Mittlerweile hat man schon so viele Planeten anderer Sterne entdeckt (1807 sind es aktuell) dass der Fund eines weiteren Exoplaneten kaum noch eine Nachricht wert ist. Höchstens dann, wenn wieder mal angeblich eine „zweite Erde“ gefunden wurde – aber das ist dann immer entweder schlechter Journalismus oder schlechte Öffentlichkeitsarbeit von Seite der Forscher (oder beides). Wir haben derzeit noch nicht die nötigen Instrumente, um herauszufinden ob auf einem anderen Planeten die gleichen Bedingungen herrschen wie bei uns. Bis das in ein paar Jahren der Fall sein wird, müssen wir also weiter erstmal Daten sammeln und die Zahl der bekannten Planeten erhöhen. Je mehr wir finden, desto mehr allgemeine Aussagen können wir machen. Und auch bei den Planeten, die keine „zweite Erde“ sind, sind interessante Objekte dabei. Zum Beispiel die „eisige Erde“ in einem Doppelsternsystem, die in den letzten Tagen Schlagzeilen gemacht hat. Obwohl ich diese Entdeckung ja eigentlich nicht so bedeutend finde, wie oft kommuniziert wurde… beziehungsweise ich sie aus anderen Gründen bedeutend finde!
Es geht um eine Arbeit von Andrew Gould von Universität Ohio und sehr vielen anderen Wissenschaftler aus aller Welt („A Terrestrial Planet in a ~1 AU Orbit Around One Member of a ~15 AU Binary“). Bei ihrer Suche nach extrasolaren Planeten haben sie sich der Gravitationslinsenmethode bedient. Das Prinzip ist einfach: Masse krümmt den Raum. Licht folgt der Raumkrümmung deswegen kann Materie im Weltall genau so wirken wie eine optische Linse aus Glas und den Weg eines Lichtstrahls verändern. Das hat schon Albert Einstein beschrieben und seitdem ist dieser Effekt schon oft genug beobachtet worden. Blicken wir von der Erde auf einen Stern, der von uns aus gesehen gerade vor einem anderen Stern vorüber zieht, dann wirkt der nahe Sterne wie eine Linse für das Licht des fernen Sterns. Ist der Linseneffekt stark genug (bzw. die Teleskop sensitiv genug), dann kann man beobachten, wie der ferne Stern nicht nur einmal sondern doppelt oder mehrfach am Himmel erscheint. Bei Sternen ist der Effekt aber nicht stark genug um von uns beobachtet zu werden. Aber man beobachtet hier einen Mikrolinseneffekt: Der nahe Linsenstern lenkt einen Teil des Licht des fernen Sterns in unsere Richtung, der uns normalerweise gar nicht erreicht hätte. Der Stern erscheint also kurzfristig heller und verrät so die Existenz des Linsenstern.
Und hat der Linsenstern einen Planeten, dann verstärkt der noch einmal zusätzlich das Licht der Quelle und das lässt sich nachweisen. Mit dieser Methode sind schon viele Sterne gefunden worden und sie hat uns gezeigt das Planeten enorm häufig sind. Der Stern, bei dem Gould und seine Kollegen nun fündig geworden sind, heißt OGLE-2013-BLG-0341LB. Man hat seine Helligkeitsveränderungen über einen langen Zeitraum verfolgt und dabei folgendes Diagramm erstellt:
Die Form der Lichtkurve ist ziemlich untypisch für ein Mikrolinsenereignis. Da sind erst mal die beiden Maxima in der Kurve, die zeigen, dass es sich hier um einen Doppelstern handelt. Der Hinweis auf den Planeten ist im Bild oben links aber nicht zu sehen, sondern unten links, das einen Ausschnitt der Kurve zu einem früheren Zeitpunkt Zeit. An der mit „A“ markierten Stelle hat der Planet das Licht des fernen Sterns verstärkt und das war auch der Zeitpunkt, an dem die Wissenschaftler aufmerksam geworden sind. Das Problem bei Messungen mit dem Gravitationslinseneffekt ist ja die Reproduzierbarkeit. Bei anderen Methoden kann man wiederholte Messungen anstellen bis man sich sicher ist, dass man wirklich etwas sieht und nicht nur irgendwelche statistischen Fluktuationen. Aber ein Gravitationslinsenereignis wiederholt sich nicht. Wenn man nicht gerade im richtigen Moment hinschaut und verpasst, wie die beiden Sterne aneinander vorüber ziehen, dann hat man Pech gehabt. Deswegen gibt es bei großen Projekten wie OGLE, dass diese Entdeckung gemacht hat, immer jede Menge Algorithmen, die automatisch Alarm schlagen, wenn etwas so aussieht wie ein Mikrolinseneffekt. Dann werden schnell auch andere Beobachtungen anderer Teams gemacht und möglichst viele unabhängig voneinander gewonnene Daten zu haben. Und nur wenn die übereinstimmen, hat man wirklich etwas entdeckt. Die vielen bunten Datenpunkte im Diagramm stammen alle von verschiedenen Beobachtungen und sie passen gut zusammen.
Wie gesagt: Zuerst war alles ziemlich normal. Der Linsenstern verstärkte die Helligkeit des fernen Sterns immer weiter und als die Passage vorbei war, wurde das Licht wieder dunkler. Bis es dann auf einmal wieder heller wurde. Das war das Zeichen dafür, dass es sich bei der Linse um einen Doppelstern handeln muss. Und richtig interessant wurde es, als eigentlich schon alles vorbei war.
Weil man hier den (noch) vergleichsweise seltenen Fall eines Planeten in einem Doppelstern gefunden hatte, hat man diesmal besonders viele Daten gesammelt. Als man die dann später durch den Computer geschickt hat, haben die Wissenschaftler gemerkt, dass der Planet nicht nur den charakteristischen Mikrolinseneffekt erzeugt hat, sondern die gesamte Kaustik verzerrt hat. „Kaustik“ ist im wesentlichen die Fläche, auf die Lichtstrahlen durch eine Linse gebündelt werden – zum Beispiel die hellen Flecken die man an einem sonnigen Tag am Boden eines Schwimmbecken beobachten kann. In etwas abstrakterer Form gibt es so eine Kaustik auch bei Gravitationslinsen und die Astronomen haben die zu erwartende Form der Kaustik des Sterns ohne Planet mit der tatsächlich beobachteten Form mit Planet verglichen. Der Unterschied war einerseits so groß, dass man in diesem Fall die Existenz des Planeten sogar schlussfolgern hätte können, wenn der Planet keinen beobachtbaren Mikrolinseneffekt hervorgerufen hätte. Andererseits konnte man aus den Computermodellen der Kaustik-Verzerrung auch mehr Eigenschaften des Planeten ableiten als es normalerweise bei der Gravitationslinsenmethode der Fall war.
Man weiß nun, dass der Planet die doppelte Erdmasse hat und seinen Stern in einem Abstand von 0,8 Astronomischen Einheiten umkreist. Also fast so weit weg wie die Erde die Sonne; hier beträgt der Abstand 1 Astronomische Einheit. Der Planet ist allerdings mit -213 Grad Celsius viel kälter, da der Stern nur ein schwach leuchtender roter Zwerg ist; genau so wie der zweite Stern des Doppelsystems, der 15 Astronomische Einheiten weit weg ist – also ein Stückchen weiter weg als der Saturn in unserem Sonnensystem.
In ihrer Arbeit merken die Autoren drei Punkte an, die sie an dieser Entdeckung besonders interessant finde. Ich allerdings nicht. Erstens schließen sie aus statistischen Überlegungen und der Sensitivität ihrer Methode, dass erdgroße Planeten bei massearmen Sternen sehr häufig sind, was allerdings auch vorher schon bekannt war. Zweites merken sie an, dass es bemerkenswert ist, dass es auch in engen Doppelsternsystemen wie diesem hier Planeten gibt, die einen der Sterne in etwa in der gleichen Distanz umkreisen wie es die Erde bei der Sonne tut. Aber auch das ist eigentlich nicht neu. Ich selbst habe vor über 10 Jahren schon als Himmelsmechaniker mit meinen Kollegen auf genau diesem Gebiet gearbeitet und die Stabilität von Planeten in Doppelsternsystemen untersucht und dabei haben wir immer wieder gezeigt, dass entsprechende Stabilitätsbereiche existieren (siehe zum Beispiel hier oder diese Facharbeit). Und drittens erklären die Autoren, dass diese Entdeckung zeigt, dass erdgroße Planeten in Doppelsternen mit verschiedenen Eigenschaften existieren können. Aber abgesehen davon, dass auch das schon bekannt war, war es vielleicht keine gute Idee, gerade den angeblichen Planeten bei unserem Nachbardoppelstern Alpha Centauri als weiteren Beleg anzuführen – denn dessen Existenz ist mittlerweile bestenfalls umstritten und eigentlich mehr oder weniger widerlegt.
Aber egal. Die Entdeckung der „eisigen Erde“ ist trotzdem bemerkenswert. Nicht weil es sich um einen Planeten in einem Doppelstern handelt. Die Mehrheit der Sterne befindet sich in Mehrfachsternsystemen und wir haben schon genug Planeten dort gefunden um zu wissen, das so etwas normal ist. Sondern weil diese Entdeckung zeigt, dass man auch mit der Gravitationslinsenmethode Exoplaneten charakterisieren kann. Die Forscher wissen zwar noch nicht genau, warum die Anwesenheit des Planeten die Kaustik so verzerrt hat, wie sie es tut. Aber auch wenn das intuitive Verständnis dafür noch fehlt lassen sich die Daten zumindest mit Computermodellen schon so weit analysieren um jede Menge Informationen über den Planeten daraus abzuleiten. Wir können also auf viele weitere Entdeckungen hoffen!
Würden sich mit dem EELT „zweite Erden“ direkt nachweisen lassen?
[…] schreibe in meinem Blog sehr gerne über aktuelle Forschungsarbeiten zur Astronomie (so wie gestern beispielsweise). Da geht es dann um ferne Sterne und Planeten; um noch fernere Galaxien; um schwarze Loch oder die […]