Nicht nur ich habe mich vor einiger Zeit darüber aufgeregt, dass im Rahmen einer Kinderuniversität Vorlesungen über Homöopathie angeboten werden. Dieses Thema beschäftigte auch andere Blogger und Kommentatoren. Anlässlich der Radiosendungen auf dem österreichischen Sender Ö1 hat Krista Federspiel schon einen offenen Brief bei Kritisch Gedacht veröffentlicht. Auch die ScienceBlogs Stammkommentatorin emp ist nicht wirklich glücklich mit der Art und Weise wie Kindern hier „Wissenschaft“ beigebracht werden soll. Ihre Meinung dazu hat sie in diesem Gastbeitrag zusammengefasst:

Homöopathie auf Ö1 und der Kinderuni Wien

Das Thema der Ö1 – Kinderuni am 21.9.08 ist „Homöopathie – Kleine Wunderkügelchen mit großer Heilkraft“. Die Sendung wird wie jeden Sonntag um 17:10 Uhr ausgestrahlt, kann aber auch hier gehört und (nach Anmeldung) kommentiert werden. Ein Artikel über weitere alternative Methoden ist für die Tageszeitung „Der Standard“ am kommenden Freitag angekündigt.

Die Sendung fand in Kooperation mit der Kinderuni Wien statt. Im Juli gab es bereits eine gleichlautende Lehrveranstaltung für Kinder. Die Ziele der Kinderuni sind es, Wissenschaft in den öffentlichen Raum zu bringen, Kinder, Jugendliche und deren Familien nachhaltig für Wissenschaft zu begeistern, die Universität zu öffnen und der Gesellschaft Wissenschaft und Erkenntnisse zur Verfügung zu stellen und Impulse für spätere Entscheidungen hinsichtlich Bildungsweg zu setzen (nachzulesen hier und hier. Dafür wurde die Kinderuni Wien mit dem „Sustainability Awards 2008“ ausgezeichnet.

Homöopathie und Wissenschaft? Homöopathie und Kinderuni? Wie passt das zusammen? Mit Homöopathie-Veranstaltungen bringt man Menschen die Wissenschaften nahe? Das halte ich für einen Widerspruch in sich.

Ich habe bei der Kinderuni Ende August zwei Mal per Mail nachgefragt, aber außer einer kurzen Antwort, dass die zuständige Person auf Urlaub sei, bis jetzt nichts erhalten. Vielleicht antworten mir die Vizerektoren der beteiligten Universitäten? Immerhin haben sie die Kinder bei der Kinderuni-Sponsion versprechen lassen, immer Fragen zu stellen. Ob man daraus auch auf Antworten schließen kann?

Ich habe mich auch an Ö1 gewandt und folgende Stellungnahme bekommen:

Nachtrag 22.09.08: Ö1 will nicht, dass diese Antwort veröffentlicht wird. Das Zitat bestand aber sowieso nur aus 2 Sätzen.

Gesellschaftliche Relevanz als Auswahlkriterium? Es gibt viele Themen, die gesellschaftlich relevant sind ohne dabei wissenschaftlich zu sein. Homöopathie ist nicht wissenschaftlich. Es handelt sich um eine Pseudowissenschaft, um etwas, das vorgibt, wissenschaftlich zu sein. Genau dieses Vorgeben wird durch Radiosendungen wie diese unterstützt. Homöopathie wirkt nicht, egal wie viele Menschen das glauben. Allein der Titel des geplanten Beitrags suggeriert das Gegenteil. Damit wird ein falsches Signal gesendet: Es fördert Aberglauben statt Wissen.
Sollen Kinder wirklich glauben und es für Wissen halten, dass man mit potenzierten Mondlicht heilen kann?

Man kann Kinder vor Alternativmedizin nicht bewahren, aber man kann sie lehren, damit umzugehen. Genau das würde ich mir von der Kinderuni, die einen hervorragenden Ruf genießt, und von Ö1 als einem Qualitätsradiosender erwarten. Genau das ist nicht geschehen.

Kritisch ist dieser Radiobeitrag nicht. Dr. Peter König „erklärt“ den drei fragenden Kindern die Homöopathie aus der Sicht des Homöopathen ohne den leisesten Zweifel an der Wirksamkeit.

Homöopathie wurde an der medizinischen Fakultät der Universität Wien erstmals 1985 von Mathias Dorcsi gelehrt. 1992 hat Peter König diese Lehrveranstaltung übernommen, seit 2001 gibt es eine „Ringvorlesung“ (Diese Informationen wurden entnommen aus: „Durch Ähnliches heilen. Homöopathie in Österreich“, herausgegeben von Peter König, Wien 2005). Man könnte daher argumentieren, dass die Kinderuni und in der Folge Ö1 nur das lehren, was auch an der Universität gelehrt wird und die Homöopathie-Veranstaltung von daher unbedenklich ist.
Doch die Kinderuni will die Universität öffnen und der Gesellschaft Wissen und Erkenntnisse zur Verfügung stellen. Dieser Anspruch kann mit der Verbreitung von Pseudowissenschaft nicht erfüllt werden, ganz im Gegenteil. Pseudowissenschaften erhalten so nur noch mehr Unterstützung. Abgesehen davon, gibt es durchaus Lehrveranstaltungen für „erwachsene“ Studenten, die man Kindern mit Sicherheit nicht zumuten kann.

Sowohl die Kinderuni als auch Ö1 haben einen seriösen Ruf. Wenn ein Kind dort von der „Wirksamkeit“ der Homöopathie erfährt, wird es das glauben. Das soll Wissenschaft in den öffentlichen Raum bringen? Das sind die Antworten, die die Kinder auf ihre Fragen bekommen? Aus den heurigen 345 Lehrveranstaltungen wählt Ö1 gerade die über Homöopathie aus und sorgt für eine weitere Verbreitung? Ich verstehe das noch immer nicht.

10 Gedanken zu „Gastbeitrag: Homöopathie auf Ö1 und der Kinderuni Wien“
  1. Homöopathie sollte in Deutschland unter dauerhafter Kritik stehen und kein Freiraum für Werbung geboten werden. Gerade Kinder, die kritisches Denken noch nicht erlernt haben, sind besonders anfällig gegenüber falschen Informationen, die durch „Autoritätspersonen“ vermittelt werden. Diese kindliche Naivität sollte eher ein Ende haben und nicht bis ins Alter reichen!

    Placebos gibt es schon. Wozu brauch man dann noch Homöopathie?

  2. Das ist in der Tat Trittbrettfahrertum der übelsten Sorte. Die Homöopathie gehört eigentlich an die theologische Faktultät, Institut für Religionswissenschaften, sofern es dort sowas gibt. (Ich wüsste ein Dissertationsthema für Interessierte: Magisches Denken im 21.Jahrhundert: die Hahnemann-Rituale.)

  3. Falls überhaupt, so kann es nur einen akzeptablen Weg geben, Kinderuni und Alt-und-naiv-Medizin zu vereinen:
    Mit Beiträgen, die Kinder an die Hand nehmen und ihnen erklären, dass man solch eine gequirlte Scheiße auf keinen Fall glauben darf.

    Ich würde mich ja gern gewählter ausdrücken, aber hey: Wir reden hier über Homöotralala:
    I’m soooo sorry!

  4. @buchstaeblich: ich glaube gerade z.B. bei der Homöopathie könnte man das den Kindern gut erklären. Wenn die z.B. selbst eine Hochpotenz herstellen würden, dann merken sie schnell wie sinnlos das Ganze eigentlich ist und das man mit ständigen Verdünnen keine höhere Wirkung erzielen kann.

  5. Auch in den medizinischen Fakultäten in Deutschland wird der Homöopathie unkritisch Raum zur Selbstdarstellung geboten, wie z.B. in Kiel im Rahmen einer von der Carstens-Stiftung geförderten Ringvorlesung Homöopathie.

    Die Ringvorlesung ist, obwohl von einer AG der Fachschaft organisiert, auch über das
    Vorlesungsverzeichnis abrufbar und ist damit als universitäres Lehrangebot ausgezeichnet.
    Die Auswahl der Referenten (alles homöopathisch arbeitende Ärzte) und die Titel der einzelnen Vorlesung lassen erkennen, daß hier die Wissenschaftlichkeit der Homöopathie sowie die Evidenz für die Wirksamkeit nicht kritisch untersucht wird, wie es sich an einer Uni ja gehören würde.

    Gibt es eigentlich keinerlei Qualitätskontrolle dessen was unter dem Label universitäre Lehre verkauft werden darf?
    Kommt demnächst ein Angebot zur Weiterbildung in Ayurveda, Bach-Blüten und Prana-Heilung?
    Wie sieht es anderen Universitäten aus?

  6. Es gab eine Zeit, da wurden Menschen für verrückt gehalten, weil sie glaubten dass die Erde eine Kugel ist. Nun gibt es, seit 200 Jahren Streit, um die kleineren Kugeln.(Globolis)
    Der Ausgang wird wie beim ersten Streit sein.

  7. @Johannes Toch: Wieder mal das Galileo Gambit, hmm? Beide Behauptungen – 1) die Erde ist eine Kugel und 2) Globulis können heilen – lassen sich überprüfen. Behauptung 1) wurder verifiziert; Behauptung 2) falsifiziert. So funktioniert Wissenschaft eben nun mal…

  8. Die Abstimmung in der Schweiz hat eine satte Mehrheit für andere Heilverfahren als die wissenschaftliche Medizin ergeben. 2 von 3 Bürgern haben sich dafür ausgesprochen. Also entweder sind 67 % der Schweizer Idioten oder sie haben etwas richtig erkannt.

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