Ich wollte ja immer schon mal einen Artikel über Tiefseeastronomie schreiben. Nur dachte ich bis jetzt nicht wirklich, dass es sowas tatsächlich gibt. Seit kurzem bin ich schlauer…
Natürlich handelt es sich dabei nicht um U-Boote mit Teleskopen oder Taucher mit Ferngläsern… Aber anscheinend ist es tatsächlich möglich, aus der Erforschung des Ozeans Rückschlüsse auf astronomische Phänomene zu ziehen.
Unter Wasser
Wie das im Detail aussieht, hat Jenny Feige von der Universitätssternwarte Wien in ihrem Vortrag bei der Jahrestagung der Astronomischen Gesellschaft in Potsdam erzählt. Der Titel ist ein wenig technisch: „How does the Local Bubble connect with the 60Fe anomaly in the hydrogenetic ferromanganese crust?“.
Dahinter versteckt sich aber eine sehr faszinierende Geschichte. Sie beginnt am Boden des Ozeans. Der sieht manchmal so aus:
Was man hier sieht, ist eine sogenannten Mangan-Kruste. In diesem Gestein ist aber nicht nur Mangan enthalten, sondern auch Eisen-60. Das ist eines der Isotope von Eisen. Es ist schwach radioaktiv mit einer Halbwertszeit von 2.6 Millionen Jahren. Auf der Erde wird es nicht erzeugt und das, was nach der Entstehung des Planeten vorhanden war, ist fast schon komplett zerfallen. Trotzdem hat man 2004 in einem Stück der Mangan-Kruste einen nicht erwarteten Überschuß an Eisen-60 gefunden.
Das Stück Gestein um das es geht, trägt die Bezeichnung 237KD, stammt aus dem Zentralpazifik (9°18’N, 146°03’W falls es jemand genau wissen will) und kommt aus 4830 Meter Tiefe, direkt vom Gipfel eines unterseeischen Bergs. So sieht es aus:
Eisen aus dem Weltall
Wo kommt dieses überschüßige Eisen-60 her? Es kann kein ursprüngliches Eisen-60 aus der Zeit der Planetenentstehung sein – das wäre schon zerfallen. Außerdem ist die entsprechende Gesteinsschicht nur 2.2 Millionen Jahre alt. Wenn es also nicht von der Erde kommen kann, dann muss es aus dem Weltraum sein. Und hier sind wir endlich bei der Astronomie angelangt.
Beim Urknall sind ja nur Wasserstoff und Helium (und ein bisschen Lithium) entstanden. Der Rest kommt aus den Brennöfen im inneren der Sterne wo durch Kernfusion neue Elemente entstehen und bei Supernova-Explosionen wieder zurück ins All geschleudert werden. Vor 2.2 Millionen Jahren muss es also in der Nähe des Sonnensystems eine oder mehrer Supernovae gegeben haben, durch die das Eisen-60 auf die Erde gekommen ist.
Ich habe gestern schonmal über Supernovae geschrieben. Da habe ich erklärt, wie Supernovae die sg. Bubbles erzeugen – große, leere Gebiete im Weltraum, in denen kaum interstellarer Staub zu finden ist. Und diese Blasen sind auch in dieser Geschichte von Bedeutung. Denn unser Sonnensystem befindet sich in genau so einer Blase: der sg. local bubble oder lokalen Blase. Die sieht ungefähr so aus:
Sie ist etwa 14 bis 15 Millionen Jahre alt und entstand durch mehrere Supernova-Explosionen. Man schätzt, dass etwa 14 bis 20 Sterne explodiert sind, die zu einem sg. Bewegungshaufen gehören. Das sind Sterne, die gemeinsam entstanden sind und sich nun in die gleiche Richtung in der Milchstrasse bewegen.
Sternenwanderung
Diese Sterne bewegen sich also durch die Milchstrasse und ab und zu explodiert einer davon. Man hat die Bahn der Bewegungsgruppe zurückverfolgt (es handelt sich um die Scorpius-Centaurus Assoziation bzw. der Untergruppen Upper Centaurus Lupus und Lower Centaurus Crux falls es jemand genau wissen will). Ziemlich genau vor 15 Millionen Jahren hat die Gruppe das Gebiet erreicht, das heute die lokale Blase ausmacht. Man kann also davon ausgehen, dass wir die Existenz der Blase tatsächlich diesen Sternen verdanken.
Man hat aber noch mehr herausgefunden: vor 2.2 Millionen Jahren hatte die Gruppe ihren geringsten Abstand zur Erde (65 Parsec). 2.2 Millionen Jahre – das ist genau die Zeit, als auch das überschüßige Eisen-60 auf die Erde kam! Es ist also wahrscheinlich, dass die selben Sterne (bzw. Supernovae), die die lokale Blase erzeugt haben, auch für den Eisen-60 Überschuß im Ozeanboden verantwortlich sind!
Genau diese Hypothese hat nun Jenny Feige (gemeinsam mit D. Breitschwerdt, B. Fuchs, C. Dettbar) untersucht. Mit ihren Modellrechnung (die in etwa denen entsprechen, die ich gestern schon beschrieben habe), konnten sie zeigen, dass die Sterne der Scorpius-Centaurus-Assoziation, die zu Supernovae wurden wirklich genug Energie hatten um die lokale Blase zu formen und das dabei auch ausreichend Eisen-60 auf die Erde kommen kann.
Ein kleines Stückchen Ozeanboden konnte uns also tatsächlich etwas über die Entstehung der großräumigen Struktur im Weltall sagen! Das ist Wissenschaft, wie sie sein soll: zur Hälfte spannende Detektivgeschichte, zur Hälfte überraschende Einsichten und ganz und gar cool!
Naja, Antares gibbet ja auch schon seit 2007. Myon Detektor mittels Tcherenkov-Strahlungs-Messung mit Photomultipliern. Aber die Fe-60 Geschichte ist auch interessant. Aber wieso gibt es keine Möglichkeit, Fe-60 auf der Erde zu erzeugen?
@Gluecypher: Hmm – da müsste man nen Geologen oder Chemiker fragen 😉 In Teilchenbeschleunigern kriegt mans vielleicht hin, wenn man wollte. Aber natürlich Prozesse, die Fe-60 produzieren gibts keine…
Ich denke mal, dass Fe-60 nur bei Verschmelzungsprozessen aber nicht bei Zerfallsprozessen entsteht. Deshalb gibts kein ’neues‘ auf der Erde sondern nur das was von der Verschmelzung quasi übrig ist.
Hm… wie schnell bewegen sich denn solche Eisenatome nach einer Supernova?
Erreichen sie annähernd Lichtgeschwindigkeit, oder sind sie deutlich langsamer?
65pc sind immerhin über 210 Lichtjahre, und wenn in dieser Entfernung ein
Stern explodiert, dann wird es noch eine ganze Weile dauern, bis die Fe60-Partikel
die Erde erreichen, bei v=0.001c z.B. 200000 Jahre.
Deswegen wundert mich, dass das Alter des Minerals vom
Meeresboden und der Zeitpunkt der Supernova so genau zusammenfallen.
Oder fällt der Unterschied bei 2.2Mio Jahren kaum ins Gewicht?
Was mich auch wundert, ist das Alter der Gesteinsschicht. Was genau bedeutet das?
Aus der Korrelation mit der Supernova können wir doch nur schließen,
dass vor etwa 2.2Mio Jahren das Fe60 in die Gesteinsschicht eingebracht wurde,
das Gestein selbst kann aber schon lage vorher existiert haben. Andererseits, wenn
dieser untersseeische Berg z.B. durch vulkanische Aktivität vor 2.2 Mio Jahren
entstanden ist, dann kann man doch nicht daraus schließen, dass zu diesem Zeit-
punkt auch das Fe60 eingedrungen ist.
Und als drittens: Vor 2.2 Mio Jahren hat doch auf der Erde schon das Leben pulsiert.
Wenn nun in so geringer Entfernung gleich eine ganze Gruppe von Sternen
explodiert, dann hat es doch sicher eine enorme Strahlungsbelastung auf der Erde
gegeben, und das müsste doch Auswirkungen auf die Evolution gehabt haben.
Hat man in dieser Epoche eine Veränderung im Evolutionsablauf festgestellt?
Nicht dass der falsche Eindruck aufkommt: Meine Fragen sind die eines Unwissenden.
Ich will *nicht* die Theorie anzweifeln.
Was mir nicht so ganz einleuchtet: Weshalb muss man das auf dem Meeresboden mache? Wuerde die selbe Anomalie nicht auch in jeder Gesteinsschicht an der Erdoberflaeche auftretten welche 2.2Millionen Jahre alt ist? Zur Strahlungsgeschichte: Ich kann nicht einschaetzen wie stark die Strahlung auf der Erde aufgrund eines solchen Ereignisses zunimmt (andere koennen sowas sicher besser), aber Evolutionstechnisch gesehen ist eine Kurze Strahlungsbelastung zwahr durchaus unangenehm fuer die direkt betroffenen Organismen, da sie jedoch keinen langzeitigen Selektionsdruck aufrechterhaellt (davon ausgegangen dass da nicht ueber jahrtausende von Jahren hohe Strahlenbelastung vorhanden war) werden sich die Lebewesen auch nicht daran anpassen. Das einzige was passieren koennte waehre ein Massensterben, doch auch das muss sich nicht unbedingt gross auf die Evolution auswirken, denn die Luecken sind ja schnell wieder gefuellt. Nur ein Massenaussterben wie bei den Dinos hat hier massive Konsequenzen.
@schlappohr: Jenny Feige sitzt grad neben mir und ich hab sie mal gefragt.
Also die Eisenatome brauchen ein paar Zehntausend Jahre bis sie zur Erde gelangen. Das passt mit dem Alter gut zusammen. Und die Gesteinsschichten entstehen ja durch Sedimentation – also kann man schon gut sagen, dass die entsprechende Schicht so alt ist.
Und der Einfluss auf der Novae auf das Leben ist komplex und nicht komplett verstanden. Manche Leute gehen davon aus, dass es einen Einfluss aufs Klima gab der letztendlich sogar die Evolution des Menschen getriggert hat. Aber da muss man noch einiges untersuchen, bis man das genau rausgefunden hat.
@Florian
Vielen Dank an Jenny Feige für die Antwort aus erster Hand 🙂
Ich kann mir gut vorstellen, dass der Einfluss von Novae auf die biologische
Evolution schwer zu untersuchen ist, sie sind ja zum Glück recht selten
(Bzw. aus Sicht eines Astronomen eher *leider* recht selten).
Dennoch hätte ich erwartet, das man in dieser Zeit *irgendeine* Änderung im
Verlauf der Entwicklung festgestellt hätte, auch ohne den genauen Zusammen-
hang zu verstehen. z.B. die spontane Enstehung neuer Arten
durch Mutation, oder eine erhöhte Anzahl von Fossilien mit irgendwelchen
auffälligen Missbildungen oder so etwas.
Abgesehen von der Sonne kann es ja keine stärkere Strahlungsquelle in erdnähe
geben als eine handvoll Supernovae praktisch vor der Haustür (oder habe
ich etwas vergessen?)
@Schlappohr: Es gibt dazu Arbeiten die genau so einen Zusammenhang aufzuzeigen meinen. Ich hab aber grade den Link nicht parat – vielleicht schaut Jenny ja nochmal rein und kann den Link hier reinstellen.
Aber man darf nicht vergessen, das 65 pc schon ne große Distanz ist. Die Strahlungsbelastung auf der Erde dürfte hier doch sehr gering sein…
@Spaceman Spiff: Ich kann nicht genau sagen, warum man das im Ozean macht. Wahrscheinlich kommt man da besser an die Gesteine ran. Da hat man ja durch die Sedimentation eine sehr ordentliche Schichtung und alles läuft sehr ruhig ab. Wahrscheinlich kriegt man an der Erdoberfläche wegen Erosion und Verwitterung schlechtere oder keine Daten.
Ich vermute mal, es hängt mit den chemischen Eigenschaften von Eisen und Mangan zusammen, dass diese gerne gepaart auftreten. Und solche Manganklumpen (die dann auch Fe enthalten) gibt es nun mal nur unter Wasser. Falls nun jemand eine Eisenerzlagerstätte fände, die zufällig exakt 2,2 Mio. Jahre alt ist, sollte man dort auch eine zu hohe Konzentration von Fe-60 finden. Das Problem ist halt, das Eisenklumpen, die man einem bestimmten Alter zuordnen kann, für gewöhnlich nicht auf (resp. knapp unter) der Erde rumliegen.
Hallo,
hier ein Link zur Auswirkung von Kosmischer Strahlung auf das Klima:
https://adsabs.harvard.edu/abs/1997JATP…59.1225S
und einer zur KLimaänderung in Afrika, was einige Leute mit den Supernova Explosionen in Verbindung setzten:
https://www.sciencemag.org/cgi/content/abstract/270/5233/53
Wenn ihr euch mal die Publikation vom KLaus Knie 2004 anschaut (Link im Artikel), dann findet ihr am Ende des Papers auch einiges zu dem Thema und weitere Referenzen.
Leider hat Wikipedia noch keinen Artikel darüber.
Warum verwendet man eigentlich FE-60 zum Nachweis der Supernova? Normalerweise werden doch bestimmt auch andere Elemente wie Uran etc. mit höheren Halbwertszeiten in Supernova Ereignissen erbrütet ? Würden sich diese Elemente nicht eher eignen? Immerhin müssten diese die Erde ja auf dem selben Weg erreichen?