In der Astronomie geht es vor allem darum, die Sterne zu sehen. Aber manchmal wollen wir sie auch hören! Das ist nicht nur möglich, es ist sogar enorm wichtig, wenn man verstehen will, wie ein Stern funktioniert. Und die Disziplin der Asteroseismologie hat in den letzten Jahrzehnten immer besser herausgefunden, wie man den Sternen zuhören kann.

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Transkription

Sternengeschichten Folge 164: Asteroseismologie

In der Astronomie hat man es ja vor allem mit Licht zu tun. Fast ausschließlich mit Licht. Anders geht es ja auch kaum, da die Forschungsobjekte immer enorm weit weg sind. Man untersucht daher die elektromagnetische Strahlung, die uns auf der Erde von überall her aus dem Universum erreicht. Licht ist die absolut wichtigste Informationsquelle wenn man etwas über den Kosmos herausfinden will. Aber auch der Schall spielt eine wichtige Rolle. Hören kann man das Universum zwar nicht. Der luftleere Raum zwischen den Sternen und Planeten macht eine Ausbreitung von Schall unmöglich. Trotzdem ist ein Verständnis des Schalls wichtig. Zum Beispiel, wenn man genau wissen will, wie ein Stern funktioniert. Die Disziplin, die sich Sternen und Schallwellen beschäftigt, nennt man „Asteroseismologie“ und sie ist unerläßlich, wenn man Sterne verstehen will.

Schwingungsmoden in einem Stern (Bild: Public Domain)
Schwingungsmoden in einem Stern (Bild: Public Domain)

In so einem Stern passieren ja jede Menge Dinge. Im Kern fusionieren Atome miteinander und erzeugen Energie, die nach außen dringt. Die Materie aus der ein Stern besteht, das heiße Gas, das in diesem Fall „Plasma“ genannt wird, weil es so heiß ist, dass die Atomkerne ihre Elektronen verloren haben, ist ständig in Bewegung. Typischerweise ist die Materie auch nicht komplett homogen. In verschieden tiefen Schichten ist die Zusammensetzung unterschiedlich und es herrschen unterschiedliche Drücke und Temperaturen. Diese unterschiedlichen Eigenschaften des Plasmas will man gerne verstehen, denn sie bestimmen, wie sich ein Stern im Laufe seines Lebens entwickelt.

Sehen kann man das alles aber leider nicht. Wir können nur von außen auf den Stern blicken und nur seine äußere Schicht sehen. Aber der Schall kann uns dabei helfen, trotzdem zu erfahren, was dort vor sich geht. Könnten wir uns im Inneren eines Sterns aufhalten, ohne dabei sofort zu sterben, dann würde wir feststellen, dass es dort extrem laut ist. Das heiße Plasma strömt hin und her; das ganze Innere des Sterns ist ständig in Bewegung und erzeugt dabei Schallwellen, die sich im Plasma ausbreiten.

Mit den normalen Geräuschen, die wir von der Erde kennen, lässt sich das natürlich nicht vergleichen. Nur wenn es wirklich sehr sehr laut ist, können wir den Schall auch spüren anstatt ihn nur zu hören. Schall ist ja bei uns im allgemeinen nichts anderes, als bewegte Luft. Und normalerweise bewegt sie sich dabei so langsam, dass wir das empfindliche Trommelfell in unseren Ohren brauchen, um davon überhaupt etwas zu merken. Nur wenn es WIRKLICH laut ist, bewegt sich die Luft so stark, dass die Geräusche auch anders spürbar sind. Wer schon mal bei einem Konzert direkt vor den großen Lautsprechern gestanden ist und gespürt hat, wie die Bässe den ganzen Körper zum Vibrieren bringen, weiß wie sich das anfühlt…

Im Inneren eines Sterns bringen die Schallwellen den Stern selbst zum Schwingen. Das Plasma vibriert und schwingt und die Schallwellen breiten sich aus. Wie genau sie das tun, hängt von den Eigenschaften des Materials ab, durch das sie bewegen. In der letzten Folge der Sternengeschichten habe ich von der Messung der Lichtgeschwindigkeit erzählt. Das breitet sich im Vakuum immer gleich schnell aus, wird von Materie aber abgebremst. Beim Schall ist es genau so: Seine Geschwindigkeit hängt von dem Medium ab, in dem er sich bewegt.

So wie die Erdbebenwellen im Inneren der Erde an den verschiedenen Gesteinsschichten reflektiert werden und uns damit erlauben, mehr über den inneren Aufbau unseres Planeten zu erfahren, werden auch die Schallwellen in einem Stern an unterschiedlichen Schichten reflektiert oder abgelenkt. Natürlich muss man sich ein bisschen mehr anstrengen, um diese Schwingungen zu messen als in der Geophysik. Auf der Erde können wir ja entsprechende Messinstrumente einfach überall verteilen; bei einem Stern ist das nicht möglich.

Hier bleibt uns nur das Licht – aber das reicht! Denn der Schall hat Auswirkungen auf das Licht des Sterns. Die Schwingungen finden nicht nur tief im Inneren des Sterns statt, sondern reichen bis in die äußeren Schichten. Also bis in die Photosphäre, aus der die Strahlung kommt, die wir schlußendlich beobachten können. Schallwellen unterschiedlicher Frequenz können unterschiedlich tief ins Innere des Sterns eindringen. Je tiefer sie gelangen, desto mehr Distanz legen sie unter der Oberfläche zurück und desto seltern kommen sie an die Oberfläche; werden sie dagegen schon in geringerer Tiefe reflektiert, gelangen sie öfter zurück an die Oberfläche während sie sich um den Stern herum bewegen. All das führt zu einer Überlagerung unterschiedlichster Schwingungen. Teile der Oberfläche des Sterns bewegen sich nach außen während andere gleichzeitig nach Innen schwingen und umgekehrt. So wie die Luft in einem Musikinstrument durch die Form des Tonkörpers auf unterschiedliche Art und Weise zum Schwingen gebracht wird und sich durch die Überlagerungen und Resonanzen verschiedenste Obertöne ausbilden, die jedem Instrument seinen charakteristischen Klang geben, hängt auch der charakteristische „Ton“ eines Sterns von seiner Masse, seiner Zusammensetzung, seinem Alter und all den anderen Eigenschaften ab, die man kennen möchte, um einen Stern zu verstehen.

Bild: Tosaka, CC-BY-SA 3.0)
Bild: Tosaka, CC-BY-SA 3.0)

Die Schwingungen an der Oberfläche lassen sich nicht direkt beobachten, aber dafür indirekt messen. Einerseits durch die kleinen Helligkeitsveränderungen, die von ihnen verursacht werden. Ein Stern der pulsiert wird dabei ein kleines bisschen heller beziehungsweise dunkler. Und die Helligkeitsänderungen sind dabei wirklich minimal – ungefähr so, als würde man von Europa aus ein Hochhaus in New York beobachten, bei dem in jedem Fenster das Licht brennt und eines davon kurz mit einer Jalousie verdunkelt wird. Aber die Teleskope der Astronomen sind mittlerweile genau genug um solche Schwankungen im Licht eines Sterns messen zu können. Andererseits kann man auch die Tatsache nutzen, dass die Schwingung ja eine Bewegung ist: Wenn ein Stern schwingt, bewegt sich ein Teil seiner Oberfläche auf uns zu und ein anderer entfernt sich von uns. Das Licht, das ausgestrahlt wird, wird dadurch beeinflusst. Die Lichtwellen die aus dem Teil stammen der sich auf uns zu bewegt, werden ein wenig gestaucht, die anderen ein wenig gedehnt. Das ist der Dopplereffekt, den man ja auch von den Sirenen vorbeifahrender Einsatzfahrzeuge kennt. Die durch die Schwingung verursachte periodische Veränderung im Sternenlicht lässt sich messen und ermöglicht so ebenfalls die Identifikation der unterschiedlichen Schallwellen im Inneren eines Sterns.

Natürlich braucht es einiges an analytischer Arbeit um festzustellen, ob Änderungen im Licht eines Sterns auf Schallewellen zurückzuführen sind oder auf andere Phänomene wie zum Beispiel Sternflecke oder vorbeiziehende Planeten. Aber es ist machbar und in den letzten Jahrzehnten hat man gelernt, auf diese Art und Weise das Sternenlicht zu interpretieren. Dank der Asteroseismologie können wir Schall sehen und hören, was uns die Sterne zu sagen haben!

14 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 164: Asteroseismologie“
  1. Die Gasplaneten machen ja durchaus auch Musik. Jupiter gibt gregorianische Gesänge von sich, Neptun klingt eher nach Edvard Grieg, der Rocker hingegen ist Saturn. Beziehungsweise bei 2:40 kippt es in eine tragische Symphonie. Alles subjektiv natürlich. Wer Beatles findet, bitte mir melden.

    Wenn ich dieses Bild richtig interpretiere, dann gehen die Schallwellen stets senkrecht von der Oberfläche in die Tiefe und treffen wieder senkrecht auf. Das entspräche genau dem, was Henry Poincaré als Modell für einen hyperbolischen Raum entworfen hat und das bisher nur als rein mathematisches Modell galt. Hyperbolische Geometrie unter unseren Füßen also.

  2. So wie ich das verstanden habe, ist doch ein Fixstern auch im größten Teleskop immer noch nur ein Lichtpunkt – oder kann man die auch schon als Scheibe abbilden? Wie lässt sich sonst ein Muster wie in dem ersten Bild sichtbar machen?

    1. @Dampier: „Wie lässt sich sonst ein Muster wie in dem ersten Bild sichtbar machen?“

      Mit nem Computer 😉 Das ist natürlich kein echtes Bild sondern nur ein Beispiel. Was man in echt macht, hat viel mit so Sachen wie Fourier-Transformationen, Frequenzanalyse, etc zu tun. Man kriegt aus dem Licht die unterschiedlichen Schwingungsmodi und ihre Stärken rausgerechnet und kann dann – wenn man will – Modelle basteln, die zeigen wie ein Stern schwingt.

  3. @Dampier

    Das Bild ist ein simuliertes von der Sonne (Helioseismologie), die kann man auflösen. Bei Sternen muss man sich (bis auf wenige Ausnahmen, die man eben doch auflösen kann, wie dem riesigen Beteigeuze) muss man sich mit Helligkeitsschwankungen und der Verbreiterung von Spektrallinien zufrieden geben und diese mit Modellen der Pulsmoden vergleichen. Höherfrequente Schwingungen ergeben breitere Linien als niederfrequente.

  4. Eine Physikaufgabe, nur zum Spaß:
    Ob nun Schwinungsmoden oder „normaler“ Schall: auf der Sonnen“oberfläche“ muss ein Höllenlärm sein. Wieviel dB(A) ?

  5. @Rüdiger

    Falls die Schallwellen in der Sonne sich zu Schockwellen entwickeln, die Materie nach oben schleudern und so einen Überschallstrom aus Plasma formen und dieser Plasmastrom mit 80.000 km/h auf dich zu jagt und eine Höhe 5000 Kilometern über der Sonnenoberfläche erreicht, kannst du ruhig mehr als 120 db(A) annehmen 😉

  6. Gibt ja da die Theorie der primordale schwarzen Löchen.
    Im Prinzip winzige SL die bald nach Urknall entstanden sind.
    Da gibts Überlegungen diese indirket nachzuweisen wenn diese mit Sternen interagieren (also in diese reinknallen) und Sternbeben auslösen. Immerhin können diese Teile ja laut Theorie bis Mondmasse erreichen.

    Gibts da schon irgendwelche aktuelle Hinweise darauf ?

  7. Tja, wie war das noch gleich? Primordiale Schwarze Löcher sind so klein und zerfallen so schnell, dass sie unmöglich heute noch existieren können, und frisch gebildete in der Gewichtsklasse hätten auch keine ausreichend hohe Lebensdauer, um irgendwelche Schäden an existierende Himmelskörpern anrichten zu können.

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