht irgendetwas dagegen? Masse besitzt die Dunkle Materie schließlich. Und spätestens aus einem Schwarzen Loch kann selbst die Dunkle Materie nicht mehr entweichen, sobald sie erst einmal hinein gefallen ist.
@FF: Ja. Ich weiß nicht, was sich Marcus gedacht hat, aber es ging offenbar darum „negative“ Temperatur mit Dunkler Materie in Verbindung zu bringen. Genau das tut der verlinkte Artikel ja, wenn auch nur oberflächlich.
Er “saugt” nicht. Aber die Masse wächst durch dunkle Materie.
Danke, aber den Unterschied verstehe ich nicht. Zieht er nicht die dunkle Materie in seiner Umgebung wie ein Staubsauger an?
@ralph: „Zieht er nicht die dunkle Materie in seiner Umgebung wie ein Staubsauger an?“
Gravitation „saugt“ nicht. Das hört man zwar oft, ist aber falsch. Ich hab das hier mal bei schwarzen Löchern erklärt: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2010/01/12/schwarze-locher-sind-keine-staubsauger/
@Florian Freistetter
Warum eigentlich?
@Braunschweiger
Eine wunderschöne Wortschöpfung!
@ralph
Er kollidiert einfach mit den DM-Teilchen, die seine Fläche („Wirkungsquerschnitt“) kreuzen. Bei einer elliptischen Umlaufbahn wären das solche Teilchen, deren sternennächster Punkt der Ellipse (auch „Periastron“ genannt) näher am Neutronenstern ist, als dessen Oberfläche.
@Florian
Nun ist ein Neutronenstern vergleichsweise klein (wie oben im Bild zu sehen). Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass die DM-Dichte so groß sein kann, dass ein Neutronenstern auf diese Weise in signifikant kurzer Zeit einen ordentlichen Bruchteil einer Sonnenmasse einfangen können soll. Passt die dafür nötige Dichte halbwegs zu der für die Galaxie gemessenen?
@Findelkind
Weil das gewissermaßen „Verunreinigungen“ der ursprünglichen Materie Wasserstoff und Helium sind, die in den Sternen erbrütet werden. Um die alle unter einen einfachen Oberbegriff zu fassen, nennt man sie halt „Metalle“. Das nächstschwerere Element wäre übrigens Lithium, das ist ja tatsächlich bereits ein Metall (im Prinzip allerdings auch der verwandte Wasserstoff, unter entsprechendem Druck). Die paar Ausnahmen, die es da in den unteren Perioden IV-VIII gibt (Nichtmetalle und Edelgase) werden nicht gesondert betrachtet, wozu auch?
@Alderamin, Findelkind: Soweit ich weiß waren die ersten Nicht-He/H-Elemente die man im Spektrum der Sonne gefunden hat, Spektrallinien des Eisen. Und das hat sich dann irgendwie eingebürgert, dass man einfach alles andere auch „Metalle“ genannt hat.
„Als Kontrollgruppe schlagen Bramante und Linden Kugelsternhaufen vor. Die enthalten ähnlich wenig Sterne wie die Zwerggalaxien, dafür aber auch sehr wenig dunkle Materie.“
Nun habe ich in Wikipedia/Dunkle Materie folgendes gefunden:
„Ein beträchtlicher Teil der größeren Kugelsternhaufen (über 1 Mio Sonnenmassen) der Galaxie NGC 5128 enthält überwiegend Dunkle Materie.“
Demnach sind die Kugelhaufen von NGC 5128 eine Ausnahme?
@Alderamin
Das glaub ich sofort, dass für eine Kollision (also die Möglichkeit einer Wechselwirkung zwischen DM und Neutronenstern) die DM den Querschnitt des Neutronensterns passieren muss 🙂
OK, du möchtest mir wahrscheinlich mitteilen, dass ich mir den Neutronenstern und „seine“ DM als Schwerkraft gebundenes System vorstellen soll und die Kollisionswahrscheinlichkeit aufgrund des geringen Durchmessers des NS nicht besonders hoch ist?
@Alderamin, Florian Freistetter
Danke!
@ Braunschweiger: Danke für den Link zu den Experimenten mit negativer Temperatur. Der Artikel ist super interessant! Nur eine kleine Richtigstellung, dort wird ein Gas mit negativer Temperatur nicht mit dunkler materie sondern mit dunkler energie in Verbindung gebracht und zwar deshalb, weil das Gas mit negativer Temperatur einen negativen Druck hat, wie eben auch die dunkle Energie einen negativen Druck repräsentiert und so die Expansion des Universums erklärt.
In der statistischen Physik verwendet man häufig die inverse Temperatur (multipliziert mit einer Konstanten). Dann ist der Übergang nicht mehr von plus unendlich zu minus unendlich sondern etwas weniger exotisch von >0 zu <0 . Negative Temperaturen können aber nur in Systemen auftreten, bei denen es weniger Zustände mit hoher Energie als mit niedriger Energie gibt. Für klassische Teilchen ist das niemals der Fall, da im Impulsraum immer noch mehr 'Platz' für höhere Geschwindigkeiten ist. Aber für andere Systeme geht es und widerspricht auch nicht der Definition der Temperatur.
Im Bild steht: „Flüssiges Inneres – Überwiegend Neutrogen (…)“. Das soll doch NeutroNen heißen, oder? Wenn ich Neutrogen google, finde ich nur diese Firma für Handcremes, und die wirds ja kaum sein *grins*
@Desolace: Wer weiß schon, was im Inneren von Neutronensternen ist…
Hiess es nicht, es sei denkbar, dass DM ihr eigenes Antiteilchen ist? Wie kann sich DM im Inneren eines Neutronensternes anreichern, ohne eine Umwandlung in reine Energie auszulösen?
Das mit dem eigenen Antiteilchen muss ja nicht stimmen. Ansonsten wäre die Frage nach der Dichte zu stellen: Wie viele Dunkle Materie-Teilchen passen in einen Neutronenstern, ohne sich gegenseitig auszulöschen?
@Captain E.
Aus dem Paper:
Wobei: eigentlich müssten die DM-Teilchen doch mit den Neutronen schwach wechselwirken, um überhaupt stecken zu bleiben und nicht einfach am anderen Ende wieder herauszukommen. Dann würden neue Teilchen entstehen, die von den Neutronen festgehalten werden können und sich nicht notwendigerweise vernichten müssten. Wie bei Neutrinos im Detektor. Oder?
@Ferrer:
DM muss sich nicht im Neutronenstern ansammeln:
Nach der m/E-Äquivalenz reicht schon das Einfangen.
Ob die DM dabei erhalten bleibt, zerstrahlt oder direkt wechselwirkt, ist egal.
Bildhaft kannst Du Dir das so vorstellen:
Normale Sterne sind wie ein Sieb, dass Du durch´s Wasser ziehst: Da bleib so gut wie nix hängen.
Neutronensterne und schwarze Löcher wären analog dazu ein Eimer.
@Alderamin:
Genau die mögliche, schwache WW ist ja die Hoffnung sowohl bei der Detektion als auch bei dem Modell im Paper.
Mit jeder WW findet eine Impulsanpassung bis hin zum Einfang des DM-Teilchens statt, falls die „Wand“ aus Kernmaterie überhaupt für DM durchdringbar ist.
@Florian:
Natürlich „verschwinden“ zerfallende freie Neutronen nicht einfach. Sie zerfallen in ein Proton, ein Elektron und ein Anti(?)-Neutrino. Ich würde sagen, letztendlich werden sie zu heißem Wasserstoff.
@Yeti: „Natürlich “verschwinden” zerfallende freie Neutronen nicht einfach. Sie zerfallen in ein Proton, ein Elektron und ein Anti(?)-Neutrino.“
Natürlich – hab ich anderswo zu diesem Thema auch so beschrieben. Trotzdem ist da zuerst ein Neutron und danach nicht mehr. Zu sagen, dass das Neutron verschwunden ist, ist jetzt nicht unbedingt falsch…
@Till ~#21:
Oh ja, oh jee, du hast recht, danke! — Das ist ein wesentlicher Unterschied, und da habe ich wohl zu schnell drüber gelesen. Dann hat der Link auch nicht den Sinn, dem ich ihm zugedacht habe.
Gut, dass es dir aufgefallen ist. — Komisch, dass es noch keiner der Leser vorher bemerkte. Wohl zu schnell drüber gelesen, was?
@Desolace#23:
Ich halte das auch für einen wiki-Übersetzungsfehler; im Englischen ist dort auch von „neutrons“ die Rede.
So richtig falsch mag es andererseits auch nicht sein, weil die Endung „-gen“ „Entstehung aus dem vorderen Wortteil“ bedeutet 😉
@Florian: Oh-oh, lass das nicht die Aluhüte hören! Sonst dienst du noch als Quelle dafür, dass man es ja nicht weiß, und ergo alles möglich ist!!1drölf 😀
„Aus der Untersuchung der Bewegung dieser Galaxien weiß man auch, dass sie viel mehr Masse enthalten müssen als man sehen kann“
Kann sowas nicht auch durch die Existenz von schwarzen Löchern erklährt werden? Die sind ja schliesslich auch massenreich und „unsichtbar“…
Kann es nicht einfach sein, dass die Masse schwarzer Löcher bisher falsch berechnet wurde und die fehlende Masse in Galaxien in ihnen enthalten ist.
Braucht es denn dringend sowas wie dunkle Materie in der Physik?
@Daniel: „Kann sowas nicht auch durch die Existenz von schwarzen Löchern erklährt werden? „
Nein. Es gibt VIEL MEHR dunkle als normale Materie. VIEL, VIEL Mehr. Und schwarze Löcher entstehen aus Sternen; die müssten alle zuerst entstanden sein; dafür brauchts Material, usw. Das passt alles nicht zusammen. Außerdem kann man auch schwarze Löcher beobachten; so unsichtbar sind sie nicht bzw. ihre Umgebung.
„Braucht es denn dringend sowas wie dunkle Materie in der Physik?“
Das „braucht“ es nicht. Man beobachtet sie. Ich empfehle ein weiteres Mal die Texte hier, in denen ich all diese Fragen beantwortet habe: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2013/06/26/dunkle-welten-alles-uber-dunkle-materie-die-komplette-serie/
@Daniel
Schon die Verteilung der Materie muss anders sein als scheibenförmig (wie die Sterne und das Gas der Milchstraße verteilt sind) um die Rotationskurven der Spiralgalaxien korrekt zu reproduzieren. Sie muss kugelförmig mit einer Verdichtung zum Zentrum hin sein, also etwa die Milchstraße als Halo umgeben.
Man hat nun untersucht, ob die Dunkle Materie vielleicht aus „massive compact halo objects“ (MACHOs) besteht, also massiven Objekten wie schwarzen Löchern, Neutronensternen, Planeten etc., die dort im Halo unterwegs sind. Solche Objekte sollten gelegentlich vor einem Hintergrundstern etwa der Magellanschen Wolken vorbei ziehen und ein Gravitationslinsenereignis verursachen, und man kann hochrechnen, wie oft das passieren müsste. Man hat das dann durch Beobachtung nachgeprüft und fand, dass höchstens 20% der Hal-Materie aus MACHOs bestehen kann. Es fehlen also auch im Halo 4/5 der Materie, die sich durch Schwerkraft bemerkbar macht.
Aus dem Verhältnis der Elemente (Wasserstoff, Deuterium, Helium, Lithium) die beim Urknall entstanden, kann man auch daraus schließen, wie sich die Dichte der miteinander fusionierenden Kernteilchen zur Expansionsgeschwindigkeit = Dauer und Abkühlungsrate der Fusionsphase, die von der Gesamtdichte der Materie abhängt, verhielt, und auch da kommt man auf das Verhältnis von 4/5 Materie, die nicht aus Kernteilchen (Baryonen) bestanden haben muss. Das passt sehr schön zur Beobachtung und macht es daher äußerst wahrscheinlich, dass wir es bei der Dunklen Materie mit einer neuen Art von Teilchen zu tun haben, die noch nicht entdeckt sind.
Ich nehme an, dass man die Hypothese durch Zaehlen der Neutronensterne in DM-crowded Bereichen falsizfizieren koennte? Dazu werden aber zu wenig Neutronensterne (Pulsare?) detektierbar sein, um eine signifikante Samplegroesse zusammenzubringen, oder?
Andere Frage: was passiert, wenn eine Materieballung (also kein Gas, sondern ein Asteroid/Planet) auf einen NS niedergeht (ohne dass ein SL entsteht)? Wiederholte Kollaps-Novae? Waers moeglich, dass Wander-Planeten in Zwerggalaxien wesentlich haeufiger Direkttreffer verursachen, als das in grossen Galaxien der Fall ist? (siehe: https://arxiv.org/abs/1105.3544)
@vroomfondel:
Auch NS akkretieren wie Sterne und SL.
Direkttreffer sind möglich, aber rein statistisch und auch mathematisch wegen der starken Gravitation(Raumzeit wird merklich „verdreht“) recht unwahrscheinlich.
Bei einem Direkttreffer aka senkrechten Aufprall würde das annähernde Objekt aber auch nicht an einem Stück ankommen, sondern vorher auseinander gerissen.
Mal ein anderer Gedanke: Wie sollen eigentlich die ersten Sterne entstanden sein, als es nur Wasserstoff und Helium gab? Diese Gase bauen einen enormen Gegendruck auf, wenn man sie auf einen Punkt konzentriert und dieser Druck ist deutlich stärker als die gravitative Anziehung. Unsere Sonne und alle Gasplaneten haben im Inneren einen festen Kern, der über dieses Anfangsproblem weghalf. Aber die ersten Sterne hatten eben keinen festen Kern zur Hand.
Was dann? Wenn alle Stricke reißen, dann eben Dunkle Materie. Welche nun, nach dem Verenden des Sterns in seinen Überresten, dem Neutronenstern wieder zutage tritt.
Das ließe sich mühelos in die These einbauen.
@Artur57: „Wie sollen eigentlich die ersten Sterne entstanden sein, als es nur Wasserstoff und Helium gab? Diese Gase bauen einen enormen Gegendruck auf, wenn man sie auf einen Punkt konzentriert und dieser Druck ist deutlich stärker als die gravitative Anziehung. „
Die Antwort auf deine Frage ist die, die ich dir immer geben muss: BITTE lerne etwas über den Status Quo der Astronomie, bevor du deine Privattheorien aufstellst. Zu diesem Thema gibt es mehr als genug Material. Sternentstehung ist Thema jeder Einführungsvorlesung in die Astronomie.
@Krypto die Mutmassung aus dem verlinkten Paper war, soweit ich mich erinnere, dass es ca. doppelt soviele gravitativ nicht gebundene Gasriesen geben koennte, wie Hauptreihensterne (in einer Galaxie), deshalb fragte ich mich, ob diese in ihrer Dynamik irgendeinen bisher nicht beruecksichtigten Einfluss auf die Geschichte einer (Zwerg-)Galaxie haben koennten, z.B. hier als Verursacher von Metallizitaet.
@Florian Freistetter: „Es gibt VIEL MEHR dunkle als normale Materie. VIEL, VIEL Mehr.“
Das gilt für das Universum als ganzes. Trotzdem kann es doch sein, dass es in Zwerggalaxien relativ mehr Neutronensterne gibt als z.B in unserer Milchstraße. Diese Annahme ist doch nicht befremdlicher als die Annahme, dass es in Zwerggalaxien relativ mehr dunkle Materie gibt.
Wenn dem aber so ist, dann könnten die Neutonenreichen Metalle so entstanden sein, wie Du im Artikel beschrieben hast, durch Kollision von Neutronensterne.
Also ich glaube dunkle Materie ist dunkel.