Das hier ist die Rezension eines
Kapitels von „Der Stoff aus dem der Kosmos
ist“ von Brian Greene. Links zu den Rezensionen der anderen Kapitel kann man hier finden.
Gestern habe ich von der inflationären Kosmologie erzählt (bzw. ich habe das zusammengefasst was Brian Greene darüber geschrieben hat). Die erklärt auf ziemlich coole Art und Weise wo der „Knall“ beim Urknall herkam und löst einige der großen Probleme die die kosmologische Standardtheorie hatte. Wenn man die Inflation aber mit der Quantenmechanik kombiniert, dann zeigt sich, dass sie noch ein paar mehr überraschende Erklärungen liefern kann!
Quanten am Himmel
Da ist zum Beispiel die Frage nach den Galaxien, den Sternen und den Planeten: warum gibt es sowas überhaupt? Denn bisher sind wir bei den kosmologischen Betrachtungen ja davon ausgegangen, dass das Universum extrem gleichförmig ist. Und wenn man es auf großen Skalen betrachtet, dann ist es das auch. Auch in der Frühzeit des Universums, aus der wir heute noch die kosmische Hintergrundstrahlung beobachten können, war dort alles extrem gleichförmig. Das ganze Universum war gleichmäßig von einem heißen Gas erfüllt und das ist auch der Ursprung des Zeitpfeils. Aber wenn damals wirklich alles so extrem gleichförmig gewesen wäre, dann müsste es das heute noch immer sein.
Unser Universum allerdings ist – zumindest auf „kleineren“ Skalen – nicht homogen sondern voller „Klumpen“ wie Galaxien oder Sternen. Und diese Klumpen verdanken wir der Quantenmechanik! Greene hat in früheren Kapiteln schon über die Heisenbergsche Unschärferelation geschrieben; eine der grundlegenden Aussagen der Quantenmechanik. Sie besagt, dass wir zum Beispiel nicht gleichzeitig über den Ort und die Geschwindigkeit eines Teilchens Bescheid wissen können. Das gleiche gilt auch für Felder: wir können nicht gleichzeitig exakt über den Wert eines Feldes und seine Änderungsrate Bescheid wissen. Oder, wie es Greene sagt:
„Die Quantenmechanik macht die Dinge quirliger und turbulenter.“
Ein Feld fluktuiert also immer ein bisschen. Diese Quantenfluktuationen finden nur im subatomaren Bereich statt und sind normalerweise im Alltag nicht bemerkbar. Wenn wir allerdings die Inflation berücksichtigen, dann ergibt sich ein interessantes Bild: damals wurde ein winzig kleiner Bereich des Universums enorm schnell enorm groß. Und damit wurden auch die winzigen Quantenfluktuationen aufgeblasen und vergrößert. Diese winzigen Inhomogenitäten sind im Laufe der Zeit durch die Gravitation größer und größer geworden und heute sehen wir sie als Galaxien am Himmel:
„Laut Inflationstheorie sind die mehr als hundert Milliarden Galaxien, die im All wie himmlische Diamanten schimmern, nichts als Quantenmechanik, die in großen Buchstaben an den Himmel geschrieben wurden. Für mich ist diese Erkenntnis eines der größten Wunder des modernen wissenschaftlichen Zeitalters.“
Allerdings!
Galaxienhaufen Abell 1689 – alles Quantenfluktuationen!
Und die Inflationstheorie ist nichts, was die Wissenschaftler einfach so aus dem Ärmel geschüttelt haben und was nun eben geglaubt werden muss. Sie macht konkrete, überprüfbare Vorhersagen. Denn die Inhomogenitäten die aus den Quantenfluktuationen entstanden sind, äußern sich nicht nur in der Existenz von Galaxien sondern wirken sich auch auf die Hintergrundstrahlung aus. Die sollte ebenfalls winzige Temperaturunterschiede zeigen. Man kann genau vorhersagen, wie diese Unterschiede aussehen sollten – und mit Satelliten wie COBE, WMAP oder Planck kann man die Unterschiede messen. Die Übereinstimmung zwischen Messung und Vorhersage ist verblüffend exkat!
Zehn Kilo reichen für ein Universum!
Die Inflation kann aber auch noch Licht auf andere Fragen werfen. Zum Beispiel die, nach dem Ursprung der Masse/Energie. Mit der Inflation und dem Higgsmechanismus kann man erklären, wie die Dinge die Masse bekommen, die wir heute messen. Aber können wir auch erklären, wo überhaupt die ganze Energie/Masse im Universum herkommt? Tatsächlich kann die Inflationstheorie auch hier interessante Einsichten liefern. Die Sache ist allerdings etwas kompliziert; und ich bin mir nicht sicher ob ich sie hier in der Kürze richtig erklären kann (im Zweifelsfall lest also lieber direkt bei Greene nach). Das Inflaton-Feld verkörpert Energie – und als es nach der Inflationsphase seinen nichtverschwindenen Wert annahm wurde die ganze „überschüssige“ Energie in die Produktion von Materie gesteckt. Diese Energie ist allerdings während der Inflationsphase angewachsen, weil das Inflaton-Feld Energie aus der Gravitation gewonnen hat. Greene vergleicht das mit einer Kiste, in der Gummibänder gespannt sind. Dehnt man die Wände der Kiste aus, dann steigt die in den Gummibändern gespeicherte Energie. Es muss also am Anfang gar nicht so viel Energie im Inflaton-Feld gesteckt haben. Greene schreibt:
„Daraus folgt, dass zu Beginn der Inflation das Inflaton-Feld nicht viel Energie zu haben brauchte, weil die enorme Expansion, die auszulösen es sich anschickte, die Energie, die es trug, außerordentlich verstärken sollte. Eine einfache Rechnung zeigt, dass ein winziges Klümpchen, rund 10-26 Zentimeter im Durchmesser, das mit einem gleichförmigen Inflaton-Feld erfüllt ist – und lediglich zehn Kilo wiegt – durch die nachfolgende inflationäre Expansion genügend Energie erwerben würde, um alles zu erklären, was wir heute im Universum sehen.“
Zehn Kilo für unser ganzes Universum! Ziemlich cool! (anderen Modellen zufolge würde sogar schon das Äquivalent eines Staubkorns ausreichen).
10 Kilo sind genug um ein Universum draus zu machen!
Die Inflation erklärt nun auch endlich den Ursprung des Zeitpfeils. Die inflationäre Kosmologie erklärt, warum unser Universum ganz zu Beginn in einem extrem gleichförmigen und niederentropischen Zustand war und deswegen die Entropie seitdem immer weiter zunehmen kann. Aber was der Grund für die Inflation ist, wissen wir immer noch nicht.
Greene beschreibt hier eine Art „Ur-Chaos“ – einen hoch-entropischen, chaotischen Zustand; der Raum voller Fluktuationen und Verzerrungen. Wir haben oben schon gesehen, dass es schon reicht, wenn in einer sehr kleinen Raumregion ein Inflaton-Feld mit dem richtigen Wert vorhanden ist um eine Inflationsphase auszulösen. In diesem „Ur-Chaos“ muss also nur einmal eine der Fluktuationen den richtigen Wert haben und schon „knallt“ es und wir haben ein neues Universum…
Allerdings wissen wir nicht, wie der prä-inflationäre Zustand tatsächlich ausgesehen hat. Und hier genaueres zu wissen und abzuschätzen, wie wahrscheinlich so eine statistische Fluktuation tatsächlich ist, müssen wir uns was neues ausdenken. Dieser neue Ansatz ist – das meint zumindest Greene – die Superstringtheorie, die uns in den nächsten Kapiteln beschäftigen wird.
Noch mehr Buchrezensionen auf ScienceBlogs:
hmm stellt greene irgendwie dar wie sich die daraus resultierende negative energie im universum verteilt und in welcher „form“ sie vorliegt?
@perk: Was genau meinst du? Kosmologische Konstante und dunkle Energie wurden ja schon in einem anderen Kapitel angesprochen. Oder meinst du was anderes?
wenn das inflatonfeld 10kg energie entspricht und sich daraus ein universum mit 10^x kg masseninhalt bildet muss damit die energieerhaltung gewährleistet ist in irgend einer form negative energie durch das raumvolumen „bereitgestellt“ werden zb durch negativen druck
meine frage ist: beleuchtet er energieerhaltungsaspekte bezüglich dieser these und in wie weit gibt er hinweise auf rechnungen dass man die balance zwischen positiver und negativer energieanteile im universum abschätzen könnte?
@perk: Ach so – ja, zur Energieerhaltung steht was drin. Ich schlag das heute abend nochmal nach. Die Energie kommt aber jedenfalls aus der Gravitation – und ein Gravitationsfeld kann ja beliebig negativ werden.
wäre nett wenn du die ergebnisse hier posten könntest
jain 😉 so einfach ist das nicht, wir können ja die krümmung beobachten und die ist lokal überall wo wir sie sehen >= 0 also ist dort auch die energiedichte positiv..
meinst du beliebig negativ begrenzt auf einen bereich wo quanteneffekte wirken, global oder auf makroskopischer ebene?
die arbeiten die ich dazu kenne meinen wenn ich mich recht erinnere dass der durchmesser des gebiets negativer energiedichte invers proportional zur „amplitude“ der energie ist, was eine makroskopische anwendung „verbietet“.. und eine globale eigentlich auch verbieten müsste.. wäre schön wenn jemand diesen knoten für mich entwirren könnte 😉
@perk: damit ich das jetzt nicht alles abtippen muss bzw. falsch interpretiere hab ich die relevanten Seiten aus dem Buch abfotografiert:
https://twitpic.com/1qo3jb
https://twitpic.com/1qo3s7
Und noch die Fußnote Nummer zwei:
https://twitpic.com/1qo43r
Ich hoffe es ist lesbar.
Erstmal einen Dank für diesen interessanten Blog!
Leider versteh ich das mit den „Klumpen“ im Universum noch nicht so wirklich…
Wie kann man aus der Unschärferelation schließen, dass es diese Fluktuationen gibt?
@oli
Laut Unschärferelation kann ein Teilchen dessen Impuls bekannt ist einen beliebigen Ort haben.
Ich denk, die Unschärferelation sagt nur, dass man nicht beides gleichzeitig bestimmen kann?
Olli:
Nicht ganz. die Unschärferelation sagt, daß das Produkt aus Impuls und Ort mindestens soundso groß sein muß. Das heißt aber, daß bei ganz genau bekanntem Impuls der Ort sehr ungenau bekannt sein muß – und umgekehrt bei genau bekanntem Ort der Impuls nicht mehr bekannt ist.
Ich find den Vergleich aus der Fotografie gut: je schärfer du den fliegenden Ball fotografisch einfangen kannst, desto weniger kannst du wissen, wie schnell er ist, weil du die verwischte Spur, die er zieht, immer weniger als Meßinstrument verwenden kannst. Das eine Extrem ist der bewegungslos scheinende in der Luft schwebende Ball (Ort genauestens bekannt – Geschwindigkeit k.A.), das andere die Langzeitbelichtung mit einer laaangen Leuchtspur des Balles, aus dem sich prima der Impuls ablesen läßt. Leider auf Kosten des Ortes. Der ist nämlich jetzt das Integral seiner gesamten Bewegungsgeschichte.
Die Unschärferelation ist lediglich der Formalismus, der deine Kompromißbreite begrenzt.
@olli: „Ich denk, die Unschärferelation sagt nur, dass man nicht beides gleichzeitig bestimmen kann? „
Ja, schon – aber das ist halt Quantenmechanik 😉 Man kann nicht beides auf einmal bestimmen – das heisst aber nicht, dass beide Parameter einen konkreten Wert haben, den man halt nur nicht kennt. Sondern es heisst, dass wenn ich einen Wert kenne, der andere Wert tatsächlich unbestimmt ist. Wenn man also z.B. ein Feld hat, dessen Wert null ist – im Vakuum z.B., dann weiß man das genau. D.h. die korrespondierende Größe – die Änderungsrate des Felds – ist völlig unbestimmt und kann beliebige Wert annehmen. Und das wiederrum heisst, dass ein Feld im Vakuum wild fluktuiert.
alles klar, danke =)
danke florian fürs abfotografieren, es war lesbar.. hatte nur keine zeit hier wieder reinzuposten.. ich finds schade dass er den offensichtlichen und naheliegenden gedanken des energievergleiches nicht anbringt und ausführt.. das wäre wesentlich illustrativer als dieses krude „kinder in der kiste“-beispiel…
Die Superstringtheorie ist. mit Verlaub, Humbug und höchstens eine rechentechnische Spielerei von unterbeschäftigten, aber eigentlich gar nicht so dummen Mathematikern.
Die Superstringtheorie ist nicht hintergrundunabhängig – und damit ist das schon das Ende der Geschichte.
@TWR: „Die Superstringtheorie ist nicht hintergrundunabhängig – und damit ist das schon das Ende der Geschichte.“
Das gilt auch für fast den ganzen Rest der Physik. Ist die auch „Humbug“?
Abgesehen davon ist die Stringtheorie eine Hypothese, deren Gültigkeit sich noch erweisen wird – oder eben nicht. So wie das mit Hypothesen eben ist. Falsifiziert ist sie jedenfalls noch nicht.
Cooler Artikel 😀
Blöd ist nur, dass man die Materie aus dem neuen Universum nicht nehmen kann (angenommen, man wolle ein Universum erschaffen)