Staub ist eine nervige Angelegenheit. Zumindest hier bei uns auf der Erde. Ständig muss man den Kram wegwischen oder aufsaugen, sonst wachsen die Staubflusen immer weiter. Im Weltall ist das nicht anders. Auch da gibt es Staub. Und auch da können die Körner wachsen. Die Sache ist nur nicht ganz so einfach wie auf der Erde. Und nicht ganz so nervig, sondern sehr interessant!
Wir wissen, dass es in den Galaxien jede Menge Staub zwischen den Sternen gibt. Ich habe über das ganze Material zwischen den Sternen erst kürzlich gesprochen. Den Staub haben wir schon seit langer Zeit beobachtet, vermessen und analysiert. Aber wie genau er entsteht ist immer noch nicht ganz geklärt. Wir wissen, das Supernova-Explosionen etwas damit zu tun haben. Denn ohne die gäbe es im Weltall gar nichts, abgesehen von Wasserstoff und Helium. All die anderen Elemente, also auch all das, aus dem der Staub entsteht, wurde ja erst im Inneren der ersten Sterne durch die Kernfusion leichter Elemente erzeugt und dann bei den großen Sternexplosionen im Rest des Weltalls verteilt. So wie alles andere muss also auch der Staub (der hauptsächlich aus Silizium- und Kohlenstoffkörnern besteht) von den Supernovae kommen. Aber wie genau das abläuft ist immer noch Gegenstand aktueller Forschung. Christa Gall von der Universität Aarhus und ihre Kollegen sind dabei nun einen entscheidenden Schritt vorwärts gekommen.
Sie haben das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte genutzt, um die Supernova SN2010jl zu beobachten („Rapid formation of large dust grains in the luminous supernova SN 2010jl“). Die ist nicht neu, sondern wurde schon im Jahr 2010 entdeckt. In den vergangenen Jahren haben Gall und ihre Kollegen nun zehn Mal nachgesehen, wie sich die Supernova verändert hat. So eine Explosion ist ja von Natur ist nicht statisch. Dort wird mit gewaltiger Geschwindigkeit Staub und Gas ins All hinaus geschleudert und das uns das alles so langsam vorkommt liegt nur daran, dass wir die Sache aus so großer Entfernung betrachten. Die Supernova fand in der Zwerggalaxie UGC 5189A statt, die ca. 160 Millionen Lichtjahre weit weg ist. So sieht sie aus:
Diese Explosionen haben Gall et al. nun im sichtbaren und im infraroten Licht vermessen und dabei einerseits nachgesehen, wie viel des normalen Lichts vom Staub blockiert wird. Andererseits konnten sie auch beobachten, wie viel Infrarotstrahlung vom aufgeheizten Staub abgegeben wird. Sie hatten also zwei Methoden, um damit festzustellen, wie viel Staub sich in der Explosion befindet und wie sich die Menge im Laufe der Zeit verändert. Eine der bisherigen Fragen war ja, wie Staubkörner so eine Supernova überhaupt überstehen können und warum sie von ihr nicht komplett zerstört werden. Die Antwort, die Gall und ihre Kollegen gefunden haben, ist eigentlich simpel: Die Staubkörner sind größer, als man dachte!
Dieses Bild zeigt die Ergebnisse. Auf der x-Achse ist die maximale Größe der beobachteten Staubkörner aufgetragen. Der Parameter auf der y-Achse beschreibt die Größenverteilung aller Staubkörner. Die farbigen Bereiche zeigen an, in welchem Bereich sich Eigenschaften des Supernova-Staubs befinden müssen wobei die Farben die Wahrscheinlichkeit angeben, mit der die Ergebnisse stimmen. Aber man erkennt auf jeden Fall, dass die maximale Größe der Staubkörner größer als 0,5 Mikrometer ist und damit größer als der typische Staub in der Milchstraße (markiert durch das blaue Dreieck):
Der Staub ist also groß und deswegen übersteht er die Bedingungen in der Supernova. Aber wie wird er so schnell so groß? Das haben die Forscher noch nicht ganz verstanden. Aber sie vermuten, dass es mit dem zusammenhängt, was vor der Supernova passiert ist. So ein Stern explodiert ja nicht ohne Vorwarnung. Er wird gegen Ende seines Lebens immer heißer, bläht sich auf und stößt die äußeren Schichten seiner Atmosphäre ins All. Darin ist jede Menge Staub – aber es ist zu heiß, als dass diese Körner vernünftig kollidieren und anwachsen können. Als der Stern dann aber schließlich explodierte dehnte sich diese Gas-Staub-Hülle schnell aus, kühlte ab und die Körner konnten kondensieren und unter den neuen Bedingungen anwachsen.
Dieses Diagramm zeigt, wie die Gesamtmasse des Staubs im Laufe der Zeit gewachsen ist. Der grüne Bereich enthält die Daten aus der Beobachtung des sichtbaren Lichts; der rote Bereich die Infrarotdaten. In grau sieht man die Vorhersage aus den Modellen. Wenn alles so weiterläuft wie bisher, wird die Supernova in 25 Jahren ungefähr eine halbe Sonnenmasse an großen Staubkörnern produziert; ungefähr so viel wie auch die berühmte Supernova SN 1987A in der nahen Magellanschen Wolke in den letzten 27 Jahren angehäuft hat:
So eine Supernova-Explosion ist zwar eine ziemlich gewalttätige Sache und das ist kein Wunder. Immerhin wird dabei ja ein ganzer Stern zerstört. Aber manchmal muss eben etwas kaputt gehen, damit daraus etwas neues entstehen kann. Ohne die sterbenden Sterne würde kein neuer Staub produziert und ins All hinaus geschleudert. Und ohne diesen Staub könnten sich anderswo dann keine Planeten bilden. Wer sich also das nächste Mal beim Staubsaugen über den ganze Dreck ärgert, sollte nicht all zu böse sein. Immerhin verdanken wir auch dieser irdische Dreck letztendlich einer Supernova-Explosion und ohne den Staub gäbe es auch uns Menschen nicht…
Schwarz zieht doch Staub an. Also einfach mal mit schwarzen Klamotten durch die Wohnung gehen…
Nee, Thomas, schwarze Klamotten ziehen weisse Flusen an (und umgekehrt).
Sehr interessant!
Nur ist mir nicht ganz klar, warum kann diese Supernova so lange beobachtet werden.
Normalerweise ist ja so eine Explosion ziemlich schnell vorbei. Dauert so eine Supernova-Explosion wirklich mehrere Jahre? EIne Explosion die 27 Jahre dauert?
Oder wird das Licht auf dem Weg zu uns nur verändert und deshalb läuft diese Explosion für uns nur in Zeitlupe ab?
Wolfgang
@Wolfgang: „Dauert so eine Supernova-Explosion wirklich mehrere Jahre? EIne Explosion die 27 Jahre dauert?“
Kommt drauf an, wie du „Explosion“ definierst. Das Zeug verschwindet ja nicht einfach. Und da ist auch nichts, was die Trümmer aufhält. Das ist nicht wie auf der Erde, wo die Trümmer irgendwann zu Boden fallen und dann die Müllabfuhr kommt und alles aufräumt. Der Stern schleudert sein Material hinaus ins All. Und dann verteilt es sich dort – über Jahrzehnte, Jahrhunderte oder Jahrtausende. Kann man überall beobachten: https://de.wikipedia.org/wiki/Supernova%C3%BCberrest
@Florian:
Danke. Nur mit dem Material hab ich kein Problem. Mir geht es um das Licht, bzw die Energie, dass bei der Explosion ausgesenden wird. Das ist es ja was wir jetzt auf der Erde beobachten können und was Millionen von Jahren zu uns braucht. Wenn wir jetzt Jahrelang die Energie von so einer Explosion sehen können, wie muß ich mir die Explosion dazu vorstellen? Ein Stern der am Ende seines Lebens in einer Supernova-Explosion explodiert wird die Energie ja inherhalb von Sekundenbruchteilen in alle Richtungen abgegeben. Warum trifft diese Energie dann Jahrelang hier bei uns ein?
@Wolfgang: „Ein Stern der am Ende seines Lebens in einer Supernova-Explosion explodiert wird die Energie ja inherhalb von Sekundenbruchteilen in alle Richtungen abgegeben. Warum trifft diese Energie dann Jahrelang hier bei uns ein?“
Verstehe die Frage nicht ganz. Soll die Supernova einfach dunkel werden und verschwinden? Wie gesagt: Es hängt davon, was du als „Explosion“ bezeichnest. Der Stern explodiert. Die Überreste breiten sich aus. Und das können wir beobachten. Du siehst keinen jahrzehntelangen „Feuerball“ oder sowas in der Art…
@Florian
Wie kann man sich das Auskondensieren des Staubs vorstellen?
Auf einem Stern (außer den kühlsten) können ja nur wenige Moleküle bestehen (TiO und so etwas), d.h. es handelt sich im wesentlichen um Ionen und Radikale, die ins All geblasen werden. Damit daraus Staub werden kann, müssen sich ja zunächst mal Moleküle zusammenfinden, wozu es eine gewisse Teilchendichte braucht. Könnte es sein, dass die Stoßwelle der Supernova die Teilchen verdichtet, so dass sie Moleküle mit kompletten Elektronenhüllen bilden? Die dann durch Van-der-Waals-Kräfte aneinander haften bleiben und den Staub bilden? Oder entstehen die Moleküle schon vor der Supernova im Sternenwind? Oder noch früher in der kühlen Atmosphäre im Roter-Überriese-Stadium?
Hab‘ ich mir noch nie Gedanken drüber gemacht. Danke für den Artikel.
@Alderamin: „Könnte es sein, dass die Stoßwelle der Supernova die Teilchen verdichtet, so dass sie Moleküle mit kompletten Elektronenhüllen bilden? Die dann durch Van-der-Waals-Kräfte aneinander haften bleiben und den Staub bilden? Oder entstehen die Moleküle schon vor der Supernova im Sternenwind? Oder noch früher in der kühlen Atmosphäre im Roter-Überriese-Stadium?“
Da müsste man nen Staub-Experten fragen. Im Prinzip kommen alle Möglichkeiten in Frage. Es geht halt darum, eine Umgebung zu kriegen in der sich die Moleküle zu größeren Objekten zusammenfinden können. So richtig verstanden hat man das noch nicht, soweit ich weiß. Aber diese neue Arbeit zeigt anscheinend, dass es in den vor der Supernova abgestoßenen Atmosphärenschichten des Roten Riesen zur Staubbildung kommt, wenn die durch die Schockwelle der Explosion plötzlich ausgedehnt werden und dadurch abkühlen.
@Florian:
hmm, naja, ja. Der Stern explodiert, das Licht ist zu uns unterwegs und wenn wir gerade in die Richtung schauen wenns bei uns ankommt, dann sehen wir einen hellen Blitz und nachher ist dort nichts mehr. Außer halt das Material das sich noch in unsere Richtung ausbreitet, dass aber von sich aus nicht leuchtet. Ist das Licht das jetzt bei uns eintrifft, von einem anderen Stern der hinter dem explodierten liegt und so die Information von staub und so weiter mitnimmt?
@Wolfgang: “ Außer halt das Material das sich noch in unsere Richtung ausbreitet, dass aber von sich aus nicht leuchtet. „
Klar leuchtet das. Im Infraroten (weils heiß ist), im Radiolicht, im Röntgenlicht aber auch im sichtbaren Licht (weil das Zeug von anderen Sternen angestrahlt wird).
@Woflgang: gugg mal hier. Durch diesen Vorgang kann man aus hinter dem Stern liegenden Regionen ebenfalls noch Licht der Explosion einfangen. Dieses Licht ist länger unterwegs als der primäre „Blitz“.
@Bullet und Florian.
Der Tipp mit dem Lichtecho erklärt das. jetzt verstehe ich es.
Danke!
@Wolfgang
Nicht zu vergessen der radioaktive Zerfall in der Explosionswolke, der ist hauptsächlich für die Helligkeit in den Monaten danach verantwortlich. Es entstehen eine Menge Kerne in der Supernova, die wenigsten sind stabil.
https://pages.uoregon.edu/jimbrau/BrauImNew/Chap21/FG21_18.jpg
@Wolfgang:
Es ist nicht immer so, dass nach einer Supernova von dem Stern der explodiert ist nichts übrig bleibt.
Guck mal hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Supernova
Ausserdem wird die ganze Materie, die bei der Explosion in alle Richtungen geschleudert wird, duch die Explosion selbst aufgeheizt (Energie geht ja nicht verloren), so dass sie noch sehr lange sehr heiss ist und deshalb auch in den verschiedensten Wellenlängen „leuchtet“.
Ich habe aber auch noch eine Frage:
@Florian:
Weisst du, wie die die Grösse der Staubkörner bestimmen können?
Darüber steht in deinem Artikel leider nichts.
@PDP10: „Weisst du, wie die die Grösse der Staubkörner bestimmen können?“
Kann man aus den Wellenlängen berechnen, bei denen man beobachtet. Wie gut Staub reflektiert bzw. wie stark er sich aufheizt hängt von der Größe ab.
Wir hatten vor geraumer Zeit mal über die Bildung von Kerogen bei Supernovaexplosionen diskutiert (https://lucidthoughts.com.au/wordpress/wp-content/uploads/2011/09/organic-nanoparticles-nature10542.pdf).
Der Vorschlag war das es sich dabei nicht Nukleosynthese handelt, sondern um das aufbrechen bestehenden Materials im respektiven Sternensystem. Das ist übrigens nicht von mir, sondern von Prof. Chandra Wickramasinghe (übrigens ursprünglich einer der principal investigators der Rosetta mission).
https://journalofcosmology.com/JoC16pdfs/kwok-wick-exchange.pdf
In dem Fall ist die Größe der Staubkörner nicht verwunderlich.
@swage: Nein, über den lebendigen Staub von Wickramasinghe diskutieren wir hier jetzt nicht schon wieder.
Wie dicht muss eigentlich eine solche Staubwolke sein, damit sie für uns noch in milliarden Lichtjahren Entfernung sichtbar ist? Muss man sich das wie einen Sandsturm vorstellen? Weiß man, wie groß der mittlere Abstand zwischen den Teilchen einer sichtbaren interstellaren Staubwolke ist?
Wenn ich dort hinflöge, beispielsweise mit einem VW-Bus, würde ich die Staubwolke beim Durchfliegen überhaupt wahrnehmen? Müsste ich die Scheibenwischer anmachen?
Grüße
Dampier
@Dampier: „würde ich die Staubwolke beim Durchfliegen überhaupt wahrnehmen?“
Nein, gar nicht. Das ist ein fast perfektes Vakuum. Hab ich hier erklärt: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/?p=14907
o.O
Tausend Atome pro Kubikzentimeter. Hammer.
Kaum vorstellbar, dass man davon überhaupt noch irgendwas sieht … das gibt nochmal eine vage Ahnung davon, wie unglaublich riesig das All ist.
Danke für den Hinweis.
Grüße
Dampier
Hm, aber die 1000 Atome/cm2 sind ja nur ein Durchschnittwert, oder?
Jetzt müsste ich nur noch rauskriegen, aus wie vielen Atomen ein 1 Mikrometer großes Staubkorn besteht, dann könnte ich den durchschnittlichen Abstand zwischen den Staubkörnchen errechnen …
Aber heute nicht mehr 😉
grz
Dampier
@Florian:
„Kann man aus den Wellenlängen berechnen, bei denen man beobachtet. Wie gut Staub reflektiert bzw. wie stark er sich aufheizt hängt von der Größe ab.“
Ah, ok, klingt einleuchtend. Zumindest der Teil mit der Reflektion. Warum es von der Grösse abhängt, wie stark sich die Staubteilchen aufheizen – also Wärmestrahlung abgeben erschliesst sich mir auf den ersten Blick allerdings nicht.
Wenn ich mir Staub als (durch van der Vaals-Kräfte) zusammpappende Moleküle vorstelle, hängt das doch vor allem von den möglichen Schwingungsmoden der Moleküle ab … aber egal, deine Antwort ist jedenfalls ein guter Ansatz zum weiter recherchieren. Danke.
@PDP10: „Warum es von der Grösse abhängt, wie stark sich die Staubteilchen aufheizen – also Wärmestrahlung abgeben erschliesst sich mir auf den ersten Blick allerdings nicht.“
Oberfläche! Je mehr Oberfläche, desto mehr IR-Strahlung kann abgegeben werden. Und je kleiner die Staubteilchen, desto mehr Oberfläche hast du insgesamt.