Wissenschaft ist generell ziemlich cool. Aber manchmal ist sie so richtig beeindruckend. Für mich ist das immer dann der Fall, wenn ich sehe, wie jemand etwas herausfindet, von dem man eigentlich denken sollte, dass wir es unmöglich herausfinden können. Nehmen wir zum Beispiel das sogenannte Paradoxon der schwachen jungen Sonne. In der fernen Vergangenheit unserer Erde, vor etwa 3 Milliarden Jahren, leuchtete die Sonne noch schwächer als heute. Sie strahlte weniger Licht und Wärme auf die Erde und eigentlich hätte es dort so kalt sein müssen, dass Wasser nur gefroren vorkommen kann. Die geologischen Daten zeigen uns aber, dass die Erde früher fast immer wärmer war als heute, ganz besonders in der fraglichen Zeit als die Sonne noch jung war. Die Erde muss die Sonnenwärme also irgendwie besonders effizient gespeichert habe. Man vermutet, dass damals viele natürliche Treibhausgase in der Atmosphäre enthalten waren (in der es auch noch keinen Sauerstoff gab – die Lebewesen, die ihn produzieren, waren noch nicht entstanden). Die Atmosphäre bestand hauptsächlich aus Stickstoff und wenn der atmosphärische Druck damals höher war als heute, dann würde der Treibhauseffekt besonders effektiv funktionieren. Aber wie um Himmels Willen findet man heraus, wie hoch der atmosphärische Druck vor knapp 3 Milliarden Jahren war?
Hier kommen Sanjoy Som von der University of Washington und seine Kollegen ins Spiel. Ihr Lösungsansatz ist originell und genial. Ihre Idee ist die folgende: Wenn es regnet, dann können die Tropfen nicht beliebig groß werden. Ihre Größe hängt von der Geschwindigkeit ab, mit der die Tropfen fallen. Irgendwann werden sie zu schnell und dann fallen sie in kleinere Tropfen auseinander. Die Geschwindigkeit mit der ein Tropfen fällt hängt nun aber von der Dichte der Atmosphäre ab! Auf der Erde kann ein Regentropfen knapp 6,8 Millimeter groß werden.
So weit so gut. Ein Problem gibt es aber noch. Wie will man herausfinden, wie groß ein Regentropfen vor 3 Milliarden Jahren war? In Omdraaivlei, in Südafrika hat man ein paar ganz erstaunliche Fossilien gefunden. Sie sind 2,7 Milliarden Jahre alt und es handelt sich dabei um fossile Regentropfen! Ich finde das echt großartig. Fossiler Regen! Vor 2,7 Milliarden Jahren ist dort offensichtlich ein Vulkan ausgebrochen. Dann begann es zu regnen und die Tropfen fielen in die frische Vulkanasche. Dort hinterließen sie kleine Krater auf die dann neue Vulkanasche fiel. Im Laufe der Jahrmillionen versteinerte die Asche, die obere Schicht wurde durch Erosion abgetragen und heute können wir die Abdrücke der Regentropfen betrachten, die vor 2,7 Milliarden Jahren gefallen sind. Fantastisch!
Sanjoy Som und seine Kollegen haben den Prozess nun im Labor nachgemacht. Sie besorgten sich Vulkanasche vom Ausbruch des Eyjafjallajökull in Island und von einem Vulkan aus Hawaii. Dann erzeugten sie künstlichen Regen und haben genau gemessen, wie groß die jeweiligen Eindrücke in der Asche waren. Mit diesen Informationen konnten sie dann berechnen, wie groß die Regentropfen vor 2,7 Milliarden waren! Damit schließlich war es möglich Grenzwerte für die Dichte der prähistorischen Atmosphäre anzugeben. Sie konnte höchstens doppelt so dicht sein wie heute! Das Paradoxon der schwachen jungen Sonne lässt sich damit leider noch nicht komplett aufklären. Aber immerhin kann man die verschiedenen möglichen Modelle nun besser einschränken und ein paar davon auch schon ganz ausschließen. Viele Modelle sind von einem sehr hohen Atmosphärendruck oder sehr warmen Urozeanen ausgegangen. Beide Thesen sind dank der Untersuchung des fossilen Regens nun widerlegt. Eine junge Erde mit vielen Treibhausgasen in der Atmosphäre widerspricht den befunden aber nicht.
Man wird noch weitere Daten brauchen, um herausfinden zu können, warum die Erde damals so warm war. Die Modelle von Sanjoy Som und seinen Kollegen hängen stark von der Temperatur ab und wenn man auch weiß, das es damals wärmer als heute war, ist immer noch unklar, wie warm es damals genau war. Aber auch hier wird man einen Weg finden und die nötigen Daten bekommen. Wenn die Wissenschaft eines ist, dann kreativ. Der Regen vor 2,7 Milliarden Jahren ist das beste Beispiel dafür.
Schöner Artikel. Und gelungener Spannungsaufbau. Im ersten Teil (vor den Bildern) habe ich mich gefragt, was die fossilen Regentropfen den Forschern bringen. Um aus den Fossilien zu nützlichen Schlüssen zu kommen,muss man sie ja mit etwas vergleichen können. Und nach den Bildern kommt dann die Auflösung, die Forscher haben Regen auf Vulkanasche im Labor erzeugt. Eine sehr gelungene Kombination von Glück, Kreativität und methodischer Arbeit.
Hi Florian
Ich kann Dich nur zitieren:
Fantastisch !
Das macht Wissenschaft so interessant und spannend.
Gruß
Wolle
Habe vor kurzem ein Radiointerview mit Som gehört. Da beschreibt er, wie er den ‚künstlichen Regen‘ erzeugt hat: im Treppenhaus seines Instituts aus dem sechsten Stock mit ner Pipette (um die Tröpfchengröße genau einzustellen) den ‚Regen‘ auf die Asche fallen lassen. Großartige Vorstellung.
@Florian danke für den tollen Artikel. Ich bin ein interessierter Laie und frage mich, inwiefern die damalige höhere Temperatur mit Geothermie aus/in der Erde in Verbindung gebracht werden könnte?
@Wolfgang S.: Wirklich? Weißt du, ob man das Interview noch irgendwo hören kann?
Hier kann man ein Interview hören (oder lesen).
https://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/1718421/
@augenfarbe
Podcast von d-Radio – Forschung aktuell vom 29.03.
Findest du im itunes Store
Und desswegen mag ich die Wissenschaft allgemein, immer wieder interessante und neue Sachen gibt es da zu entdecken.
@T-bit, Wolfgang S.: Ah, danke!
@topic: Wirklich sehr interessant.
Fossiler Regen! Großartig!
Toller Beitrag. Was ich mich frage, wie wurden die Versteinerungen als Abdrücke von Regentropfen identifiziert? Kann man da eine andere Herkunft ausschließen? Könnten ja auch Wasserspritzer unbekannter Herkunft sein.
Fallende (Regen-)Tropfen werden ja vom Luftzug abgeplattet (und bei steigender Größe irgendwann zerrissen, wie Du ja schreibst). «Groß» beschriebt hier also welches Maß — den Durchmesser einer Kugel mit dem Volumen eines maximalen Regentropfens, den horizontalen Durchmesser eines durch ein ruhendes Fluid mit oder ohne innere Reibung fallenden abgeplatteten Tropfen-Sphäroids, der gemittelte horizontale Durchmesser eines u.U. ja eher pfannkuchenförmigen (für Berlin: eierkuchenförmigen) RL-Tropfens …?
Da hat der viele Regen offenbar ein s weggewaschen. Hier, ich spende eines: [s].
Was ich mich jetzt noch frage: Sind die damals größtmöglichen Regentropfen gefallen und wie will man das wissen?
spannend…aber woher weiss man mit sicherheit, dass das fossile abdrücke von regentropfen sind?
@ Thomas:
Die Regentropfengröße müsste einer Gauß-Verteilung folgen, d.h. es werden die meisten in durchschnittlicher Größe aufgetroffen sein, sehr wenige mit minimaler Größe und sehr wenige in maximaler Größe. Wenn man die gefundenen Tropfengrößen in ein Diagramm einträgt, kann man die max. Tropfengröße – selbst, wenn man sie nicht direkt beobachten kann – aus dem Diagramm berechnen.
Gruß
Jörn
Whoah, ist das cool!
Kurze sprachliche Anmerkung zum isländischen Vulkan: „Eyjafjallajökull“ bedeutet wörtlich „Gletscher der Inselberge“, da aber nicht der Gletscher ausgebrochen ist, sondern eine der Vulkanspalten, wär „Eyjafjöll“ die korrekte Wiedergabe. 😉