Die Sternennacht von Vincent van Gogh ist eines der bekanntesten Gemälde der Welt. Zu Recht, denn auch wenn man Kunst absolut keine Ahnung hat, ist man von den wirbelnden Lichtern am nächtlichen Himmel fasziniert. Ein echter Sternenhimmel sieht zwar nicht so aus wie van Goghs Gemälde. Aber es ging ihm ja auch nicht darum, ein fotorealistisches Abbild der Natur zu schaffen… Und trotzdem hat das Bild Aspekte der Realität eingefangen, mit denen man nicht rechnen würde. Zum Beispiel die Turbulenz.
Turbulente Strömungen findet man überall in der Natur. Beim aufsteigenden, sich kräuselnden Rauch einer Zigarette zum Beispiel. Bei Milch, die im Kaffee verrührt wird. Aber auch in der Atmosphäre von Gasplaneten wie Jupiter. Oder in den Wirbelstürmen unserer eigenen Atmosphäre. Und auch das Flackern der Sterne am Nachthimmel wird durch turbulente Luftströmungen verursacht, die das Licht ablenken. Turbulenz ist überall – aber bis heute ist es noch nicht gelungen, dieses Phänomen im Rahmen einer vollständigen mathematischen/physikalischen Theorie zu beschreiben (und diese Frage steht sogar auf der Liste der Millenium-Probleme für deren Lösung ein Preis von einer Million Dollar ausgesetzt ist).
Die Chaostheorie (siehe meine Serie zum Thema: Einleitung, Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4. Oder meine drei Podcasts: Teil 1, Teil 2, Teil 3) ist zwar mittlerweile recht gut darin geworden, Phänomene wie die Turbulenz verstehbar und erforschbar zu machen. Aber eine grundlegende Erklärung fehlt immer noch.
Aber van Gogh scheint die Turbulenz zumindest intuitiv verstanden zu haben. Vor ein paar Jahren haben Wissenschaftler aus Mexiko und Spanien die „Sternennacht“ (gemeinsam mit anderen, ähnlichen Bilder von van Gogh und anderen Malern) untersucht („Turbulent luminance in impassioned van Gogh paintings“). Sie haben sich die Helligkeitsunterschiede der gemalten Lichtwirbel angesehen und dabei festgestellt, dass die Turbulenz von van Gogh sich ziemlich genau an die mathematische Modellierung des russischen Mathematikers Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow hält. Und das ist übrigens nur bei der „Sternennacht“ der Fall; bei anderen Bildern von van Gogh bzw. anderen Malern die ähnlich wirbelnde Strukturen zeigen hat man diese Übereinstimmung zwischen Kunst und Natur nicht mehr gefunden.
Dieses sehr schöne Video fasst die Geschichte um van Goghs Turbulenzen noch einmal zusammen:
Die andere Theorie ist, daß van Gogh das gemalt hat was er in einen Migräneanfall gesehen hat. Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Aura_(Migr%C3%A4ne)#Bedeutung_f.C3.BCr_die_Kunst.
Interessant wäre natürlich ob die Vorgänge im Gehirn turbulent werden können.
Wem das Bild zu wenig turbulent und zu statisch ist, dem kann ich wärmstens folgendes empfehlen: https://vimeo.com/36466564
Es gibt die Interpretation, dass van Gogh zu diesem Strudel durch eine Zeichnung von M51 inspiriert worden sei. Diese Zeichnung (siehe https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/5b/Whirlpool_by_lord_rosse.jpg) war durch der Veröffentlichung in Camille Flammarions „Astronomie Populaire“ sehr bekannt und sie sieht dem Gebilde in Van Goghs „Sternennacht“ sehr ähnlich. Ob van Gogh aber tatsächlich dieses oder ein anderes populärwissenschaftliches Buch zur Astronomie gelesen hat, ist nicht belegt.