Ein Grund, warum sich unser Klima zur Zeit so sehr ändert, ist das Kohlendioxid. Es entsteht, wenn wir fossile Energieträger wie Kohle, Gas oder Öl verbrennen und sammelt sich in der Atmosphäre der Erde, wo es als Treibhausgas wirkt und die Abstrahlung von Wärme zurück ins All verhindert. Und wir verbrennen jede Menge… In Autos, Schiffe, Flugzeugen, Diesellokomotiven, unseren Häusern, der Industrie: Überall wird CO2 in die Luft gepustet und wir machen keine Anstalten, damit aufzuhören. So wie es aussieht, werden wir erst dann damit aufhören, wenn wir das ganze Erdöl aufgebraucht und keine andere Wahl mehr haben, als zu alternativen Energien zu wechseln. Bis es so weit ist, wäre es aber vielleicht ganz praktisch, die Rate unserer CO2-Emissionen zumindest ein wenig zu verlangsamen und damit auch die Veränderung des Klimas. Möglichkeiten dafür gibt es genug und eine davon besteht darin, als Konsument auf lokale Produkte zu achten. Wenn das, was wir kaufen, zuvor nicht erst mit Schiffen, LKWs und Flugzeugen um die halbe Welt transportiert worden ist, sondern vielleicht sogar aus dem gleichen Ort stammt, wo es auch verkauft wird, reduziert das den CO2-Ausstoß. Aber das ist gar nicht so einfach, wie es klingt denn die Welt in der wir leben wird immer komplexer…
Auf meiner Klimareise habe ich bisher nicht nur viele interessante und schöne Orte gesehen an denen es viel zu lernen gab. Es waren auch Orte, die für ihre lokalen Lebensmittel bekannt sind. In der Lüneburger Heide zum Beispiel kann man keinen Gasthof betreten, der auf der Speisekarte nicht zumindest ein Gericht von der Heidschnucke führt. Die „Lüneburger Heidschnucke“ ist eine geschützte Ursprungsbezeichnung und darf nur für Fleisch von Schafen verwendet werden, die auch tatsächlich aus der Lüneburger Heide kommen. Die Bratkartoffeln, die oft zur Heidschnucke serviert werden, sind höchstwahrscheinlich auch irgendwo in der Region angebaut worden und wenn man dann auch ein Heidjer-Pils aus Celle trinkt, hat man ein wirklich regionales Menü bei dem zumindest für den Transport der Waren weniger CO2 angefallen ist, als es bei argentinischem Rindersteak oder einem Meeresfrüchtesalat der Fall wäre.
Aber so einfach wie das mit den regionalen Produkten scheint, ist es nicht immer. Das habe ich bei meinem Besuch in Bremerhaven gemerkt. Was ist absolut typisch für die Nordsee und was bekommt man dort überall in jedem Restaurant und an jeder Imbiss-Bude? Natürlich ein Krabbenbrötchen mit echten Nordseekrabben!
Nordseekrabben an der Nordsee – noch regionaler geht es doch gar nicht, oder? Die Krabben, die ich an der Bude in der Innenstadt von Bremerhaven gegessen haben, müssen doch höchstens den Weg vom nächsten Krabbenkutter im Hafen nebenan zurück gelegt haben? Das kann theoretisch sein (auch wenn die lokale Krabbenfischerei längst nicht mehr in dem Umfang betrieben wird, wie früher). Aber selbst wenn die Krabben tatsächlich im Meer vor Bremerhaven gefangen worden sind, dann ist die Chance groß, dass sie zuerst noch einen kleinen Ausflug nach Marokko gemacht haben, bevor sie auf meinem Brötchen gelandet sind.
Denn Krabben muss man „pulen“; also schälen. Ich erinnere mich noch gut an Kindheitsurlaube und Verwandschaftsbesuche an der Nordsee und die langweiligen Nachmittage, an denen wir anstatt zu spielen bei Regen in der Wohnung gesessen sind und Krabben schälen mussten (oder zumindest den Erwachsenen dabei zugesehen haben, wie sie die im Hafen gekauften Krabben geschält haben). Und privat werden heute sicherlich immer noch viele Küstenbewohner die frisch gefangenen Krabben für den Eigenbrauch schälen. Aber für die verkauften Tiere gilt das nicht. Die Handarbeit wäre in Deutschland vermutlich heute einfach zu teuer um den Bedarf an Krabben zu befriedigen. Und außerdem ist das Krabbenpulen in Heimarbeit für den Verkauf auch schon seit Jahrzehnten durch eine EU-Richtlinie verboten.
Also werden die Krabben eben in Marokko geschält, wo die Arbeitskräfte so billig sind, dass es sich trotz des langen Transportweges für die Fischereibetriebe am Ende finanziell noch lohnt. Es gab immer wieder Versuche, die Krabben maschinell in Deutschland zu schälen und zu verarbeiten aber das ist eine so filigrane Angelegenheit, dass Maschinen damit nicht oder nur schlecht zurecht kommen. Die entsprechenden Geräte sind teuer, unzuverlässig und wartungsintensiv und liefern einen geringeren Output als bei der Verarbeitung mit der Hand. Oder aber sie können nur sehr kleine Menge verarbeiten. Versuche, große maschinelle Schälzentren direkt an der deutschen Nordseeküste einzurichten, wie man es zum Beispiel in Cuxhaven probiert hat, sind gescheitert und die entsprechenden Firmen pleite.
Was soll man tun? Wir wollen eben alle Nordseekrabben essen; in München genau so wie in Berlin, im Ruhrgebiet oder im Erzgebirge. Und um diesen Bedarf zu stillen, braucht es Massenproduktion die in Deutschland zumindest aus wirtschaftlichen Gründen nicht stattfinden kann. So wie in vielen anderen Branchen auch setzt man auf billige Arbeitskräfte in fernen Ländern und nimmt die damit verbundenen langen Transportwege in Kauf. Ebenso wie die so entstehenden CO2-Emissionen.
Die Welt ist eben tatsächlich „global“ geworden. Wer früher frischen Fisch essen wollte, musste ans Meer fahren (oder sehr reich sein, um sich den umständlichen Transport und die aufwendige Kühlung leisten zu können). Wer tropische Früchte essen wollte, musste in die Tropen reisen. Und argentinisches Rindersteak gab es nur in Argentinien. Heute wollen wir all das aber in unserem Supermarkt vor Ort haben und zwar jeden Tag. Im Obstregal müssen Bananen und Papayas liegen und Erdbeeren (egal ob gerade Erdbeerzeit ist oder nicht und die Früchte vom anderen Ende der Welt kommen müssen). An der Fischtheke einer bayrischen Kleinstadt müssen die gleichen Produkte zu finden sein wie im schleswig-holsteinischen Hafenort. Und wenn im Weinregal nicht Flaschen aus mindestens drei Kontinenten zu finden sind, gibt es Ärger mit der Kundschaft. Für all das müssen Schiffe und Lastwagen ständig durch die ganze Welt fahren und treiben dabei den Klimawandel unweigerlich voran.
Eine Lösung für dieses Problem zu finden ist schwer. Es wäre naiv davon auszugehen, man könne zurück zu einer lokalen Welt in der es Nordseekrabben eben wirklich nur an der Nordsee gibt und nirgendwo sonst. Rückwärtsgewandte Strategien werden sich nie durchsetzen. Wir alle haben uns zu sehr an den Status Quo gewöhnt um davon wieder abzurücken. Es würde daher wenig bringen, zu irgendwelchen Boykotten aufzurufen oder dazu, nur noch lokale Produkte zu konsumieren. Die Sache mit den Krabben und dem Transport nach Marokko und zurück ist ja nur eines von vielen Beispielen und im großen Ganzen vermutlich nicht mal relevant. Wir werden weiterhin einer Welt leben, in der Produkte über den ganzen Planeten transportiert werden und Menschen ständig zwischen den Kontinenten hin und her reisen. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn wir in Zukunft nur noch Lebensmittel aus unseren Vorgärten essen. Langfristig werden wir nicht umhin kommen, das Problem grundlegend zu lösen: Es spricht ja absolut nichts dagegen, wenn die Welt durch Transportmittel aller Art vernetzt wird. Wir müssen nur dafür sorgen, dass dieser ganze Verkehr nicht das Klima schädigt. Wir müssen weg von den fossilen Brennstoffen; weg von einer Energieproduktion, die nicht nachhaltig ist. Wir brauchen erneuerbare Energien; zumindest dort wo sie sinnvollerweise verwendet werden können und wir brauchen völlig neue Konzepte. Wir könnten ja mal probieren, die Kernfusion ernsthaft zu erforschen anstatt sie immer nur halbherzig zu fördern um uns dann darüber zu beschweren, dass die Ergebnisse so lange auf sich warten lassen. Wir könnten uns überlegen, was nötig wäre, um Strom aus dem Weltall zu gewinnen.
Kurz gesagt: Wir bräuchten Visionen. Die finden sich aber kaum irgendwo und schon gar nicht in der Politik. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Ich werde jetzt einkaufen gehen; im Supermarkt von Mölln. Mal sehen, was es dort so gibt…
Alle Artikel aus meiner Serie zum Klimawandel gibt es hier.
„Es entsteht, wenn wir fossile Energieträger wie Kohle, Gas oder Öl verbrennen“
Fehlt da nicht „Holz“ in der Auflistung?
@Stefan:
„Fehlt da nicht “Holz” in der Auflistung?“
Fossile Energieträger.
Holz ist jetzt eigentlich nicht soooo fossil.
Sondern eher nachwachsend.
Also heute gepflanzt, morgen (in ein paar Jahren) geerntet – und nicht erst nach ein paar hundert Millionen Jahren …
@Florian
Soweit ich gehört habe, verursacht die gekühlte Lagerung beispielsweise von heimischen Äpfeln mehr CO2 als deren Transport aus Südafrika. Schiffe transportieren so große Mengen an Waren, dass ihre CO2-Bilanz vergleichsweise gut ist. Wer der Umwelt was gutes tun will, kauft also nicht unbedingt regional, sondern saisonal. Soweit möglich.
Dem Fazit, dass man sich Gedanken machen sollte, wie man die Energie erzeugt, stimme ich uneingeschränkt zu. Wenn man eine unerschöpfliche Quelle wie die Kernfusion hätte und den Treibstoff für Schiffe und Flugzeuge synthetisieren würde (Wasserstoff, Methan oder dergleichen), könnte man schadlos so viel durch die Gegend befördern, wie man will. Das Problem dabei ist, dass solche Techniken im Vergleich zu billigen Rohstoffen noch viel zu teuer sind, schon wegen der schlechten Wirkungsgrade. Mit zunehmender Rohstoffknappheit werden sie zwangsweise wirtschaftlicher werden. Und die Krabben dann eben teuerer (vielleicht lohnt sich dann aber auch deren Kultur in heimischen Gewässern).
Menno! So leckeres Essen und noch so viel Zeit bis zur Mittagspause. *sabber*
Moment mal: ist das nicht dieselbe EU, die alle so toll finden, und von der mir hier im Blog so viele Leute vor der Europawahl erzählt haben, was sie alles für die Menschen in Europa getan hat?
@noch’n Flo: „Moment mal: ist das nicht dieselbe EU, die alle so toll finden, und von der mir hier im Blog so viele Leute vor der Europawahl erzählt haben, was sie alles für die Menschen in Europa getan hat?“
Meine Güte… Dir ist schon klar, dass es durchaus möglich ist, Dinge auch DIFFERENZIERT zu betrachten. Das nicht alles 100% gut oder schlecht ist. Und das man die EU gut finden kann, ohne jede einzelne Entscheidung der EU gut zu finden. Abgesehen davon habe ich auch nirgends gesagt, dass ich das Verbot der Heimarbeit beim Krabbenpulen schlecht finde. Ich bin nämlich schon sehr dafür, dass die Produktion von Nahrungsmitteln unter kontrollierten und entsprechend hygenischen Bedingungen stattfindet und das ist nicht gegeben, wenn die Dinger bei hunderten Leuten irgendwo irgendwann irgendwie im privaten Zuhause geschält werden.
@ Flo
Bei der EU gibt’s wie bei allen Dingen halt Vor- und Nachteile.
Das größte Problem mit der EU ist das nur sehr oberflächliche Wissen dass die meisten Menschen von ihr haben, ich sag da nur „Gurkenverordnung“…
@ Alderamin
Das mit dem Kühlaufwand hatte ich auch irgendwo gelesen. Allerdings werden die Kühlanlangen sehr wahrscheinlich mit Elektrizirät betrieben. Dafür mehr als genug Auswahlmöglichkeiten mit geringem Treibhauspotential.
Mit alternativen Treibstoffen um einen vollbeladenen 40-Tonner 1.000km über die Autobahn zu schicken sieht es dagegen noch seeeeehr mau aus.
Nene, Krabben- , oder wie sie sonst heißen, Shrimpszucht ist eine öklogische Katastrophe. Wälder abholzen, Shrimpteiche anlegen und Massentierhaltung. Verseuchung der Umwelt mit Medikamenten, Futterresten und Fäkalien der Tiere. Von der CO2 – Bilanz wollen wir gar nicht erst reden …
Aber das ist ja bei jeder Massenproduktion so. Um die Gewinne zu steigern wird die Umwelt geschädigt. Solange das Produkt begehrt und durch die Umweltsünden billig zu bekommen ist, interessiert es niemanden.
Und das nicht nur bei der Nahrung. Wenn ich die Jeans für 7,99 Euro bei Kik kaufe, interssieren mich weder die 80 Cent Lohn der Näherin (für die Jeans) noch die 8000 Liter Wasserverbrauch (ebenfalls für eine Jeans). Hey, Geiz ist doch geil und wer mehr zahlt blöd.
@ bikerdet:
Es geht hier eigentlich mehr um das Fischen von wildlebenden Krabben aus der Nordsee, nicht um Shrimp-Zuchtteiche im Hinterland.
@ FF:
Bist Du denn schon einmal in einem marokkanischen Krabbenpulbetrieb gewesen, oder woher weisst Du, dass es dort so viel hygienischer zugeht?
@noch’nFlo: „Bist Du denn schon einmal in einem marokkanischen Krabbenpulbetrieb gewesen, oder woher weisst Du, dass es dort so viel hygienischer zugeht?“
Darum geht es nicht (und das weißt du auch). Es geht um die Frage, unter welchen Standards Lebensmittel verarbeitet werden. Und „Heimarbeit“ ist da offensichtlich die falsche Taktik, weils da keine Kontrollen gibt. Die Fischfirmen hätten ja auch in Deutschland entsprechende Betriebe mit entsprechenden Kontrollen und ANgestellten einrichten können. Aber das hätte halt viel mehr Geld gekostet als ein vergleichbarer Betrieb in einem Billiglohnland und das Produkt wäre am Ende teurer geworden. Und da wir leider im Kapitalismus leben, landen die Krabben jetzt eben in Marokko und nicht in lokalen Betrieben.
Zitat: „Die Welt ist eben tatsächlich “global” geworden. Wer früher fischen Fisch essen wollte, musste ans Meer fahren (…)“
Fischers Fritz isst frische Fische …
(Korrekturmodus aus)
Ist der Teil der Treibhausgase, die beim Transport von Nahrungsmitteln anfallen, wirklich so groß? Gerade wenn es um argentinisches Rindfleisch geht, könnte ich mir gut vorstellen, dass der Transport über den Atlantik im Vergleich nicht relevant ist.
Kleine Ergänzung zu den Krabben:
In Orten wie Büsum werden die Krabben vor Ort geschält, in Maschinen, auch als touristische Einlage vor dem leckeren Essen. Es gibt die an etlichen Orten. Sie werden genutzt – nicht nur für Touristen, schlicht, weil diese Krabben ohne Konservierungsstoffe auskommen.
In Bremerhaven steht nur noch eine Maschine im Fischereihafen, soweit ich weiß … vor ein paar Jahren gabs sie bei etlichen Fischhändlern. Der dortige alte Fischmarkt (Florian, vielleicht hast du die Riesenhallen, überwiegend leer und am Verfallen) am Ende des Fischereihafens gesehen, noch hinter dem neuen Hotel) ist schon seit ein paar Jahren zu.
Heimarbeit heißt Krabbenpuhlen – und das geht wirklich nur für den privaten Verzehr. Andererseits ist es so, dass die Fabriken in Marrokko den dortigen Frauen Arbeit und Einkommen geben – denn hauptsächlich arbeiten Frauen dort. Ist auch nicht unwichtig.
@ FF:
Und ich behaupte, dass diese Standards in einem Billiglohnland ausserhalb der EU auch nicht unbedingt eingehalten werden.
Hätte man aber machen können. Zumindest problemloser als in Marokko.
Was hat uns die ach-so-tolle EU also in diesem Fall unterm Strich gebracht:
1. weniger Arbeitsplätze in Deutschland
2. keine Qualitätskontrollen möglich
3. mehr Umweltverschmutzung
q.e.d.
@noch’nFlo: „Was hat uns die ach-so-tolle EU also in diesem Fall unterm Strich gebracht:
1. weniger Arbeitsplätze in Deutschland
2. keine Qualitätskontrollen möglich
3. mehr Umweltverschmutzung“
1) Wenn die Firmen Krabben in Deutschland schälen lassen wollen, dann hindert sie niemand daran. Sie wollen halt nur die höheren Löhne nicht bezahlen. Die EU kann da nichts dafür.
2) Eben WEIL keine Qualitätskontrolle bei privater Lebensmittelverarbeitung in Heimarbeit möglich ist, muss das geändert werden.
„Hätte man aber machen können. Zumindest problemloser als in Marokko“
Genau… Und ich weiß auch schon, wer sich dann als erstes über die „ach-so-tolle EU“ aufregt, die auf die lächerliche Idee kommt, Hygenie-Kontrolleure zu friesischen Bäuerinnen in die Küche zu schicken.
@noch’n Flo
Und ich behaupte, dass diese Standards in einem Billiglohnland ausserhalb der EU auch nicht unbedingt eingehalten werden.
Behaupten kannst du ja viel.
https://www.mare.de/index.php?article_id=3052&setCookie=1
https://agenda-fototext.de/197-krabben.html
Du hast also nicht Recht.
Das Schimpfen auf die bösen Richtlinien der EU ist halt mittlerweile Volkssport geworden. In Österreich regen sich alle gerade gewaltig auf, dass Lokale in Zukunft angeben müssen, welche Zusatzstoffe bei der Zubereitung verwendet werden (etwas, was in Deutschland ja zB schon lange der Fall ist und das aus sehr guten Gründen, für Allergiker zum Beispiel). Aber in Ö tun die ganzen Gastwirte jetzt so, als stünde das Ende der österreichischen Esskultur vor der Tür und die Boulevardmedien überbieten sich in absurden Horrorszenarien von Speisekarten mit ellenlangen chemischen Fachausdrücken usw… „Die EU“ ist halt ein sehr einfaches Feindbild für eine Welt voller komplexer Probleme und deswegen wohl sehr beliebt. Mit dem eigentlichen Thema hat das alles aber nichts zu tun.
@noch’n Flo:
Steht in besagter EU-Richtlinie (von der hier alle reden, die aber vermutlich keiner gelesen hat) wirklich, dass Krabben nicht in Heimarbeit gepult werden dürfen? (Und wenn ja, wie genau wird „Heimarbeit“ von „in Klein- und Kleinstbetrieben“ abgegrenzt?) Ich (der die Richtlinie natürlich auch nicht gelesen hat) würde eher vermuten, dass dort z.B. bestimmte Hygienestandards und Kontrollen selbiger festgeschrieben werden und das bei den kleinen Mengen die in Heimarbeit produziert werden können mit zu hohen Kosten verbunden ist.
@Florian Freistetter:
Hat das wirklich was mit dem Kapitalismus zu tun? Ja, ich weiß dass es derzeit (?) in Mode ist, alles mit Wirtschaftsbezug das einem nicht passt, auf den Kapitalismus zu schieben, aber ist das hier plausibel?
Bzw. wie würde ein anderes Wirtschaftssystem dieses Problem beheben? Würde man da den Export ungepulter oder den Import gepulter Krabben verbieten (das wäre eher ein Zurückfahren der Globalisierung als eine eindeutig antikapitalistische Maßnahme)? Oder würde man das heimische Krabbenpulen so stark subventionieren, dass sich der Umweg über Marokko nicht mehr lohnt? Oder würde man versuchen (wie auch immer) weltweit einheitliche Löhne zu erreichen, so dass es keine Billiglohnländer mehr gibt?
@STefan: „Hat das wirklich was mit dem Kapitalismus zu tun? „
Ich denke schon. Es geht hier ja um Profit. Man könnte die Krabben genau so gut von Leuten in Deutschland manuell schälen lassen. Aber hier sind die Löhne halt höher als anderswo. Aus dem gleichen Grund werden ja auch T-Shirts etc irgenwo in Asien genäht und nicht hier. Weils billiger ist.
„Bzw. wie würde ein anderes Wirtschaftssystem dieses Problem beheben?“
Hängt davon ab, was dir da vorschwebt. Kommunismus, Anarchie, etc… Aber es ist genau so illusorisch diese Probleme durch einen Wechsel des Wirtschaftssystems lösen zu wollen wie sie durch „Zurück in die Vergangenheit“ lösen zu wollen.
flo, speziell danke für deinen letzter kommentar. und da sage noch einer, wissenschaftler könnten nicht über ihr fachgebiet hinausblicken. wirklich, sowas freut mich.
Vermutlich werden die weiten Transportwege im Energieverbrauch überschätzt.
Ich denke, wenn man für wenige Kilogramm Lebensmittel ein paar Kilometer mit dem Auto fährt, verbraucht das mehr Benzin oder Diesel, als die gesamte Transportkette zuvor.
Beispiel: Ein LKW mit 20 Liter Diesel pro 100km und 10 Tonnen Lebensmitteln kann für jeden Kilometer, den ein PKW mit 5 Litern pro 100km mit 5 kg Lebensmitteln fährt, ganze 500km fahren. Bei mehreren km Weg mit dem Auto kann LKW also mehrfach nach Marokko und zurückfahren.
Regionale Lebensmittel einkaufen kann also im Energieverbrauch nach hinten losgehen, wenn man beispielweise statt zu Fuß oder mit dem Fahrrad im Laden oder Supermarkt um die Ecke einzukaufen, mit dem Auto aus der Stadt zum lokalen Erzeuger fährt.
Mein Tipp ist also lokal einkaufen!
Ohne Auto, und so, dass man es zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen kann.
Wo die Lebensmittel herkommen, ist dann im Bezug auf den Energieverbrauch vermutlich zweitrangig.
Und wenn schon mit dem Auto, dann nur selten und gleich eine große Menge auf einmal.
Mal ein wenig zum Krabbenpulen zu Hause: Es gab viele Haushalte, die sich so ein Zubrot verdienten, auch bei meinen Eltern war es so. Morgens kamen die Krabben, vormittags wurde gepult, nachmittags abgeholt. Hygiene sah/sehe ich da eigentilch nicht als Problem. Saubere Behälter und ein sauberer Tisch, frisch gewaschene Hände, das war üblich. Keine Ahnung, ob irgendwelche Kontrollen stattfanden.
So war es zumindest einmal, heute ist es anders. Ob dieses Modell überhaupt noch funktionieren würde? Ich weiß es nicht.
Ich schließe mich Aldemarin und UMa an, ergänze aber noch, dass der Transport vom Kleinanbieter zum Großhandel auch in kleinen Einheiten geschieht, die großen Entfernungen aber auch nicht im 10t-Fahrzeug sondern 30-Tonner erfolgen, bzw. zu Schiff mit 30.000 Tonnen.
Da kann die Banane weniger Energie konsumieren als der heimische Apfel, ganz ohne Kühlhaus.
Die dramatische Darstellung was die Jeans und das Wasser betrifft schockt mich auch nicht. Wäre das Wasser so wertvoll würde man nicht 8000 Liter in eine Jeans stecken können.
@ noch’n Flo in #8 :
Ich bezog das auf den Vorschlag in #3, Krabben lokal = vor Ort zu erzeugen. Halt in Frankfurt oder München.
@ Stefan Wagner in # 23 :
Genau, Wasser kostet nichts, deshalb braucht man nicht drauf achten. Sicherlich wirst Du gerne die ungeklärten Abwässer der Fabriken trinken wollen. Die anderen Menschen aber nicht. Z.B. wäre den 1,5 Mio. Menschen die jährlich an dreckigem Wasser sterben ein sparsamerer Umgang mit der Ressource Wasser ganz recht gewesen. Aber so ist das nun mal, um Profite zu machen wird sauberes Wasser aus der Umwelt entnommen und die verdreckte Brühe ungeklärt (kostet ja) wieder zurückgeleitet.
Tatsächlich hast Du also mein Argument ‚Hauptsache billig, Umweltschutz ist mir egal‘ eindrucksvoll bestätigt. Schade nur, das man Menschen wie Dich nicht zwingen kann, mal ein paar Jahre unter den Bedingungen zu leben, die man Anderen zumutet um billige Nahrung / Kleidung zu bekommen.
@Bikerdet
Das sagst Du so, dass das Wasser nichts kostet. Ist das so? Legt sich die Fabrik die Wasserleitung selbst und gräbt Brunnen?
Was sind das überhaupt für 8000 LIter pro Hose? Wenn die durch die Fabrik liefen, dann wären das bei 1000 Hosen am Tag ja 8 Mio. Liter. Der Großteil dient wohl dem Baumwollanbau und verdunstet entweder über die Pflanze oder versickert im Boden, ist also mitnichten verbraucht im Sinne von kaputt, sondern im Sinne von weg, nämlich wieder im Wasserkreislauf.
Wenn das Wasser gratis ist, dann kann es kaum knapp sein. Würde es mehr Profit bringen Melonen, Kaffee oder Palmöl zu produzieren, oder das Wasser zum trinken zu verwenden dann würde man es dafür nutzen.
Das leuchtet mir nicht ganz ein, dass 1,5 Mio. Menschen nur dreckiges Wasser kennen, aber 7900 l auf die Baumwolle schütten. Da müssten sich doch ein paar Liter abzwacken lassen.
Wenn natürlich in der Fabrik ein Ballen Baumwolle ankommt, in dem bereits rechnerich 7900 l Wasser stecken, die Baumwolle aber trocken ist wie Zunder, können die Menschen vor Ort in den Städten dieses Wasser nicht mehr rauspressen. Sie könnten nur in die Baumwollanbaugebiete umsiedeln. Meines Wissens gibt es in Pakistan, Indien und Bangladesh aber immer noch eine umgekehrte Migrationsbewegung vom Land in die Städte. Und die miserablen Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken sind für die meisten Menschen immer noch besser als die sonstigen Alternativen – sonst würde da ja auch kaum wer arbeiten.
Das habe ich mitnichten. Nur ist es Fakt dass das Interesse an einer sauberen Umwelt mit anderen Interessen konkurriert, und durch den Wunsch nach sauberer Umwelt ändert sich noch gar nichts.
Ich weiß nicht wie oft Du Hosen und andere Klamotten wegschmeisst, weil sie aus der Mode sind. Ich bin da eher sparsam bis geizig und finde, ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ob die Birne von der Streuobstwiese aber einen größeren CO2-Fußabdruck hat als die Banane kann ich nicht beurteilen. Die Spritkosten die in beiden stecken scheinen marginal zu sein, korrelieren aber nur bedingt mit dem entstandenen Dreck, da Schiffsdiesel etwa ungeklärt in die Luft geblasen wird.
Ist das jetzt reiner Sadismus, oder was? Würde das irgendeinen positiven Effekt haben, dann müssten ja die 1,5 Mio. die Du erwähnt hast schon einen dollen Effekt haben. Was soll da einer mehr bringen, der so leben muss?
Vielleicht willst Du ja auch dahin, und eine Fabrik bauen, die ihre Abwässer klärt. Oder eine Regierung bilden, die saubere Abwasser erzwingt und den Wasserpreis so hoch treibt, dass v.a. für’s Trinken genug übrig bleibt? Oder in Europa und den USA Werbung machen für Hosen, die nicht aufwendig vor dem Verkauf verschlissen, gestonewashed und zerschnippelt werden, weil das hipp ist, sondern stabile Jeans produzieren die länger halten und dem Hersteller weniger Profit bringen?
@Stefan Wagner:
Naja das mit dem Wasserverbrauch ist so eine Sache. Sicherlich sind 8 Kubik nichts, wenn man industriell denkt. Aber das Problem ist das die Anbauregionen von Baumwolle in oder neben Gebieten mit Wassermangel liegen. Das führt für die örtliche Bevölkerung teilweise schon zu Problemen.
Blödsinn ist es hingegen in Deutschland übertrieben Wasser zu sparen. Hier fällt mehr vom Himmel als wir brauchen. Und die Herausforderung beim Klären der Abwässer ist nicht die Menge sondern die Infrastruktur und die schwere der Verschmutzung.
Zu den Containerschiffen mache ich mal eben eine kleine Beispielrechnung.
Ein Aktuelles Schiff hat im Schnitt 3000 TEU (geht sogar bis 18.000 hoch).
Ein TEU sind etwa 70m^3 (75m^3 wenn man den Container außen misst) Also sind wir bei 210.000m^3.
Ist aber auch egal, weil ich das einfach mal grob mit einer LKW-Ladung mit Hänger gleich setzen würde. (Je nach Gewicht der Ladung wirds mal mehr oder mal weniger sein)
Die Schiffe fahren etwa 25 Knoten (Also 45 Km/h) und verbrauchen dabei etwa (Angaben die ich auf die schnelle gefunden habe schwanken stark) 2500 Liter Schweröl pro Stunde. Für 100 Kilometer verbraucht man also weniger als 2Liter pro TEU oder Doppel-LKW.
So ein LKW braucht locker 40Liter auf 100 Kilometer. Und die Schifffahrtsroute von Deutschland nach Marokko schätze ich mal auf ca 4000km pro weg.
Das Krabbenpulen entspricht also etwa 200Kilometer LKW fahrt. Also ein selbstgepultes Krabbenbrötchen in Hannover zu essen. Oder aber für ein Pfund Krabben (Wenn man mit 20Tonnen im TEU/LKW rechnet) verbrauche ich 0,002 Liter was bei einem 4Liter Auto 50 Meter entspricht.
Mein Unsicherheitsfaktor würde ich auf etwa 2 bis 5 Tippen da ich eher zu lasten der Schiffe gerechnet habe. Allerdings fallen Verpackung Umladung etc. hier noch heraus. Da ich dazu keine seriöse Schätzung abgeben kann. Da sich durch slow-steaming aber etwa die Hälfte an Sprit einsparen. Auf jeden Fall wird der Faktor unter 10 liegen (sofern ich nicht irgendwo ne Null vergessen habe 😉 )
Wer also mit Auto zum Mark fährt Krabben holen sollte also vorsichtig mit der Kritik sein.
Und jetzt gibt es erst einmal Rotbarsch. (Den ich mir in Zukunft wohl nur noch sehr selten gönnen werde, da dieser wohl überfischt seien soll)
Etwas verwundert nicht über das Thema sondern über die Art der Argumente (auf einer Wissenschaftsseite) ist es denn alles so einfach: Böser Kapitalismus, Profitgier usw? Der Krabbenfischer will leben, hier gepulte Krabben blieben weitgehend in den Regalen, allein schon wegen der viel billigeren Zuchtkrabben. Also musste er seinen Beruf an den Nagel hängen. Die Sache mit den ökologischen Folgen der weiten Wege versus regional wurde an vielen Stellen in der Vergangenheit diskutiert mit dem Fazit, dass es sich nicht viel nimmt – was im Einzelfall natürlich anders sein kann. Die Verantwortung des Verbrauchers wird ausgeklammert, als er für die niedrigen Preise mit verantwortlich ist, es soll billig sein, der Mode entsprechen, es muss das neueste Handy sein.
Jeder wirtschaftliche Betrieb muss auf seine Kosten kommen, sonst kann er schließen, einschließlich aller Folgekosten wie Arbeitslosigkeit etc., das ist systemunabhängig. Ich halte es auch für eine Mode, den Kapitalismus ( was wäre eine realisierbare Alternative?) dafür verantwortlich zu machen. Man sollte eher sehen, wo es relevante Fehlentwicklungen gibt, und hier über Veränderungen nachdenken.
@kathrin: Es ging um das Thema Klima und CO2-Emission; nicht unbedingt um Wirtschaftssysteme. Insofern verstehe ich nicht ganz, auf was sich die kritik hier bezieht. Und das ich den Verbraucher nicht ausgeklammert habe, sollte eigentlich auch klar sein. Ich hab ja explizit erwähnt, dass es wir Konsumenten sind, die die Krabben immer und überall haben wollen und so für die Situation verantwortlich sind. Und am Ende des Artikels habe ich auch aufgezeigt, welche Veränderungen diese Probleme lösen könnten.
@Florian Freistetter
„Kurz gesagt: Wir bräuchten Visionen.“
Bravo!!
Aber wo in den wissenschaftlichen Vorschriften, nach denen
man als Wissenschafler so arbeiten soll, steht etwas über etwas so unberechenbaren wie Visionen? Sind die überhaupt von anderen nachvollziehbar? Berechenbar?
@miesepeter: „Sind die überhaupt von anderen nachvollziehbar? Berechenbar?“
Nachvollziehbar und berechenbar müssen nur Ergebnisse und Theorien sein. Visionen braucht man, um auf Theorien und zu Ergebnissen zu kommen.